Zusammenfassung
Bei der Frage, inwieweit nun die gesamte Stadt als eine spezifische Umweltkonstellation den Lebensverlauf von Menschen, insbesondere den Übergang von einer Lebens- bzw. Familienphase in die andere beeinflußt, muß man sich zunächst mit der These des sekulären Bedeutungsverlustes der lokalen Beziehungen zugunsten größerer und abstrakter Verbindungen auseinandersetzen. “Wirtschaftlich, politisch, geistig wachsen die Menschen aus ihren lokalen Lebensgruppen heraus und werden verstärkt in die Gesamtgesellschaft verflochten” (Tenbruck 1972, S.64). Die tendenzielle Herauslösung aus lokalen Lebenszusammenhängen und die damit einhergehende stärkere überlokale Orientierung des modernen Lebens steht außer Frage. Wenn auch Prozesse der Industrialisierung, der Urbanisierung und der Bürokratisierung den in früherer Zeit stärkeren lokalen Bezug des Lebens geschwächt haben, so gehen wir in diesem Kapitel von der Hypothese aus, daß auch heute noch und in Zukunft der lokale Lebenszusammenhang in Städten und Gemeinden für die Lebensqualität und die einzelnen Lebensverläufe eine nicht zu vernachlässigende Größe darstellt. Gerade Oswald, der Mitte der 60er Jahre die überlokale Orientierung des modernen Menschen eingehend beschrieben hat, spricht trotz der mannigfachen überlokalen Verflechtungen von der Filterwirkung der Stadt: “Eine bestimmte Stadt schränkt aber durch ihre Eigenart, was Größe, Wirtschaft, Struktur, soziale Zusammensetzung usw. anbetrifft, die Außeneinflüsse und die Möglichkeit zu jeder beliebigen direkten oder indirekten Außenorientierung in Teilen ein. Sie schließt bestimmte Einflüsse... aus und präferiert dafür andere” (1966, S.91). Die Gemeinsamkeiten bei den Bewohnern einer bestimmten Stadt hervorrufende Filterwirkung besteht vornehmlich darin, daß sie “Möglichkeiten zur konkreten Erfahrung” durch das Vorhandensein von verschiedenen Einrichtungen sowie ihrer konkreten Formen erleichtert oder im Falle ihres Fehlens erschwert:
“Die Verkehrslage oder Bodenvorkommen mögen für eine bestimmte Wirtschafts-, Berufs- und Schichtstruktur mitverantwortlich sein und damit bestimmten Verhaltensweisen ein Übergewicht geben. Die jeweilige Größe ermöglicht oder behindert bestimmte Dienstleistungen am Ort. Historisch ansässige Bildungsinstitutionen können das Angebot an Vorträgen, Konzerten u.ä. beeinflussen. Das Angebot an Vereinen und Clubs, der prozentuale Stimmenanteil bestimmter Parteien, die konfessionelle Zusammensetzung und manches andere sind von Stadt zu Stadt verschieden, und all dies beeinflußt das Sozialleben” (1966, S.188).
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© 1990 Leske + Budrich, Opladen
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Herlyn, U. (1990). Stadt als Heimat. In: Leben in der Stadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95544-9_10
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