Zusammenfassung
Man hat Spinoza oft und mit guten Gründen neben Hobbes gestelt. Äußerungen des einen zur politischen Philosophie des anderen liegen vor;2 mit Oldenburg, Boyle, Huygens und Leibniz standen sie beide in Kontakt. Hobbes’ Werke einschließlich des Leviathan 3 kann Spinoza prinzipiell so gut wie alle gekannt haben — von den (3.) Objektionen zu Descartes’ Meditationes (1641) bis zu den spätenPrincipia et problemata aliquot geometrica (1672).4 Insbesondere sind die politischen und theologischen Auffassungen beider augenscheinlich verwandt; man hat sie darum seit Christian Kortholts und Samuel Clarkes Zeiten gern zusammen angegriffen oder auch (wie 1674 in Holland) zusammen verboten.
Mit Dank an Fokke Akkermann, Herman De Dijn, Jaap Mansfeld und Michael Petry für ihre Hilfe und Kritik.
In the present republication, all references (which were keyed to several bibliographical lists in the Studia Spinozana issue) have been moved to the footnotes, in accordance with Schuhmann’s habitual practice. Conventional sigla for Hobbes: ew = English Works, ol = Opera Latina, ed. Molesworth (London 1839–1845, repr. Aalen: ol 1961, ew 1962); for Spinoza: g = Spinoza Opera, ed. Gebhardt (Heidelberg 1925, repr.1972); tie = Tractatus de intellectus emendatione (sections according to Bruder), Ep = Epistola(e); for Descartes: at = Œuvres de Descartes, ed. Adam & Tannery (Paris 1897–1910, 2nd ed. 1965–1983). As regards other sources, Schuhmann remarked: »Klassische Autoren (Aelianus, Aristoteles, Bakchylides, Cicero, Diodorus Siculus, Erasmus, Euklid, Gassendi, Heron, Kepler, Platon, Plinius, Sextus Empiricus, Theophrast) werden nach den gebräuchlichen Ausgaben zitiert« (Studia Spinozana, 81) — (Eds).
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Literatur
Spinoza über Hobbes: Ep 5o (g iv, 238 f.) und Tractatus theologico-politicus, Adn. xxxiii (g iii, 263); Hobbes über Spinoza: John Aubrey, Brief lives, Bd. i, ed. by Andrew Clark. (Oxford: Clarendon Press,1898), S. 357 (vgl. Ferdinand Tönnies, Studien zur Philosophie und Gesellschaftslehre im 17. Jahrhundert, hg. v. E.G. Jacoby, Stuttgart-Bad Canstatt: Frommann – Holzboog,1975, S. 351).
Eine anonyme niederländische Übersetzung des Leviathan erschien 1667; Spinoza konnte sie evtl. schon im Manuskript gesehen haben: Cornelis W. Schoneveld, Intertraffc of the mind. Studies in seventeenth-centuryAnglo-Dutch translation, with a checklist of books translated from English into Dutch, 1600 –~7oo (Leiden: Brill – Leiden University Press, 1983. Publications of the Sir Thomas Browne Institute Leiden, New Series; 3), S. 4o. Martial Gueroults Behauptung, Spinoza n’a pas pu lire le Léviathan (Spinoza 11. L’Âme. Éthique 1r, Paris: Aubier-Montaigne,1974, S. 2o6, Anm.) ist insofern zu modifizieren.
Zu Hobbes’ Werken vgl. die Einzelangaben bei Hugh Macdonald und Mary Hargreaves, Thomas Hobbes, A Bibliography (London: The Bibliographical Society, 1952).
Methodisch vorbildlich ist noch immer die unüberholte Studie J. Freudenthals: Spinoza und die Scholastik. (in: Philosophische Aufsätze, Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet, Leipzig: Fues – Riesland,1887), S. 83–138.
Vgl. J. Prins, De oorsprong en de betekenis van Hobbes’ geometrische methodenideaal (in Tijdschrift voor filosofie 50, 1988, S. 248–271), der die Verwurzelung von Hobbes’ Auffassung der Geometrie in der angewandten Mathematik der Renaissance betont.
Erhard Weigel, Ethica Euclidea oder arithmetische Beschreibung der Moral-Weisheit. Jena, 1674.
Zum niederländischen Hintergrund dieses theologisierenden Euklidismus vgl. Michael Petry, The early reception of the calculus in the Netherlands (in:300Jahre Nova Methodus von G.W. Leibniz [i684 –i984], Wiesbaden – Stuttgart: Steiner,1986. Studia Leibnitiana, Sonderheft; 14, S. 202–231), S. 208–213. Vielleicht darf der Kuriosität halber hier wieder einmal daran erinnert werden, daß (was J.E. Erdmann schon im vorigen Jahrhundertbetonte) schon Nikolaus von Amiens (um 1200) in seiner Ars catholicae fidei (in Mignes Patrologia Latina Bd. ccx übrigens noch als Werk des Alanus ab Insulis abgedruckt) sich der euklidischen Methode bediente (Nikolaus’ B. These des i. Buchs lautet interessanterweise: Nihil est causa sui). Vgl. Martin Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode, z. Band (Basel – Stuttgart: Schwabe, 1961. Nachdruck der Ausgabe Freiburg i. Br. 1911), S. 471–476.
Zum Renaissancehintergrund der Deutung des Syllogismus als mathematischen Kalküls vgl. Wilhelm Risse, Mathematik und Kombinatorik in der Logik der Renaissance (in Archiv für Philosophie 11, 1962, S.187–2o6), S. 203.
Obwohl diese Hobbessche Auffassung schon in den Objektionen gegen Descartes voll entwickelt ist, beziehen sich Spinozas Aufzählungen der Irrtümer, in welche diejenigen verfallen, welche nicht genau zwischen Imagination und Intellektion unterscheiden (tie §90: g ii, 33; Ethica ii, prop. 49 schol.: g ii,132) doch nicht auf ihn oder Descartes (wie Gueroult, Spinoza 11, S.5o9, meint). Auch Gassendi, der in der Dubitatio 5 seiner Disqusitio metaphysica (1643) gegen Descartes’ z. Meditation eingewandt hatte, Intellektion ohne Imagination sei unmoglich, kommt nicht in Frage.
Descartes gebraucht ihn bekanntlich in seinen Antworten auf die z. Objektionen (at vii, 128). Eine Begriffsgeschichte von mos geometricus scheint noch nicht geschrieben zu sein. Proklos in seinem Kommentar zum 1. Buch der Elemente Euklids – auf dieses proklische Werk wird zurückzukommen sein – sagt, die geometrische Ordnung (A év ye(oµetQi~a taeK) lege nicht nur das Wahre dar, sondern widerlege damit auch im voraus schon die Trugschlüsse anderer: Procli Diadochi in primum Euclidis Elementorum librum commentarii, ed. G. Friedlein (Hildesheim: Olms,1967. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1878), S. 247,23 f.
In diesem 1662, also ein Jahr vor Spinozas Principia erschienenen Werk werden zwei sehr gefährliche Ansichten über die Natur unserer Ideen dargelegt: La première est, que nous n’avons aucune idée de Dieu, die zweite, ce qu’un Anglais dit über das Denken; es folgt ein längeres Zitat aus Hobbes’ Objektionen (ol v, 257). Wie bei Spinoza wird auch hier Hobbes’ Auffassung weniger widerlegt als lächerlich gemacht (La Logique ou l’art de penser, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann – Holzboog, 1965, Nachdruck der Ausgabe Paris 1662, S.3of.; ich werde auf dieses Werk noch zurückkommen).
Auch Hobbes zieht an dieser Stelle das Beispiel des Blindgeborenen heran. Ob sich Spinozas Zufügung, die Leugner der Gottesidee behaupteten, daß sie Gott verehren und lieben (colunt et amant), auf Hobbes’ Ausdruck nomen venerandum bezieht, ist natürlich zweifelhaft. Die einschlägige Stelle konnte auch De Homine xiv.1–2 sein, wo Vergleichbares tatsächlich vorkommt (ol ii, 118 ff.).
Vgl. meinen Artikel Wege und Abwege neuer Hobbes-Literatur (in: Tijdschrift voor Filosofie 44, 1982, S.336–352) S.337f. Schon dort warnte ich, hier konnten eventuell gängige topoi der Zeit vorliegen.
Zu den hinter dieser Erzählung stehenden Realien vgl. Anne Burton, Diodorus Siculus book r: A Commentary (Leiden: Brill,1972), S. 222 f. Weder bei Aeliannoch bei Diodorus findet sich übrigens ein Terminus, der als genaues Pendant des Hobbesschen index gelten könnte. Bei Diodorus ist lediglich allgemein von einem kostbaren Stein die Rede, woraus sich die Assoziation zu index = Prüfstein ergeben konnte.
Vgl. vor allem das z. Buch (De Logicae Fine) der Logik in seinem Syntagma philosophicum.
De dignitate et augmentis scientiarum, Buch v, Kap. vi (The Works of Francis Bacon, ed. by James Spedding, Robert Leslie Ellis, Douglas Denon Heath,l4 Bände, Stuttgart-Bad Canstatt: Frommann – Holzboog, 1963; Nachdruck der Ausgabe London, 1858–1878; Bd. i, S. 641). Kursivierung in Bacons Werken bedeutet Zitierung. Bemerkenswert ist, daß Bacon diese Redewendung auf lateinisch auch in zwei englisch geschriebenen Texten zitiert. So in einem Brief vom 16. Januar 1617: Nam rectum index sui et obliqui (Works xiii, 290) und in einem juridischen Gutachten: rectum est judex sui et obliqui (Works vii, 687). Letzteres ist offenbar naheliegende Verwechslung der Grapheme index und iudex, wie sie schon in antiken Texten vorkommt. Zu erinnern ist auch an Ciceros Übersetzung von xQLAQLov (abgeleitet von xQLAg = iudex) durch iudicatorium und iudicium. Auch der Cartesianer Clauberg vermengt, wenn auch in anderer Weise, mehrere Redewendungen, wenn er sagt: Rectum si obliquinormam esselargiris, juxta rectumponere ergo debebis obliquum, si illud norma tali explorare cupias. Nam quod judex judicat et index indicat, adesse debet (Johann Clauberg, Opera omnia philosophica, Hildesheim: Olms,1968, Nachdruck der Ausgabe 1691; S. 715).
Vgl. Günter Gawlick, Einleitung (in: Edward Lord Herbertvon Cherbury, De Veritate, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann – Holzboog,1966, S. vii–xlviii), S. xlvi, Anm. 56.
Die regula ist ursprünglich das Richtholz (Lineal). Vgl. auch Cicero, Brutus 41: regula, qua vera et falsa iudicarentur. Obgleich formal verwandt, gehört doch nicht hierher Ciceros auf Chrysipp (svf iii, fr. 315) zurückgehende Bezeichnung des Gesetzes als iuris atque iniuriae regula (De Legibus i,19).
Cicero, Academica priora xi, 33. Bemerkenswert ist, daß Cicero, anders als seine modernen Nachfolger, den Gegensatz des Geraden mit pravum statt mit obliquum bezeichnet.
Spinoza’s tekort aan woorden. (Leiden: Brill, 1977. Mededelingen vanwege het Spinozahuis; 36), S. 21, Anm. 91.*
Zitiert aus: Spinoza, Briefwisseling, vertaald uit het Latijn en uitgegeven naar de bronnen, alsmede van een inleiding en van verklarende en tekstkritische aantekeningenvoorzien door F. Akkerman, H.G. Hubbeling, A.G. Westerbrink (Amsterdam: Wereldbibliotheek,1977), S. 304.
Vgl. F. Akkerman, Vers une meilleure édition de la correspondance de Spinoza? (in: Revue internationale de philosophie 31,1977, S. 4–26), S. 17.
Zur Sache vgl. Theophrast, De lapidibus i, 4 und vii, 45–47. Im vorliegenden Zusammenhang ist allerdings interessanter Bakchylides, Hyporchemata (fr. 22 Bergk): Der lydische Stein verrät nämlich das Gold, da Verräter = lat. index ist. Unter den Philosophen spielt übrigens Platon, Gorgias 486d, auf diesen Probierstein an. Die lateinische Schlüsselstelle zum lapis Lydius ist Plinius, Naturalis historia 33, 43, §126. Für Spinoza möchte man auch an Ovid, Metamorphosen 2, 7o6 denken, aber die Bedeutung von index an dieser Stelle (Denunziant? Prüfstein?) ist seit jeher in den Ovidkommentaren umstritten. Erwähnenswert ist, daß Erasmus’ weithin maßgebliche Adagia (Chilias i, Centuria v, Proverbium 87) Lydius lapis als stehende Wendung registrieren.
Das gilt z. B. auch für das in genau diesem Zusammenhang auftretende Argument der Korte verhandeling, wer träume, könne zwar denken, daß er wache, nie aber könne jemand, der jetzt wache, denken, er träume (kv ii.15: g i, 79). Ähnlich sagt auch Gassendi im v. Kap. der Dubitatio 1 seiner Disquisitio gegen Descartes’ 1. Meditation: Auch wenn wir beim Träumen nicht unterscheiden können, ob wir schlafen oder wachen, sind wir (bzw. werden wir) doch, wenn wir wachen, dessen gewiß, daß wir wachen und nicht träumen.
Gueroult, Spinoza 11, S. 4o1, Anm. 15. Gueroult weist leider nicht auf die zeitliche Priorität der Logique gegenüber Spinoza hin.
Logique, S. 13. Über die Herkunft dieses Vergleichs ist mir nichts bekannt. Gueroults Hinweis auf Chrysipp bei (Pseudo-Plutarch (= svf ii, fr. 54) ist jedenfalls verfehlt, da dort nicht von einer diskriminierenden Funktion der Phantasie die Rede ist, sondern davon, daß sie zweierlei Dinge zugleich – sich selber und ihren Gegenstand – ins Licht hebt. Vgl. übrigens die Parallele svf ii, fr. 63, die das noch deutlicher macht. Chrysipps Wort ist also eher dem des Anaxagoras über das Sehen (dk fr. 21a) strukturverwandt oder dem Licht-und Sonnengleichnis in Platons Politeia (5o7e–5o8a). Auch Proklos’ Ausspruch im Euklidkommentar: Das Sehen erkennt die Dunkelheit durch die Erfahrung des Nichtsehens (ed. Friedlein 285, 13–15) scheint mir nicht hierher zu gehören.
Vgl. z. B.: J’appelle chose ce que l’on conçoit comme subsistant pour soy-mesme (Logique, S.37).
Freudenthal, Spinoza und die Scholastik; Herman De Dijn, Historical remarks on Spinoza’s Theory of Definition in: Spinoza on knowing, being and freedom: Proceedings of the Spinoza symposium at the International School of Philosophy in the Netherlands (Leusden, september 1973), ed. J.G. van der Bend (Assen: Van Gorcum,1974), S.41–5o.
Jean Bernhardt, Infini, substance et attributs: Sur le spinozisme (à propos d’une étude magistrale) (in: Cahiers Spinoza 2,1978, S. 53–92), S. 61, Anm. 3o; ähnlich Bernhardt, Intelligibilité et realité chez Hobbes et chez Spinoza (in: Revue philosophique de la France et de l’Étranger 11o, 1985, S. 115–133), S. 125.
Dorothy Tarrant, The Hippias Major attributed to Plato, with introductory essay and commentary (New York: Arno Press, 1976), S. 87 f.
Vgl. z. B. Zenobius’ Epitome, Centuria vi, 38; Gregorius Cyprius (Codex Leidensis), Centuria iii, 3o; Apostolium, Centuria xviii, 7 (alle im Corpus Paroemiographorum Graecorum, hrsg. E.L. von Leutsch und G. Schneidewin, 3 Bände, Hildesheim: Olms,1976); Suidae Lexicon, Pars iv, ed. Ada Adler (Stuttgart: Teubner,1971), S. 78o.
Im 5. Kapitel seines Enchiridion militis christiani sagt Erasmus: verum est illud apud Platonem adagium: Quae pulchra sunt, eadem esse difficilia. Die Quelle der modernen lateinischen Übersetzung durfte also die Platonübersetzung Marsilio Ficinos sein. Überhaupt ist verwunderlich, wieso die Spinozaforschung für die (Nicht-)Bestimmung des Verhältnisses Spinozas zu Platon auf seine geringen Griechischkenntnisse abhebt, da doch zwischen der Renaissance und Hegels Zeiten der griechische Platontext wenig gelesen wurde, Ficinos lateinische Übersetzung dagegen in aller Hände war.
Auch hier war es wieder F. Akkerman, der als erster aufdas Wort Ciceros, mit dem Spinoza seine Ethica abschließt, aufmerksam gemacht hat (in: Spinoza, Briefwisseling, S. 4o). Cicero zitiert das Sprichwort in abweichendem Zusammenhang übrigens auch noch in De Officiis i, 64 (quae difficilius, hoc praeclarius).
Opera omnia philosophica, S. 633.
Intelligibilité et realité, S. 125.
Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Bd. 2 (Berlin: Bruno Cassirer, 1911), S. 99, Anm. 2.
Spinoza11, S.482.
Infini, substanceet attributs, S. 61, Anm. 30; vgl. S. 62.
Ihnen ist hinzuzufügen Herman De Dijn, Spinoza’s geometrische methode van denken (in: Tijdschriftvoor filosofie 35,1973, S.707–765), S.727f.
Eine Kugel entsteht, wenn ein Halbkreis um seinen fest bleibenden Durchmesser herumgeführt wird, bis er wieder seine ursprüngliche Lage erreicht hat (Elemente xi, Def. 14).
Über SpinozasVerhältnis zu van Schooten und seiner Schule vgl. Michael Petry, Spinoza’sAlgebraic calculation of the rainbow and Calculation of chances, edited and translated with an introduction, explanatory notes and an appendix (Dordrecht – Boston – Lancaster: Nijhoff, 1985. Archives internationales d’histoire des idees; lo8), S.92f., sowie Petrys hervorragend dokumentierte Studie The early reception of the calculus in the Netherlands, S.208–213. Über de Witt vgl. Julian Lowell Coolidge, The mathematics ofgreat amateurs (New York: Dover, 1963), Kap. x; über Hudde: Karlheinz Haas, Die mathematischen Arbeiten von Johann Hudde (1628–1704), Bürgermeister von Amsterdam, in: Centaurus 4 (1956), S. 235–284.
Was die antiken Vorbilder betrifft, so werden bei Euklid neben der Kugel nur noch Kegel und Zylinder durch ihre Entstehung aus Bewegungen definiert (Elemente xi, Deff.18 und 21). Apollonios’ Conica, das klassische Werk über die Kegelschnitte (Ellipse, Parabel, Hyperbel), definiert diese zwar durch Schneiden, reflektiert aber nicht auf den darin versteckten Bewegungsbegriff. Erst Archimedes rekurriert ausdrücklich auf diesen Terminus bei seiner Definition der Helix (Schraubenlinie).
Eine Zusammenfassung gibt Josef Ehrenfried Hofmann, Frans van Schooten der Jüngere (Wiesbaden: Steiner,1962. Boethius; 2), S.9–16.
Das Werk ist aufgenommen in Band 2 von Frans van Schootens. Neuausgabe seiner Geometria (1661), pp. 159–34o (Geometria a Renato Des Cartes anno 1637 gallice edita, 2 Bände, Amsterdam: Elzevier,1659 und 1661).
Das gilt auch für Slusius, einen weiteren Mathematiker aus diesem Kreis. Vgl. H.J.M. Bos, The significance of Sluse’s Mesolabum within seventeenth-century geometry and algebra, in: Actes du colloque international René François de Sluse, Bulletin de la Société Royale des Sciences de Liège 55 (1986), S.145–163.
Am prägnantesten ist vielleicht die Formulierung von Isaac Barrow zu Anfang seiner Lectiones Geometricae (167o erschienen): Jede Größe kann als auf unzählige Weisen hervorgebracht supponiert werden (bzw. wirklich hervorgebracht werden) (Barrow, The geometrical lectures, ed. by M. Child, Chicago – London: Open Court, 1916, S.35). Die Mathematiker sind nicht eingeschränkt auf die tatsächliche Weise, in der eine Größe hervorgebracht worden ist; sie nehmen jede Methode der Erzeugung an, die für ihre Zwecke am geeignetsten ist (S. 42). * It may be noted that the anonymous treatises on the rainbow and on the calculation of chances, attributed to Spinoza in the nineteenth century, are now considered as spurious. For the argument developed here, however, this is not immediately relevant – (Eds).
Opera mathematica, 3 Bände (Hildesheim –New York: Olms,1972. Nachdruck der Ausgabe Oxford 1693), Bd. i, S. 21.
Spinoza spricht an dieser Stelle nicht ausdrücklich von Geometrie, sondern vom Maß (mensura). Aber Maß und Messung sind traditionelle Bestimmungen der Geometrie. John Wallis etwa definiert sie (Opera mathematica, Bd. i, S. 19) als scientia bene mesurandi (was übrigens fast wörtlich dasselbe ist wie Petrus Ramus’ Bestimmung in seinen Siebenundzwanzig Büchern der Geometrie: geometria est ars bene mensurandi). Auch Kepler hatte in der 7. Definition der Harmonice Mundi (1619) gesagt: Scire in geometricis, est mensurare per notam mensuram.
In der Widmung seiner Arithmetica infinitorum (1655) beruft Wallis sich ausdrücklich auf seinen Briefwechsel mit beiden (Opera mathematica, Bd. i, S. 36o); van Schooten spricht in einem Brief an Wallis vom 17. Februar 1657 von ihrem mutuus consensus (Wallis, Opera mathematica, Bd. ii, S. 833). Über Huygens’ negative Haltung zu Hobbes’ geometrischen Arbeiten vgl. Schoneveld, Intertra, ffic of the mind, S. 41–45.
Intelligibilité et realité, S.125.
Diese Auffassung hat nichts, wie Bernhardt (Intelligibilité et realité, S. 125) meint, mit Spinozas Behauptungzu tun (tie § 33: g ii,14), daß der Kreis etwas anderes ist als die Idee des Kreises, da zwar ersterer, nicht aber letztere Zentrum und Peripherie habe. Dieses Argument setzt gerade den von Hobbes geleugneten Unterschied zwischen der Idee im Geist und dem Ideatum außerhalb seiner voraus, während für Hobbes beides nur verschiedene Betrachtungsweisen derselben Idee sind, die als solche Weisen selbstredend auseinandergehalten werden müssen. In der Terminologie von Hobbes’ Logik besagt Spinozas Wort also nur, daß Spinoza sich nicht des Irrtums der Inkohärenz von Namen nach dem zweiten Modus schuldig machen will. Diese bestünde darin, daß der Name eines Körpers (hier: Zentrum und Peripherie) fälschlich mit dem Namen eines Phantasma (Kreis) verbunden wurde (De Corpore v.4: ol i, 52f.). Indessen fällt in Hobbesscher Sicht Spinoza zweifellos in den Irrtum des fünften Modus: er hält die Definition für das Wesen einer Sache (tie § 95: g ii, 34). Dies ist ein kapitaler Unterschied in der Definitionslehre beider Denker, den es bei der Bestimmung von Spinozas Verhältnis zu Hobbes unbedingt zu berücksichtigen gilt.
David Savan, Spinoza: Scientist and theorist of scientific method in: Spinoza and the sciences, eds. Marjorie Grene and Debra Nails (Dordrecht – Boston – Tokyo: Reidel,1986. Boston studies in the philosophy of science; 91. S.95–123), S. 96.
Infini, substance et attributs, S.61, Anm. 30; Intelligibilité et realité, S.125.
François Viète, De aequationum recognitione et emendatione tractatus duo in: Franciscus Vieta, Opera mathematica in unum volumen congesta ac recognita opera atque studio Francisci a Schooten. Mit Vorwort und Register von Joseph E. Hofmann. Hildesheim – New York: Olms,1970, S. 82–161 (Nachdruck der Ausgabe Leiden 1646).
Gueroult, Spinoza 11, S. 474 bzw. 484f., Anm. 68.
Vielleicht ließ sich Gueroult dadurch irreführen, daß Hobbes bei der zweiten Zitierung dieser Stelle aus Wallis a antworten läßt: Das sagt er richtig (ol iv, 33). Der Sarkasmus dieser Stelle besteht aber darin, daß Hobbes dergestalt in Wallis’ Worte seine eigene Position hineindeutet, um damit diese Aussage Wallis’ als einer anderen aus seinem gegen Hobbes gerichteten Elenchus (1655) widersprechend erscheinen zu lassen, so daß er Wallis mithin als wirren, sich selber widersprechenden Denker hinstellen kann.
Opera mathematica, Bd. i, S.2O.
Intelligibilité et realité, S. 126.
W.N.A. Klever, Twee internationale Spinoza-conferenties in 1986: Parijs en Chicago (in: Tijdschrift voor Filosofie 48,1986, S. 666–671), S. 666.
Crapulli, Introduction (in: René Descartes, Regulae ad directionem ingenii, texte critique établi par Giovanni Crapulli avec la version hollandaise du xviième siècle. La Haye: Nijhoff, 1966. Archives internationales d’histoire des idees; 12. S. xi–xxxviii), S. xiv–xxiv.
Der Rekurs von Harold H. Joachim, Spinoza’s Tractatus de intellectus emendatione (Oxford: Clarendon Press,1958), S.53, auf Bacon ist zwar erhellend, aber weniger spezifisch als der auf Descartes.
Vgl. Politeia 533e–534a, dasseinerseits wieder eine Zusammenfassung von 5o9c–511e ist.
Ed. Friedlein 1o, 15 – 11, 9.
A. a. O. 55, 6–9. Proklos’ µetà cpavtaaia5 könnte der Ursprung von Descartes’ und Spinozas Hilfsmittel der Imagination sein. Aufschluß darüber dürfte die lateinische Übersetzung des Euklidkommentars durch Franciscus Barocius (F. Barozzi) bieten, die 156o in Padua erschienen ist.
A. a. O.55,16 f. und 87,17 f.
A. a. O.54, 21f.
A. a. O.186, 26–187, 1.
Herman De Dijn, The Significance of Spinoza’s Treatise on the Improvement of the Understanding (Tractatus de intellectus emendatione), in: Algemeen Nederlands tijdschrift voor wijsbegeerte 66 (1974), S.1–16.
Das Erkenntnisproblem, Bd. z (Berlin: Bruno Cassirer, ign), S.98.
De Dijn, Spinoza’s geometrische methode, S.732, Anm.13.
José Médina, Les mathématiques chez Spinoza et Hobbes (in: Revue philosophique de la France et de l’Étranger, 1985, S.177–188), S.178, Anm. 9.
Sie findet sich z. B. bei Sextus, Adv. Math.iii, 26 und 65, dazu in Proklos’ Euklidkommentar (ed. Friedlein 180,2f.; 185,19–21; 209, If.).
Spinoza’s geometrische methode, S.748f.
Gueroult (S. 484, Anm. 68) behauptet zunächst richtig diese Auffassung als typisch für Hobbes (wenn er auch nicht beachtet, daß es sich dabei um ein als solches ausgewiesenes Aristoteleszitat handelt). Wenn er dann aber dieses Wort abändert in vere scire est scire per causas und es obendrein noch als Zitat aus Spinozas Tractatus de intellectus emendatione ausgibt, um dergestalt die Abhängigkeit Spinozas von Hobbes zu belegen (S. 475), geht das denn doch allzu weit.
In De anima B 2,413a14–16 forderte Aristoteles darum für die Geometrie ausdrücklich Definitionen, welche die Ursache enthalten und angeben, also genau jene genetischen Definitionen, wegen deren Spinoza ein Hobbist sein soll.
Vgl. Hermann Schüling, Die Geschichte der axiomatischen Methode im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert (Hildesheim – New York: Olms, 1969. Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie; 13), S.45–56, und Neal W.Gilbert, Renaissance concepts of method (New York: Columbia University Press, 1963), S.9o f.; unter Bezugnahme auf Spinoza: Franco Biasutti, Truth and certaintyin Spinoza’s epistemology (in: Studia Spinozana 2,1986, S. 1o9–127), S. 112–114. Noch Wallis sieht sich zu Anfang der Mathesis universalis veranlaßt, Smiglecius zu widerlegen und zu Clavius’ Kritik an ihm Stellung zu nehmen.
Anzumerken ist, daß schon Proklos im Euklidkommentar gesagt hatte, die Definition der Linie als Fließen eines Punkts bestimme sie von ihrer genetischen Ursache her (ed. Friedlein 97, 10).
Abgesehen von einem unschlüssigen Hinweis bei William Sacksteder (How much of Hobbes might Spinoza have read? in: The SouthwesternJournal ofPhilosophy 11, 1980, S. 25–39; S. 38, Anm. 20).
Der unmittelbare geschichtliche HintergrundvonHobbes’Theorieistnoch unerforscht. Jedenfalls hängt die in Platons Charmides 167f. und ähnlich im Theätet 20ob angeschnittene Frage nach der Möglichkeit einer Wissenschaft der Wissenschaft damit offensichtlich nicht zusammen.
Vgl. Ethica ii, prop. 43 schol. (G ii, 124). Man könnte diese Stelle über die Unzulässigkeit des Vergleichs der Idee mit einem Bild evtl. als Reaktion auf Hobbes verstehen wollen, der im Methodenkapitel von De Corpore (vi.5: oL i, 74) die in der Definition hervorgerufene Idee mit einem solchen universalen Bild verglichen hatte. Aber auch hier begünstigt der jeweilige Zusammenhang eine solche Annahme nicht: bei Hobbes geht es um den Inhalt der Definition, bei Spinoza um die Gewißheit der Wahrheit.
Vgl. Cicero, Academica priora xxiii, 74 sowie ausführlicher Academica posteriora iv,16. calculation of the rainbow and Calculation of chances, S. 137–140.
Karl Schuhmann, Geometrie und Philosophie bei Thomas Hobbes, Philosophisches Jahrbuch 9z (1985),161–177.
Damit ist über Spinozas Verhältnis zu diesem Werk allerdings nicht das letzte Wort gesprochen. Denn über die obige Diskussion einiger Punkte aus dem Methodenkapitel hinaus bedarf es dafür eines Vergleichs von De Corpore in seiner Gesamtheit mit den Schriften Spinozas.
Intelligibilité et realité, S.133, Anm. 84.
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Schuhmann, K., Steenbakkers, P., Leijenhorst, C. (2004). Methodenfragen bei Spinoza und Hobbes: zum Problem des Einflusses. In: Steenbakkers, P., Leijenhorst, C. (eds) Selected papers on Renaissance philosophy and on Thomas Hobbes. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-017-0485-4_3
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