Zusammenfassung
Die Lehre der unvollkommenen oder fehlerhaften Organsakte1) wird häufig mit dem Rechtskraftproblem verbunden. Oft wird eines und das andre sogar identifiziert, d. h. die Rechtskraftqualität sollte nicht nur die Unabänderbarkeit des eingetretenen Rechtszustandes, sondern gleichfalls, die durch letzteren den fehlerhaften Rechtsakten verliehene Geltung involvieren.
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Referenzen
Wie sich im nachstehenden herausstellen wird, ist der Begriff „fehlerhafter Organsakt“ ein contradictio in terminis.
Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, § 16, S. 267.
Das Faktum der Revolution, Zeitschrift für offentl. Recht 1919, S. 147 (Sonderausgabe S. 16).
Rechtskraft, S. 275 ff.
Welcher Sanders Standpunkt eigentlich ist, dessen ist man nie sicher, da dieser Autor vielmals die Richtung gewechselt hat. Begonnen als Anhänger Kelsens, schliesst er sich später Kants Transzendentalphilosophie enger an. Danach wird er Kelsens heftigster Gegner und schliesst sich Husserls Phänomenologie an. Letztlich scheint er die Richtung wieder geändert zu haben. Seine heutige Lehre könnte man vielleicht als „Subjektivismus“ bezeichnen. Sanders Sympathien gehen dabei nach der Lehre Georg Jellineks aus, soweit dieser Autor das Recht in Rechtszustände, in Statusverhältnisse aufgehen lässt. (Siehe System der subjektiven öffentlichen Rechte.)
Eine kurze Auseinandersetzung seiner heutigen (?) Auffassungen gibt Sander in der „Nachschrift in eigner Sache“ zu seinem Aufsatz mit dem Titel: Rudolf Stammlers Rechtsbegriff, Revue internationale de la théorie du droit, 5. Jahrgang 1930/1931, S. 15–157.
Fritz Schreier, Grundbegriffe und Grundformen des Rechts, Entwurf einer phänomenologisch begründeten formalen Rechts- und Staatslehre, Wiener Staatswissenschaftliche Studien, Neue Folge, Band IV.
a. a. O., S. 183 ff.
Siehe Walter Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt, Tübingen 1908. Korman, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte, Berlin 1910.
Edm. Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, S. 269.
R. Herrnritt, Oesterr. Verwaltungsrecht, S. 30–32; Grundlehren des Verwaltungsrechtes, S. 281–291.
G. Jèze, 1. Band, 3. Auflage 1925, S. 68–107.
a. a. O., S. 74.
Hans Kelsen, Ueber Staatsunrecht, Grünluts Zeitschrift, 40. Band, 1914, insbesondere S. 47 ff.
Hans Keisen, Ueber Staatsunrecht, Grünhuts Zeitschrift, 40. Band, 1914, insbesondere S. 47 ff.
a. a. O., S. 55.
In seiner „Staatslehre“ kommt Kelsen von dem früher von ihm vertretenen Standpunkt mehr oder weniger zurück (S. 277). In seinem „Wesen und Entwickelung der Staatsgerichtsbarkeit“ nennt er wieder die Handlung nichtig, „die mit der Prätension auftritt, d. h. deren subjektiver Sinn es ist, ein Rechts- und namentlich ein Staatsakt zu sein, dies aber objektiv nicht ist, und zwar deshalb nicht, weil sie dem Rechte zuwider ist, d. h. nicht den Bedingungen entspricht, die eine Rechtsnorm höherer Stufe vorschreibt“.
Die nichtige Handlung sollte von vornherein jeden Rechtscharakter entbehren, so dass es nicht nötig ist, dass dieser ihr durch eine andere Handlung genommen wird. Jedermann, sowohl Rechtsunterworfener als Staatsorgan, sollte befugt sein, die Handlung auf ihre Rechtmässigkeit zu prüfen, sie unrechtmässig zu finden und als unverbindlich zu behandeln. Doch kann die Rechtsordnung, nach Kelsen, die Befugnis, Akte, die sich als Rechtsgeschäfte (subjektiv) ausnehmen, auf ihre Rechtsmässigkeit zu prüfen und hierüber zu entscheiden, dadurch einschränken, dass sie dies für bestimmte Instanzen reserviert.
Kelnen, Staatslehre, S. 277: „Wenn die Rechtsordnung bestimmt, dass ein Akt unter bestimmten Bedingungen nichtig sein soll, muss sie zugleich bestimmen, wer darüber zu entscheiden hat, ob die Bedingungen und daher die Nichtigkeit als Folge eingetreten sei.“
Kelsen, Staatslehre, S. 277–278.
Keinen, Staatslehre, S. 278.
Siehe auch A. Merkl (Rechtskraft, S. 289): „Die Misslichkeit widersprechender Auffassungen wird in der Rechtswissenschaft wie überhaupt im Wissenschaftsbetrieb (im Gegensatz zur Rechtspraxis, wo ein bestimmter Faktor sozusagen das letzte entscheidende Wort hat) dadurch erhöht, dass es an einem Faktor fehlt, der massgeblich auszumachen hat, wer Recht hat. Die ewige Zweifelsfrage: was ist Wahrheit? lässt sich zwar nicht materiell, aber formell, zwar nicht für den einzelnen Fall, aber abstrakt dahin beantworten: Recht ist, was die Rechtswissenschaft als wahr erkennt.“
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van Praag, M.M. (1932). Nichtigkeit und Vernichtbarkeit der Organshandlungen. In: Die Rechtsfunktionen. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-017-4928-2_6
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