Zusammenfassung
Die Identitätsbeziehung wirft zwei eng miteinander verwandte epistemologische Schwierigkeiten auf, von denen die eine die wahren und die andere die falschen Identitätsaussagen betrifft. Erstere ist in der Literatur auch als “Frege-Paradoxon” bekannt, letztere bezeichne ich im Hinblick auf die Passage 188a-c in Piatons Dialog Theätet als “Sokrates’ Rätsel der falschen Identitätsaussagen”. Gemeint sind die beiden folgenden Probleme:
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(1)
Frege-Paradoxon. Die Identitätsbeziehung kann nur zwischen einem Gegenstand A und A selbst bestehen. Daß A identisch ist mit A, ist aber eine logische Wahrheit. Wahre Identitätsaussagen, so scheint es, sind per se logisch wahr; und da man die Wahrheit einer logisch wahren Aussage stets a priori erkennen kann, scheint es so, als ob man die Wahrheit jeder wahren Identitätsaussage a priori einsehen könnte.2
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(2)
Sokrates’ Rätsel. Ganz ähnlich ergibt sich das Rätsel der falschen Identitätsaussagen: Jeder solchen Aussage korrespondiert als ihre Negation eine wahre Verschiedenheitsaussage: A ist identisch mit B ist falsch genau dann, wenn A ist verschieden von B wahr ist. Letzteres wiederum ist aber nur dann der Fall, wenn es sich bei A und B um zwei Gegenstände handelt: Kein Gegenstand ist von sich selbst verschieden. Nun ist aber aus Gründen der Logik A verschieden von B, wenn A und B zwei Gegenstände sind, denn wenn A nicht verschieden ist von B, hat man es mit nur einem Gegenstand zu tun. Deshalb, so scheint es, ist jede falsche Identitätsaissage eomsejem kann, scheint es widersprüchlich und in diesem Sinne unmöglich zu sein, eine falsche Identitätsaussage für wahr zu halten.3
Dieser Beitrag ist eine erweiterte und überarbeitete Fassung des Sektionsvortrags, den der Verfasser auf dem dritten Kongreß der Gesellschaft für Analytische Philosophie im September 1997 in München gehalten hat. Eine gekürzte Version des Vortrags wird unter gleichem Titel in den Kongreßakten erscheinen.
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Literaturverzeichnis
Frege, G.: “über Sinn und Bedeutung.” In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik 100 (1892) 25–50. Ebenfalls in: G. Frege, Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Schriften. Hrsg. und eingeleitet von G. Patzig. Göttingen 1975.
McDowell, I: Plato. Theaetetus. Translated with Notes. Oxford (Clarendon Press) 1973.
Platon: Werke in acht Bänden. Griechisch und Deutsch. Hrsg. von Gunther Eigler. Sechster Band. Theaite-tos. Der Sophist. Der Staatsmann. Bearbeitet von P. Staudacher. Darmstadt 1970.
Stuhlmann-Laeisz, R.: “Warum sind ein Zeichen, sein Sinn und seine Bedeutung paarweise verschieden?” In: Philosophie und Logik. Frege-Kolloquien Jena 1989/1991. Hrsg. von W. Stelzner. Berlin/New York 1993.
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Stuhlmann-Laeisz, R. (2000). Logische Probleme von Identität und Verschiedenheit: Das Frege-Paradoxon der wahren und Sokrates’ Rätsel der falschen Identitätsaussagen. In: Wiegand, O.K., Dostal, R.J., Embree, L., Kockelmans, J., Mohanty, J.N. (eds) Phenomenology on Kant, German Idealism, Hermeneutics and Logic. Contributions to Phenomenology, vol 39. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-015-9446-2_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-94-015-9446-2_9
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