Zusammenfassung
Leben wir heute im Zeitalter heraufdämmernder Kulturkämpfe, wie uns Samuel Huntngton mit seiner anhaltend populären These vom „clash of civilizations“ belehrt?1 Kehrt nach dem Ende des Kalten Krieges nun jene Realität einer durch „zivilisatorische“ Grenzen fragmentierten Welt zurück, die — so Bassam Tibbi — durch den Ost-West-Konflikt lediglich „verschleiert“ wurde?2 Oder aber werden Zivilisationen, Kulturen und Nationen jetzt erst neu konstruiert, weil die Globalisierung zu einer als prekär empfundenen Destabilisierung alter Orientierungsmuster führt und daher neue Seinskategorien notwendig sind, um menschliche Identitätsbedürfnisse zu befriedigen? Diese Fragen sind zwar nicht neu, aber sie sind auch noch nicht beantwortet. Immerhin glaubt man erkannt zu haben, daß die Formel von der Gleichzeitigkeit struktureller Globalisierung und kultureller Fragmentierung einen objektiven Entwicklungstrend in der modernen Weltgesellschaft auf den Punkt bringt. Und klar ist auch, daß hinsichtlich der aus diesem Trend zu ziehenden Konsequenzen in der politischen und wissenschaftlichen Sphäre international ein Disput mit manchmal geradezu religiösen Untertönen ausgefochten wird. Extrempositionen vertreten dabei einerseits die Verkünder des „Endes der Geschichte“3 in Marktwirtschaft und Freiheit sowie jene, die die letzten Uneinsichtigen mit entschlossener Wehrhaftigkeit von einem Angriff auf die „höhere Wahrheit“ dieser Geschichtsphilosophie abhalten wollen und dabei das Gute auf ihrer Seite zu wissen vermeinen4; andererseits sind es jene Protagonisten, für die die Geschichte gerade erst begonnen hat, eine andere Geschichte allerdings, die nicht etwa „westlichen“ Vorstellungen folgt, sondern „islamischen“, „asiatischen“ oder schlicht den jeweils eigenen.
„Freiheit, sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit, zustehende Recht“
(Immanuel Kant)
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Literatur
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© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Schubert, G. (1998). Die Menschenrechte zwischen Universalität und Partikularität — einige grundsätzliche Überlegungen zum interkulturellen Dialog aus westlicher Perspektive. In: Greven, M.T. (eds) Demokratie — eine Kultur des Westens?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92308-0_7
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