Zusammenfassung
Die Konkurrenzdemokratie — sprich das politische System, das auf Parteienkonkurrenz basiert — gilt weiten Teilen der Politikwissenschaft als Optimalfall real existierender Demokratie. Als ihr Idealtyp wiederum gilt das Zweiparteiensystem, präziser die “mechanics of twopartism” (Sartori), wonach es weniger auf die Gesamtzahl der Parteien ankommt als darauf, daß zwei Großparteien um die Regierungsmacht konkurrieren, daß die stete Wahrscheinlichkeit des Regierungswechsels besteht (also keine von beiden über eine Hegemonialposition verfugt) und daß keine von beiden zwecks Regierungsbildung auf Koalitionspartner angewiesen ist. Die Minderheitspartei kann sich hier jederzeit die Chance ausrechnen, selbst zur Mehrheit zu werden, was die Vorbedingung für die Akzeptanz der Mehrheitsherrschaft ist. Zum Idealtyp gehört ferner — auf der institutionellen Seite — die generelle Gültigkeit der (einfachen) Mehrheitsregel, d.h. das Mehrheitswahlrecht sowie die Mehrheitsentscheidung in den relevanten Institutionen des gesamtgesellschaftlichen Entscheidungssystems.
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Literatur
Zu dem Begriffs. Otto Kirchheimer: “Der Wandel des westeuropäischen Parteiensystems”, in: PVS 1965, S.20–41.
S. Richard S. Katz: “Party Government: A Rationalistic Conception”, in: Francis G. Castles/Rudolf Wildenmann, Hg.: Visions and Realities of Party Government, a.a.O., S.31–71; ders.: “Party Government and its Alternatives”, in: Katz, Hg.: Party Government: European and American Experiences, a.a.O., S. l-26.
S. als prominentes Beispiel Fraenkel: Deutschland und die westlichen Demokratien, a.a.O.
S. John K. Galbraith: American Capitalism — The Concept of Countervailing Powers, Boston 1952 (deutsch 1956).
Charles E. Lindblom: The Intelligence of Democracy, New York/London 1965.
Fraenkel, a.a.O., S.21.
Ebenda.
S. Philip Norton, Hg.: Parliament in the 1980s, Oxford 1985; Heidrun Abromeit: “Staatsentwicklung in der Thatcher-Ära: Weniger Staat — mehr Staat?”, in: Roland Sturm, Hg.: Thatcherismus — eine Bilanz nach zehn Jahren, Bochum 1990, S. 295–324.
Max Belof/Gillian Peele: The Government of the United Kingdom, London 1980, S.247 (2.Aufl. 1985).
Albert V. Dicey: The Law of the Constitution, 10. Aufl. Basingstoke 1959, S.40.
S. hierzu Ferdinand Mount: The British Constitution Now, London 1992, S. 218 ff.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei den Unterhauswahlen 1992 gewann der Labour-Kandidat den Wahlkreis Coventry East mit gut 11.000 Stimmen; sein Gegenkandidat von den Konservativen sowie einer, der unter “Independent Labour” firmierte, errangen jeweils über 10.000 Stimmen, und auch für den Liberalen Kandidaten fielen noch einige Stimmen ab.
Das erklärt den Stoßseufzer Giovanni Sartons (a.a.O., S.185): “We are seemingly approaching the paradox of having the most celebrated type of party system running out of cases.”
Vor 1965 wurde nicht formell abgestimmt: Der Parteiführer “emerged”, d.h. die Führung erwuchs aus informellen Meinungsbildungsprozessen. Erst seit 1975 muß der Parteiführer sich im übrigen jährlich der Wiederwahl stellen.
Das “contracting out” wurde im Gewerkschaftsgesetz von 1984 leicht modifiziert. Seither muß die Gewerkschaftsführung alle 10 Jahre die Zustimmung der Mitglieder zur “Affilierung” einholen.
Zu den Zahlen s. Roland Sturm: Großbritannien, Opladen 1991, S.244ff.
Da sich unter ihnen vielfach Linke und “militants” finden, gilt dieser Teil der Partei als die “Outside Left”.
Ohnehin gilt die Organisation der CBI Beobachtern als “a somewhat chaotic system” (Wyn Grant/David Marsh: The Confederation of British Industry, London 1977, S.55).
S. Dennis Kavanagh: “The Politics of Manifestos”, in: Parliamentary Affairs Vol. XXXIV No.l, 1981, S.7–27.
Nach Berechnungen von Richard Rose lag er in den 70er Jahren bei den Konservativen bei 77%, bei Labour bei 54% (Do Parties Make a Difference?, 2.Aufl., London 1984, S.65).
S. S.E. Finer: Adversary Politics and Electoral Reform, London 1975, S.16; Michael Stewart: Politics and Economic Policy in the UK since 1964. The Jekyll and Hyde Years, Oxford 1978.
In Zusammenziehung der Premier-Namen Butler (Konservative) und Gaitskell (Labour) wurde diese konsensuale Politk mit dem Namen “Butskellismus” belegt.
S. hierzu Heidrun Abromeit: “Kontinuität oder ‘Jekyll-and-Hyde-Politik’: Staatshandeln in der Schweiz und in Großbritannien”, in: Heidrun Abromeit/Werner Pommerehne, Hg.: Staatstätigkeit in der Schweiz, Bern 1992, S. 179ff.
S. Heidrun Abromeit: “Mehrheits- und konkordanzdemokratische Elemente im politischen System der Bundesrepublik Deutschland”, in: ÖZP 89/2, S. 165–180.
So erstmals Jean Blondel: “Party Systems and Patterns of Government in Western Democracies”, in: Canadian Journal of Political Science 1, 1968, S.184ff.
Auch die Etablierung der Grünen wurde schon als Indiz bedrohlicher Zersplitterung gewertet; s. bes. Rudolf Wildenmann: Volksparteien. Ratlose Riesen?, Baden-Baden 1989.
S. Helmut Kühr: Vom Milieu zur Volkspartei, Königstein/Ts. 1979.
S. Wilhelm Bürklin: Wählerverhalten und Wertewandel, Opladen 1988, S.69ff.
Zu diesem Prozeß s. Wolf-Dieter Narr: CDU — SPD. Programm und Praxis seit 1945, Stuttgart 1966.
Die Zahl der “politischen”, also der Auswechslung offenstehenden Beamtenpositionen soll sich 1992 auf über 1000 belaufen haben.
S. Heidrun Abromeit: “The Chancellor and Organized Interests”, in: Stephen Padgett, Hg.: The German Chancellorship: from Adenauer to Kohl, im Erscheinen.
Parties and Party Systems, a.a.O.
“Relevant” sind Parteien, deren bloße Existenz die Taktiken im Wettbewerb der übrigen Parteien beeinflußt bzw. die Richtung des Parteienwettbewerbs verändert (ebenda, S.123).
S. hierzu Gunnar Sjöblom: Party Strategies in a Multyparty System, Lund 1968, S. 179.
Giuseppe di Palma: Surviving without Governing, Berkeley 1977.
S. dazu Joseph La Palombara: Die Italiener oder Demokratie als Lebenskunst, Wien 1988, S.25; Theodor Wieser/Frederic Spotts: Der Fall Italien, Frankfurt a.M. 1983, S.103f
Über die Zulässigkeit des Referendums entscheidet vorweg der Verfassungsgerichtshof; beschließen beide Kammern des Parlaments ein Gesetz mit Zweidrittelmehrheit, kann es nicht mehr zur Volksabstimmung gestellt werden.
S. bes. Paolo Farneti: The Italian Party System, London 1985, S.18ff.
Ebenda, S.181ff.
S. Wolfgang Merkel: “Polarisierung oder Depolarisierung, Zentrifugalität oder -petalität?”, in: Jürgen Falter/Christian Fenner/Michael Greven, Hg.: Politische Willensbildung und Interessenvermittlung, Opladen 1984, S.226–236.
Ebenda.
Daneben gilt es eine Reihe kleinerer “autonomer”, zumeist berufsgruppenspezifischer Gewerkschaften, die namentlich verschiedene Sphären des öffentlichen Dienstes vertreten.
S. Michael Braun: Die italienischen Gewerkschaften und die Kommunistische Partei in der “Nationalen Solidarität” (1976–1979), Frankfurt a.M 1992.
So Wieser/Spotts, a.a.O., S. 129.
La Palombara, a.a.O., S.212, 217.
“Party Government in Italy: Achievements and Prospects”, in: Katz, Hg., a.a.O., S.212.
di Palma, a.a.O., S.254ff.
S. Pasquino, a.a.O., S.228.
Vgl. Die ZEIT v. 12.3.1992. “Pizzo” heißt Schmiergeld.
S. bes. den Federalist No. 10 von James Madison.
1801 bis 1829 dominierten die “alten” (Jeffersonian) Republicans, 1829 bis 1861 die Jacksonian Democrats, 1861 bis 1933 die neuen Republikaner, 1933 bis 1960 (nicht ganz so eindeutig) die Demokraten. Zu der Periodisierung s. Dean McSweeney/John Zvesper: American Political Parties, London/New York 1991, S.59f.
Friedrich Engels erschienen die amerikanischen Parteien darum als “zwei Banden von politischen Spekulanten, die abwechselnd die Staatsmacht in Besitz nehmen und mit den korruptesten Mitteln und zu den korruptesten Zwecken ausbeuten” (zitiert in: Hartmut Wasser, Hg.: USA, Opladen 1991, S.97).
McSweeney/Zvesper, a.a.O., S.100. S. auch Leon D. Epstein (Political Parties in the American Mold, Wisconsin 1986, S.144): “an army of officers without privates to fill its ranks”.
Ebenda, S. 114.
Der Election Campaign Act von 1974 begrenzt sogar die Mittel, die die Parteien selbst an die Kandidaten zahlen dürfen. Der Anteil der Wahlkampffinanzierung, den die Parteien leisten, ist darum auf 16% bei Repräsentanten und 15% bei Senatoren gesunken (Zahlen von 1984; s. Christine Landfried: Parteifinanzen und politische Macht, Baden-Baden 1990, S.160).
Vgl. Hans J. Kleinsteuber: Die USA, 2.Aufl., Hamburg 1984, S.58.
Zu den Zahlen vgl. Jürgen Hartmann: Verbände in der westlichen Industriegesellschaft, Frankfurt/New York 1985, S. 173ff.
S. Epstein, a.a.O., S.85.
William Crotty: The Party Game, New York 1985, S. 132.
Er nimmt vor allem deshalb an Bedeutung im Patronage-System zu, weil mit zunehmender Professionalisierung der Verwaltung Patronage im Kernbereich der Ministerialverwaltung schwierig geworden ist.
Epstein, a.a.O., S. 118.
Definiert man “party unity votes” als Abstimmungen, in denen mindestens 90% der Repräsentanten/Senatoren einer Partei einheitlich votieren, schwankt ihr Anteil an den Kongreß-Ab-stimmungen zwischen 3% (Senat) und 7% (Repräsentantenhaus). Vgl. McSweeney/Zvesper, a.a.O., S. 172.
Ebenda, S. 162.
Zu deren Problematik s. Hans J. Kleinsteuber: Staatsintervention und Verkehrspolitik in den USA: Die Interstate Commerce Commission, Stuttgart 1977.
S. u.a. William J. Crotty/Gary C. Jacobson: American Parties in Decline, Boston/Toronto 1980.
Crotty: The Party Game, a.a.O., S. 180.
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Abromeit, H. (1993). “Herrschaft der Parteien”? Die Konkurrenzdemokratie. In: Interessenvermittlung zwischen Konkurrenz und Konkordanz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96029-0_4
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