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Verformungsmechanismen und kristalline Überstrukturen in Polyäthylen und isotaktischem Polystyrol

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Book cover Anwendungsbezogene physikalische Charakterisierung von Polymeren, insbesondere im festen Zustand

Part of the book series: Progress in Colloid & Polymer Science ((PROGCOLLOID,volume 66))

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Zusammenfassung

Dünne (ca. 500 Å) einkristalline Polyäthylen- und Polystyrolfilme (Molekülrichtung senkrecht zur Filmoberfläche) und schmelzkristallisierte Polyäthylenfasern wurden bei Raumtemperatur im Zugversuch verformt. Die Verformungsmechanismen und die durch die Verformungsvorgänge erzeugten Morphologien wurden mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) untersucht.

Die Verformung der einkristallinen Filme läuft diskontinuierlich ab; innerhalb einer sehr schmalen Einschnürzone werden die Moleküle parallel zur Zugrichtung orientiert. Bisher existieren zwei unterschiedliche Modelle für die molekularen Vorgänge innerhalb der Einschnürzone. Im Modell von Kobayashi (1) werden die Moleküle in Einzelsegmenten aus einer (kho)-Fläche des Einkristalles herausgespult und in Zugrichtung orientiert. Experimentell läßt sich dieses Modell überprüfen, indem man die Weite der Einschnürzone und den Verformungsgrad bestimmt. Die Weite der Einschnürzone sollte in der Größenordnung weniger Gitterkonstanten liegen, der Verformungsgrad zwischen λ = 40 bis λ = 60. Diese Verformungsgrade ergeben sich aus diesem Modell durch die Annahme, daß jedes Molekül, einschließlich der Faltbögen, in eine gestreckte Form überführt wird.

Im Modell von Peterlin (2) kippen in der Verformungszone ganze Kristallblöcke aus dem Einkristall. Die Kristallblöcke lagern sich im verformten Gebiet zu Mikrofibrillen aneinander. Nach diesem Modell muß die Weite der Einschnürzone mindestens gleich der Blockhöhe und die seitliche Ausdehnung der Mikrofibrillen mindestens gleich der lateralen Größe der Kristallblöcke sein. Abb. 1 a zeigt die Einschnürzone eines bei RT gedehnten einkristallinen PÄ-Filmes und Abb. 1 b eine senkrecht zur Molekülrichtung gedehnte PÄ-Faser. Aus beiden Bildern kann man entnehmen, daß die Einschnürzone schmaler als 40 Å ist. Das Verstreckverhältnis wurde durch Aufdampfen von Goldkügelchen und Auszählen der Kugeldichte (3) in unverformtem und verformtem Material zu λ = 6 bestimmt. Die Weite der Einschnürzone ist im Widerspruch zu dem Modell von Peterlin, der Verformungsgrad ist im Widerspruch zum Modell von Kobayashi. Mikrofibrillen, wie sie von Peterlin definiert und deren Dimensionen danach vom Verformungsmechanismus bestimmt werden, konnten am PÄ nicht nachgewiesen werden. Die fibrillare Struktur, die häufig in verformten Zonen beobachtbar ist, resultiert aus den geringen Rißbildungs- und Ausbreitungsenergien parallel zur Molekülrichtung.

Bei Raumtemperatur verformte einkristalline Filme aus isotaktischem Polystyrol haben etwa gleiche Weite der Einschnürzone und einen ähnlichen Verstreckgrad wie in Filmen aus PÄ beobachtet. Abb. 2 zeigt die Verformung eines Polystyroleinkristalles in Hell- und Dunkelfeldabbildung, Abb. 3 eine Elektronenbeugung vom verformten Gebiet. Charakteristisch an der Beugung ist, daß keine äquatorialen kristallinen Reflexe zu sehen sind und somit keine laterale Fernordnung im verformten Gebiet existiert. Daraus läßt sich folgern, daß die Verformung nicht durch Herauskippen von Kristallblökken erfolgt sein kann. Diese Blöckchen müßten in der Dunkelfeldabbildung als helle Punkte sichtbar sein und in der Elektronenbeugung Reflexe auf dem Äquator geben. Auch die Mikrofibrille, die aus einer Aneinanderreihung von Kristallblöckcken bestehen sollte, kann demnach in dieser Art nicht existieren. In der Dunkelfeldabbildung müßte sie als helle Linie (4) sichtbar sein.

In einem Verformungsmodell, das die beschriebenen Beobachtungen erklärt (5), muß man annehmen, daß die Moleküle in kurzen Kettenstücken (Länge der Stükke ≤ Weite der Einschnürzone von 40 Å) aus dem Einkrsitall herausgespult werden. Durch die Koppelung dieser Moleküle (z. B. durch Faltbögen oder Verschlaufungen) zu Molekülen, die mehrere Gitterkonstanten entfernt sind, kann das Abspulen nicht auf einer einzigen kristallographischen Fläche (wie im Modell von Kobayashi) erfolgen, sondern in einer Abspulzone. In Abb. 4 ist der Verformungsvorgang schematisch dargestellt. Sowohl das Abspulen von Kettenstücken (anstatt Segmenten wie im Modell von Kobayashi) als auch die Koppelung bewirken eine Verringerung des Verformungsgrades durch den Einbau von Faltstücken und Verschlaufungen in das verformte Material.

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Literatur

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  5. Kluge, W., J. Petermann und H. Gleiter, J. Polymer Sci.-Phys., im Druck

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E. W. Fischer F. H. Müller R. Bonart

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© 1979 Dr. Dietrich Steinkopff Verlag GmbH & Co. KG

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Kluge, W., Petermann, J., Gohil, R.M., Gleiter, H. (1979). Verformungsmechanismen und kristalline Überstrukturen in Polyäthylen und isotaktischem Polystyrol. In: Fischer, E.W., Müller, F.H., Bonart, R. (eds) Anwendungsbezogene physikalische Charakterisierung von Polymeren, insbesondere im festen Zustand. Progress in Colloid & Polymer Science, vol 66. Steinkopff. https://doi.org/10.1007/BFb0117347

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  • Publisher Name: Steinkopff

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