Zusammenfassung
Ich habe mich im ersten Kapitel mit der Rolle der Literatur in der Vorschul- und Schuleintrittsphase kindlicher Sozialisation beschäftigt und im zweiten mit dem lesenden “Schulkind” in verschiedenen — teilweise historischen — Zusammenhängen. Das dritte Kapitel war der Versuch einer Annäherung an den Kern Literarischer Sozialisation, nämlich die Bedeutung der im Akt des Lesens geschaffenen fiktionalen “Übergangsräume” für die kognitive und emotionale Entwicklung. Ich hatte dabei aber bewusst noch offen gelassen, ob diese Bedeutung fürjunge Leser jeden Alters gleich groß ist oder ob es eine Phase gibt, in der Übergangsgeschichten aus entwicklungspsychologischen Gründen besonders wichtig werden.
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Referenzen
Z.B. Schön 1989; Graf 1980 u. 1994.
Vgl. im Überblick hierzu Eggert/Garbe 1995, 131–135.
Bernfeld (1927) sprach im selben Sinn von “gestreckter Pubertät” (vgl. Eggert/Garbe 1995, 117–122).
Neben Kaplan 1988 vgl. hierzu auch Scarbath 1992.
Vgl. auch meine Rezension des Romans in PD 144 (1997), 14 f.
“Es genügte dem Wachhabenden./ Diese Väter hatten Einfluß./ Diese Väter konnten zahlen.” (Obermayer 1996, 77)
Vgl. hierzu unten, S. 215 ff.
Sozialisation in der DDR unterschied sich in einigen wesentlichen Punkten von derjenigen in der ‘alten’ BRD. Wenn ich dennoch — wenigstens — einen Text heranziehe, der die Sozialisationsprobleme von Jugendlichen im ‘anderen’ deutschen Staat thematisiert, so verdankt sich dies nicht zuletzt der erstaunlichen westdeutschen Karriere, die Plenzdorfs Kult-Text gemacht hat.
In der Spielzeit 74/75 war die Bühnenfassung das meistgespielte Stück in der BRD, Österreich und der Schweiz (vgl. Kratschmer 1996, 171).
Zwischen dem Anfang und Ende dieses Scheinzitats liegen bei Goethe einige Buchseiten bzw. vier Tage von Werthers Briefroman.
Ein von Rudolf Denk et al. herausgegebenes Lesebuch für den 10. Jahrgang (Frankfurt/M.: Diesterweg 1989, 85–107) präsentiert kontrastiv Auszüge aus Plenzdorfs Filmskript sowie aus einem Filmprotokoll zum Fernsehspiel von 1987, druckt Rezensionen ab und gibt Ausschnitte aus Gesprächen mit DDR- und BRD-Jugendlichen über Buch und/oder Film wieder.
In: Die Zeit Nr. 19, 4.5.1973. — Drei Rezensionen (D.E. Zimmer, C.J. Raddatz, M. Reich-Ranitzky) des Textes nach seiner Erstpublikation stellt Willenberg (1978, 10 f.) einander gegenüber.
Unsinnig ist deshalb die Feststellung aus Heidrun Kaschuges Lehrerhandreichung (1976, 63; vgl. auch 97): “Seine Kommentare zu dem Roman verraten Nichtverstehen”.
Die posthumen Tränen von “Charlie” quittiert er mit: “Tu mir den Gefallen und heul nicht. Mit mir war nicht die Bohne was los. Ich war bloß irgend so ein Idiot, ein Spinner, ein Angeber und all das.” (Ebd., 86)
Vgl. etwa Plenzdorf 1972/1981, 33 über die Identifikation Edgar Wibeau — Holden Caulfield.
Dass dies seit der Entstehung einer intentionalen Kinder- und Jugendliteratur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die übliche Sichtweise war, entfalten Dahrendorf 1980, 23 ff. und Steinlein 1987, 22 ff.
Schindler (1994) zeichnet nach, wie seit Rousseaus (1712–1778) Emile (1762) und dem Anton Reiser (1785–90) des Karl Philipp Moritz (1756–93) das Kind nicht nur zum Thema der Literatur wird, sondern “zum faszinierenden Inbegriff des ganz Anderen, Fremden (im Eigenen)” avanciert (Steinlein 1996, 133).
“Werthers tragische Liebesgeschichte mündet nämlich in dem Versuch, das erwachsene Subjekt für die Lücke zu entschädigen, die dem Kind beigefügt wurde.” (Ebd.)
Vgl. Wangerin 1978, 64; auch Dahrendorf 1983.
Gerhard Kaiser: Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm und Drang. 3., überarb. Aufl. München: Francke 1979, 209.
Deswegen kann auch Plenzdorfs Edgar genau diese Stelle als “Waffe” der Provokation gegen seinen Brigadier richten (vgl. Plenzdorf 1972/1981, 100.)
Vgl. Goethe 1774/1949, 389.
Vgl. z.B. ebd., 390 f.
Vgl. ebd., 389.
Kaiser, a.a.O. 210.
Bekanntlich stellte Goethe der zweiten, überarbeiteten Auflage des Briefromans das Motto voran: “Sei ein Mann und folge mir nicht nach!” Das heißt: Sieh zu, lieber — natürlich als männlich gedachter! — Leser, dass du im Gegensatz zu meinem Helden deine Adoleszenzkrise überwindest.
Dieser quantitative Unterschied ist allerdings nicht der einzige, der weibliches und männliches Tagebuchschreiben unterscheidbar macht. Jungen beginnen im Schnitt früher (schon gegen 10 Jahre) und hören früher damit auf; außerdem konzentrieren sie sich stärker als Mädchen auf die reportagehafte Schilderung von Ereignissen, während Tagebuchschreiberinnen eher dazu neigen, “ihre eigenen Probleme und Erlebnisse” darzustellen (Seiffge-Krenke 1985, 141).
Zum Problem der Selbstachtung aus psychoanalytischer Sicht vgl. Blos 1992, 156.
“Ich sehe wirklich gar nicht übel aus. Blonde Haare, keine Pickel, und eine elektrische Munddusche besitze ich auch. Wenn ich ein Vater oder eine Mutter wäre, hätte ich mich wirklich gern um mich.”
“Gut möglich, dass dieses Tagebuch einen Bericht über meine schmerzhafte, in der Endphase liegende Pubertät abgeben wird.”
So hat Füller (1997, 51 ff.) A Th. Sonnleitners (1869–1939) Höhlenkinder- Trilogie (1918–1920) treffend als “Robinsonade zu Lande” bezeichnet.
Vgl. V. Hentig 1996, 41 f. und näherhin unten, Kapitel 8.2.
Die Karriere des Robinson Crusoe als Kinder- bzw. Jugendbuch seit Joachim Heinrich Campes (1746–1818) Robinson dem Jüngeren (1779/80) dokumentiert Füller (1997, 44 ff.). — Bereits Hölder (1967, bes. 100–103) hat die Bedeutung der Robinsonade für die “Entwicklung des literarischen Interesses bei männlichen Jugendlichen” hevorgehoben und einen Zusammenhang zum Abenteuerroman etwa Karl Mays hergestellt. Die Entwicklung des Robinson vom literarischen zum pädagogischen Helden untersucht Reinhard 1994 in einer allerdings problematischen Darstellung. Kehlenbeck (1996) schließlich analysiert Auf der Suche nach der abenteuerlichen Heldin 28 Jugendbücher der 70er und 80er Jahre und findet durch die Entwicklung des Genres den Weg geebnet auch für weibliche Abenteuerfantasien, deren wichtige Rolle in der Adoleszenz sie ausdrücklich reflektiert.
Vgl. Hank/Hermesmeyer/Kohler in Helsper (Hrsg.) 1991, bes. 230.
“Konnte sie ihnen sagen, wie die Welt für sie zerfallen war und nichts mehr blieb? Die Insel hatte sie gerettet. Sie würde zurückgehen, aber jetzt noch nicht.” (Ebd., 116)
“ sie stellte sich selbst Regeln auf: nicht zu essen, bevor sie nicht ein paar weitere Nahrungsmittel zum Vorrat gelegt hatte, erst zwei Fische zu fangen und zu trocknen, bevor sie einen dritten aß.” (Mazer 1982, 159)
Der Wildhüter, der sie kennt und auch nach ihr suchen sollte, erkennt sie nicht wieder und bestreitet ihre Identität (ebd., 188 f.).
“ nichts wollte sie mehr als selbstverständlich betrachten. Niemand sollte mehr die Dinge für sie erledigen” (Mazer 1982, 191). — Vgl. dazu auch Garbe 1996.
Mädchen seien eigentlich immer schon, was sie als Frauen sein würden; eine Übergangsphase hätten sie im Gegensatz zu Jungen/Männern nicht nötig. Lehnert (ebd., 19) nennt das polemisch das “Dornröschen-Modell”.
Vgl. auch für das folgende Zitat Hank/Hermesmeyer/Kühler in Helsper (Hrsg.) 1991, 225.
Inge Wild (1996, 82) beruft sich dafür genau wie nur irgendeine Darstellung männlicher Adoleszenzliteratur auf Werther als das “‘Urmodell’ der Gattung”.
In sozialisationsbedingten “Voraussetzungssytem”, in der interessengeprägten “Textwahrnehmung” und (davon freilich schwer zu trennen) im schemagesteuerten “Textverstehen”.
Sie hat altmodische Benimm-Vorstellungen (“Du hast nicht ins Wort zu fallen, junge Dame”: Mazer 1982, 19) und verkörpert selbst ein Frauenbild, das darin besteht, “Röcke zu tragen, liebenswürdig zu sein, nicht zu widersprechen, niemals laut eine eigene Meinung zu äußern, sich nie ungehörig zu benehmen oder gar zu riechen.” (Ebd., 9).
Vielleicht tun Jungen in der Adoleszenz, die sich häufig sehr wenig für fiktionale Literatur (als Diskurs von den Beziehungen der Menschen) und dafür sehr viel für die ‘Sachen’ (Mechanik, Elektronik, Geografie, usw. usw.) interessieren, letztlich nichts anderes — nur fühlen sie sich vielleicht wirklich weniger als weibliche Jugendliche ‘eins’ mit gleich welcher Natur, sondern eher ihr entgegengesetzt als das schlechthin Andere. Die Geschichte des von Männern eingeführten und lange weitergereichten Robinson-Motivs könnte das sehr wohl zeigen.
Wofür man sie beispielsweise in Kl. 5/6 gebrauchen könnte, dazu Kapitel 7.5.
Karl May: Weihnacht! (1897) Hist-krit. Ausg., hrsg. v. H. Wiedenroth/H. WollschläGer, Abt. IV, Bd. 21. Zürich: Haffmanns 1989.
Vgl. Bröning 1973, Wollschläger 1976, Bach 1983 und Ohlmeier 1989.
Für erstere spricht der Kunstgriff des regelmäßig verzögerten Auftritts der Hauptfigur, besonders Winnetous (vgl. Biermann 1989, 414); für letztere, dass May in seiner fragmentarischen Autobiografie Mein Leben und Streben (Freiburg/Br. 1910; Reprint Hildesheim 1975) Phasen und Zustände einer verminderten Unterscheidungsfähigkeit beschrieben hat.
Vgl. hierzu im Einzelnen diverse Aufsätze von Claus Roxin und zusammenfassend Wollschläger (1976, 162 ff) sowie Roxin (1987).
Vgl. schon Stolte 1976 sowie differenzierter verschiedene Beiträge in Schmiedt Hrsg. 1983 und Eggebrecht Hrsg. 1987.
Genaue Altersangaben sind selten. Als “Kara ben Nemsi” den Orient bereisend, gibt Mays Karl bei Gelegenheit immerhin an, dass er Deutschland mit 18 Jahren verlassen habe. (Vgl. Karl Mays Werke. Hist.-krit. Ausg. hrsg. v. H. Wiedenroth u. H. Wollschläger. Abt. IV, Bd. 1: Durch die Wüste. Zürich: Haffmanns 1990, 348.)
Vgl. hierzu die entsprechende thematische Analyse von Musics Törleß oben, Kapitel 2.2.
Vgl. hierzu auch Ohlmeier 1989, 350 ff. und Brunken 1995, 314.
Diese Definition der US-Germanistin Susan Ashley Gohlman (1990, 25) lässt sich also durchaus — was sie nicht tut — auf Mays Romane anwenden.
In Hinblick auf die Möglichkeit, von May gleichsam einen indirekten Gebrauch im Literaturunterricht zu machen, seien hier genannt: Günter Eich: Fährten in die Prärie. Ein Spiel aus der untergehenden Welt Old Shatterhands und Winnetous (1936/1959). In: Gesammelte Werke in 4 Bänden, hrsg. v. Karl Karst. Frankfurt/M. 1973. Revidierte Ausg. 1991. Bd. II, 127–156. — Otto Kreiner: Karl-MayTrilogie. Davon erschienen: Der Schatten. Salzburg 1989; Der Ruhm. Roman über den Volksschriftsteller Karl May. Paderborn 1994. — Erich Loest: Swallow, mein wackerer Mustang. Karl-May-Roman. Frankfurt/M.: Fischer 1983. — Peter Henisch: Vom Wunsch, Indianer zu werden. Wie Franz Kafka Karl May traf und trotzdem nicht in Amerika landete. Salzburg; Wien: Residenz 1994. Besonders die beiden letztgenannten Texte empfehlen sich einer Behandlung in der S I bzw. S II.
Diese Skizze entnehme ich einer Tagebuchaufzeichnung vom 12.1.1911.
Vgl. vor allem die Briefe an Elli Herrmann vom Herbst 1921, auf die auch Anz (1989) zurückgreift (F.K.: Briefe 1902–1924, hrsg. v. M. Brod. Frankfurt/M.: Fischer 1975, 339–347.)
Vgl. Der verhörte Held. Verhöre, Urteile und die Rede von Recht und Schuld im Werk Kafkas. München: Fink 1985, 23–35.
Dies ist die Altersangabe der ersten Manuskriptseite, die der Kritischen Ausgabe zu Grunde liegt. In der alten, durch Max Brod besorgten Ausgabe findet sich, dem publizierten Text des Kapitels “der Heizer” folgend, die Altersangabe “sechzehnj ährig”.
Vgl. z.B. Anz 1989, 59.
So der Untertitel der May-Biografie von Wollschläger (1976).
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Obermayer, I. et al. (1998). Übergangsgeschichten II: Adoleszenzliteratur und literarische Adoleszenz. In: Übergänge. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99303-8_5
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