Zusammenfassung
Das Mittelalter beginnt in der westeuropäischen Kunstgeschichte dort, wo die jungen nordischen Völker, die neuen Herren Europas diesseits und jenseits der Alpen nach dem Zerfall des römischen Imperiums, das ihnen dank ihrer Christianisierung durch die Kirche übermittelte spätantike Erbe bei sich aufzunehmen beginnen, wobei erst an diesem spätantiken Erbe ihr bisher an die Grenzen einer primitiven Schmuckkunst gebundener künstlerischer Instinkt zu höherer Formensprache erwacht.
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Literatur
Ueber den religiös-sittlichen Einfluss der griechischen Kirche in den frühen Jahrhunderten der russischen Geschichte vgl. S. F. Platonow Geschichte Russlands, Leipzig 1927, p. 61–63
Stefan Zankow: Das orthodoxe Christentum des Ostens. Furche Verlag, Berlin 1928.
Leopold Karl Goetz: Staat und Kirche in Altrussland. Berlin 1908 u. vom gleichen Verfasser: Das Kijewer Höhlenkloster als Kulturzentrum des vormongolischen Russlands. Passau 1904.
Eugen Golubinski: Geschichte der russischen Kirche. 2. Auflage, Moskau 1901 u. f. (russ.)
quod est vera effigies, velut scriptura in libris, eisque inest divina gratia cum sancta sint quae exprimuntur”. Symeonis Thessalonicensis Archiep. Dialogus contra haereses. Caput XXIII. Migne: Patrolog. graec. t. 155, col. 113
G. Millet: Recherches sur l’iconographie de l’Évangile. Paris 1916.
propter simplicium ruditatem, propter affectuum ruditatem, et propter memoriae labilitatem”. (Bonaventura über die Notwendigkeit des kirchlichen Bilderschmucks im Allgemeinen. Vgl. Sauer: Symbolik des Kirchengebäudes, S. 279).
O. Wulf: Altchristliche und byzantinische Kunst. Wildpark-Potsdam (o. J.) (Handbuch der Kunstwissenschaft) II, p. 362.
Nach Emile Male: Die kirchliche Kunst des XIII. Jahrh. in Frankreich (deutsch von L. Zuckermandel, Strassburg. J. H. Heitz 1907, S. 432 ff.) sollen die den kirchlichen Bilderschmuck betreffenden Beschlüsse des zweiten Nikanums auch im Abendlande volle Geltung gehabt haben. Hiergegen ist zunächst zu bemerken, dass, wenn im Abendlande die Geistlichkeit das Anbringen bestimmter Bildsymbole an bestimmten Stellen im Innern der Kirchengebäude mit gleicher Strenge verlangt hätte, wie dies während der mittelbyzantinischen Periode im Osten der Fall war, die Entwicklung der abendländischen Architektur von den romanischen Formen zur Gotik nicht hätte stattfinden können. Dass ferner im Westen die ausübenden Künstler bei der Ausführung der von der Geistlichkeit angeordneten Szenen bis zu gewissem Grade unabhängig waren, hat kein geringerer als Durandus in seinem (nicht später als 1286 entstandenen) “Rationale divinorum officiorum” bezeugt: “Diversae historiae tam Novi quam Veteris Testamenti pro voluntate pictorum depinguntur; nam pictoribus atque poetis quaelibet audendi semper fuit aequa potestas” (Rationale, lib. I. cap. III). Didron, der zuerst auf diese Stelle bei Durandus hingewiesen hat, (Didron: Manuel d’iconographie chrétienne. Paris 1845, S. VII, vgl. auch J. Sauer: Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mit. telalters. Mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis, Sicardus und Durandus. II Aufl. Freiburg i.B. 1924, p. 121) fügt hinzu: “Pour se donner le plaisir de citer Horace (der Schlussatz “nam pictoribus atque poetis”, etc., bei Durandus besteht aus zwei Horazischen Versen, Horat. De arte poetica 9, to) G. Durand exagère beaucoup l’indépendance des artistes; les monuments sont là pour restreindre les expressions du vieux liturgiste. Mais il est incontestable que nos artistes chrétiens du moyen-âge ont toujours possédé une espèce de libre arbitre qu’on a eu tort de nier. En Grèce, au contraire, et dans tout l’Orient, la théologie comprime l’art dans le plus étroit despotisme. Le canon suivant du second concile de Nicée, comparé au passage de Durand, exprime à merveille la condition de dépendance où vivaient les artistes grecs”.
Was Didron, der die Verhältnisse im Westen richtig einzuschätzen weiss, hierbei entging, ist der Umstand, dass auch die byzantinischen Meister eine bestimmte Freiheit des künstlerischen Schaffens besessen haben, die ihren Ausdruck in den obenerwähnten “Renaissancen” der byzantinischen Kunst gefunden hat, in denen der starre, liturgische Stil wiederholt durch hellenistische Reminiszenzen belebt worden ist. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Osten und dem Westen besteht darin, dass in der alten, die letzte Phase des Hellenismus darstellenden byzantinischen Welt neue Formen nur aus dem Schatz der künstlerischen Tradition gewonnen werden konnten, unter die die Künstler hier auch ihre Wirklichkeitsbeobachtungen subsummierten, während die Meister des Abendlandes unmittelbar an die Wirklichkeit herantraten. In dem Erfassen der Wirklichkeit durch die romanischen und gotischen Bildner des Abendlandes kündet sich im XII. und XIII. Jahrh. eine Bewegung an, die sich später, unter veränderten allgemeinen Bedingungen, über das Gebiet der bildenden Kunst hinausgehend in der neuzeitlichen Wissenschaft und Technik fortgesetzt hat. Die von Mâle bestrittene Ansicht von Viollet-le-Duc (und von Victor Hugo), dass das Schaffen der mittelalterlichen Bildner des Abendlandes über die sozialen und religiösen Bindungen ihrer Zeit hinausragt, sind ihrem Wesen nach berechtigt, wenn auch übertrieben im Ausdruck (Mâle, I.c. S. 436, 437). Mit der unabhängigen Naturbeobachtung, die wir inmitten der grossen kirchlich geordneten gotischen Skulpturenwelt am Werk sehen, kommt ein Teil jener selbständigen geistigen Kraft zum Ausdruck, durch die einige Jahrhunderte später eine weltliche Wissenschaft geschaffen wurde. (Die “inanis scientia, quae inflat” im Sinne der mittelalterlichen Kirche, vgl. Sauer, l.c. S. 377)•
G. Dehio: Geschichte der Deutschen Kunst, I. Bd. Einleitung.
Ibn-Fadlan berichtet von den heidnischen Russen, dass sie vor einem hölzernen Klotz, dessen Ende die Form eines Menschenkopfes habe, beten. In dem aus dem Flusse Sbrutsch in Podolien stammenden, mit viergesichtigem Kopf versehenen Holzpfeiler (Original im Archaeologischen Museum in Krakau, ein Abguss in der Vorgeschichtlichen Sammlung in Berlin), der vielleicht den slavischen Gott Swiatowit darstellt, ist ein Idol ähnlicher Art erhalten. Zu erwähnen sind auch die noch ihrer Erklärung harrenden (neuerdings für altbulgarisch gehaltenen) primitiven, offenbar weiblichen Steinfiguren, die sogenannten,Steinernen Weiber”, die sich in Südrussland finden (Abbildung einer solchen „Kâmenaja Baba” bei Schiemann: Polen, Russland u. Livland. I.31. Ein Original im Völkerkunde-Museum in Berlin).
G. Dehio: Geschichte der deutschen Kunst, I Bd. Abb. 335, 316.
Letzeres abgebildet bei Dehio. 1. c. I. Bd. Abb. 322.
Farbige Reproduktionen bei G. Leidinger: Meisterwerke der Buchmalerei aus Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, München 1920, Tafel 5.
Leidinger: 1. c. Tafel 18 (Salzburger Schule).
Neuerdings bestritten. Vgl. M. Alpatov und N. Brunov: Die altrus-sische Kunst in der wissenschaftl. Forschung seit 1914. Zeitschr. für slavische Philologie, Bd. II. Heft 3/4.
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Schweinfurth, P. (1930). Einleitung. In: Geschichte der Russischen Malerei im Mittelalter. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-015-7586-7_1
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