Auszug
Dieser Mund, „ein ganz primitiver, wenn auch raffinierter Behauptungsaufsteller“, spuckt zum Beispiel erfundene Straßenbahnhaltestellen aus, an völlig idiotischen Orten entlang der alteingesessenen Linien. Ein performativer Sprechakt also, wie derjenige, mit dem einst die Weltschöpfung begann (obwohl Gott nicht den Sprechakttheoretiker John R. Searle gelesen hat; er hat überhaupt zu wenig gelesen). Aus diesem in jeder Weise postreligiösen Mund erklingt statt „Es werde Licht!“ ganz einfach: „Es werde Straßenbahnhaltestelle, und zwar die falsche!“ Und alle, wie so oft bei absurden Befehlen (und auf dieser Ebene liegt das Politische in Jonkes Erfindungskunst), halten sich daran und halten an: „Er habe nur seine Pflicht getan, so der Straßenbahnlenker.“ Gert Jonke berichtet hier also statt von der Schöpfung von deren Liquidation in absurden Regeln und Schikanen. Jonke, Systemtechniker eines korrupten Weltsystems, macht das Programm als Raubkopie allen zugänglich. Im Prinzip ist das die Methode Franz Kafkas: Das Übermaß an Regeln, mit denen die Welt zugeschüttet wurde und deren blinde Befolgung einfach zu registrieren. Sichtbar werden so die versteckten Gewalten, sichtbar als Hürden, die den normalen aufrechten Gang verhindern. Von dieser Amputation an menschlichem Vermögen berichtet dieses Buch.
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(2007). Sprechen gegen Ängste der Urwelt: Gert Jonkes Redner rund um die Uhr. In: Reichensperger, R. (eds) Rire. Edition Transfer. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/3-211-37763-8_7
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Publisher Name: Springer, Vienna
Print ISBN: 978-3-211-22260-7
Online ISBN: 978-3-211-37763-5
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