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Distanzierung von Allem und Gebundenheit an Sich Selbst

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Positives Antichristentum
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Zusammenfassung

Das hiermit zum Abschluss kommende Kapitel suchte die Anatomie der europäischen Geistesgeschichte nachzuzeichnen, wie sie vorgezeichnet wurde durch den unzeitgemässen Friedrich Nietzsche, dessen Lebenszeit vom 19. zum 20. Jahrhundert weist. Pfarrerssohn von Hause aus, Darwin-Anbeter eine gute Zeit lang im wissenschaftsgläubigen 19. Jahrhundert, wurde er schliesslich, auf der Höhe, auf der er lebte, erfasst von jenem Tathos der Distanz’, das in die Gegenwart weht. Er verstand es, die Unzeitgemässheit zu radikalisieren zu einer philosophisch umfassenden Distanz: Gegenüber dem Glauben und gegenüber der Wissenschaft, — Distanz gegenüber der Vergangenheit und Gegenwart, Versuch der Distanz gegenüber sich selbst, gegenüber der Natur, gegenüber der Geschichte… Im Ausdenken dieser Distanziertheit wird er im Raum vor dem Heute nicht seines Gleichen haben: ‘Der Nihilismus der Artisten. -Die Natur grausam durch ihre Heiterkeit; cynisch mit ihren Sonnenaufgängen. Wir sind feindselig gegen Rührungen. Wir flüchten dorthin, wo die Natur unsere Sinne und unsre Einbildungskraft bewegt; wo wir Nichts zu lieben haben, wo wir nicht an die moralischen Scheinbarkeiten und Delikatessen dieser nordischen Natur erinnert werden; — und so auch in den Künsten. Wir ziehen vor, was nicht mehr uns an “Gut und Böse” erinnert. Unsre moralistische Reizbarkeit und Schmerzfähigkeit ist wie erlöst in einer furchtbaren und glücklichen Natur, im Fatalismus der Sinne und der Kräfte. Das Leben ohne Güte. Die Wohlthat besteht im Anblick der grossartigen Indifferenz der Natur gegen Gut und Böse. Keine Gerechtigkeit in der Geschichte, keine Güte in der Natur: deshalb geht der Pessimist, falls er Artist ist, dorthin in historicis, wo die Absenz der Gerechtigkeit selber noch mit grossartiger Naivetät sich zeigt, wo gerade die Vollkommenheit zum Ausdruck kommt-, und insgleichen in der Natur dorthin, wo der böse und indifferente Charakter sich nicht verhehlt, wo sie den Charakter der Vollkommenheit darstellt… Der nihilistische Künstler verräth sich im Wollen und Bevorzugen der cynischen Geschichte, der cynischen Natur1.

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© 1962 Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands

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Wein, H. (1962). Distanzierung von Allem und Gebundenheit an Sich Selbst. In: Positives Antichristentum. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-011-9385-6_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-94-011-9385-6_9

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