Zusammenfassung
Bei der Betrachtung der modernen Werke im Antwerpener Repertoire, begegnen wir mehrfach dem Namen des venezianischen Altmeisters Adrian Willaert. Die Tatsache, dass seine Motetten sich als erstaunlich reife und vollendete Beispiele des modernen Stiles darstellen, um den seine Landsleute in den Niederlanden erst noch ringen, veranlasst uns, auf sein und seiner Schule Motettenschaffen näher einzugehen.
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Literatur
Vgl. die Tripeltaktepisode und das halbhomophone „exurge domine.“ im 2. Teil: G5-C3-D3-G8-G5-C3-a5-D8-G5-C3-F5-B5 a6G5/43-C3.
Wir haben schon darauf hingewiesen, dass Trauer und Freude in der Klangsymbolik der Renaissance ihren Ausdruck auch in der Wahl von Kreuz-und Be-tonarten finden.
Vgl. die Vorrede.
Cipriani Musici Eccelentissimi cum quibusdam aliis doctis authoribus Motectorum. Liber primus quinque vocum. Venetiis apud A. Gardane. 1544. — Cypriani Rore. Motetta. 5v. apud A. Gardane. 1545.— Il Terzo Libro di Motetti a cinque voci di Cipriano de Rore & de altri eccellentissimi Musici nuovamente ristampato, con una buona gionta de Motetti nuovi. Venetia A. Gardane. 1549.
Von seinen 33 Motetten sind vier zweimal abgedruckt: im 1. Buch von 1544 u. im darauffolgenden von 1545.
„Formoso vermi formosa Camilla“ L. I. Nr. V.
„Pulchrior italicis formosa arzilla “ L. II. S. X. „ Despeream nisi sit Dea vera“ L. III. Nr. XII.
„ Itala que cecidit“ L. I. Nr. II.
„Melpomene cantus“ L. III. Nr. XI.
„ Iam nova perpetuo redeunt fulgentia vere regna. “ L. I. Nr. XVIII.
„ Enceladi ceique soror “ L. III. Nr. XV.
„Hesperie cum leta suas inviserat urbes“ L. III Nr. IV.
Allzu laut wird Willaert vom Ruhme seiner Doppelchöre verfolgt. Mindestens ebenso bedeutsam für die Geschichte der Musik war der neue Motettenstil, ja schon die Entwicklung der harmonischen Logik allein, die Josquin in die Wege geleitet und Willaert folgerichtig weitergeführt hat.
Genau denselben Weg — aber in umgekehrter Richtung — geht Clemens non Papa in der Motette „Pater peccavi“: c-Es-B-d-a-C-g. (Vgl. S. 66).
L. I. Gard. 1544. S. XI–XII. Diese Motette ist offenbar der Basilius-kirche von Brügge gewidmet, (2. pars: „Basilij felix edes felicia bruge menia.“). Sie weist darauf hin, dass Willaert auch in seiner Venezianer Zeit noch Beziehungen zu seiner Heimatstadt unterhielt. Vielleicht hat er das Werk auf einer seiner niederländischen Reisen — etwa 1542 — der Basilius-kirche als Geschenk angeboten.
Ebenda S. XXV.
L. III. Gard. Nr. VII.
L. II. Gard. 1545. S. XXXVI–XXXVII.
„Carole flos croij“. Die Motette ist möglicherweise zur Geburtfeier des Charles de Croy (geb. 1. Sept. 1549) komponiert, des Patenkindes von Karl V., der gleichfalls in ihr verherrlicht wird.
S. XIV.
Genau genommen handelt es sich um eine Verbindung von nicht weniger als vier Texten (vgl. S. 62, Anm. 3): 1.) Congregati sunt (1. Teil) 2.) Tua est potentia (2. Teil, 1. Hälfte) 3.) Creator omnium (Schluss des 2. Teiles) 4.) Da pacem (Tenor). Das Ganze wird nicht nur musikalisch, sondern auch sinngemäss durch den Tenor zusammengehalten. Alle Texte laufen auf den Da pacem-Text aus. Weitere Anspielungen an liturgische Melodien — etwa an die Antiphon: Tua est potentia (Liber antiphonarius pro diurnis horis. Romae 1924 S. 551) — sind nicht vorhanden.
Willaert’s Kanonmelodie beginnt: defggefd; Crecquillon zitiert defggfd. Solche Zitate kommen auch sonst vor. Gardane veröffentlicht im ersten Motettenbuch von 1544 zwei Kompositionen über denselben Text („Tribularer si nescirem“) von Jachet und Cipriano hintereinander. Im 1. Teil seiner Motette zitiert Cipriano das Anfangsmotiv des zweiten Teiles der Motette von Jachet (a d c a) eine Quart tiefer. Auch Zitate einer liturgischen Melodie kann man häufig finden. Besonders beliebt ist das „ Salve regina“, dessen Anfangsmotiv T. Susato in seiner Begrüssungsmotette an die Stadt Antwerpen („salve Antwerpia“), Manchicourt in seiner Widmung smotette an Perenotto (2. Teil: „Salve pontificum iubar“) und Zarlino in seiner Hoheliedmotette „ Adiuro vos filie“ (L. III 1549 Nr. IX) zitieren — letzterer mit symbolischer Absicht bei der Stelle „Que est ista, que ascendit“. Auf das Zitat des Lamentationstones bei Josquin und Clemens non Papa haben wir bereits hingewiesen, auch auf Clemens’ Zitat von Josquin’s „Planxit David“.
S. XVIII.
Certon, larsin u. Ihan de Billon sind mit je einer Motette vertreten.
L. XII. Fo. XIVv, bei Gardane (L. III. 1549) die Schlussnummer.
S. XXIII; vgl. die Besprechung dieses Werkes S. 57.
Während Gardane die Worte „ Ventorum furias abigit “ auf ein neues Motiv wiederholt, fährt Susato im Texte fort „ Coelumque serenat vultibus “, was sowohl deklamatorisch als ausdrucksmässig weit besser zur Musik passt. Statt Gardane’s unverständlichem „et blando mitigatio fretu“ textíert Susato sinnvoll und deklamatorisch besser „et blando mitigat ore fretum“. Wie es kommt, dass Susato eine bessere Textierung eines venezianischen Werkes gibt als Gardane, kann mit Sicherheit nicht gesagt werden. Gardane gibt auf dem Titelblatt ausdrücklich an, dass das Motettenbuch von 1549 ein Neudruck ist (vgl. S. 80, Anm. 2.) — damit wäre auch der grosse Abstand 1544–45–49 begründet. Es wäre immerhin möglich, dass der Erstdruck die richtige Textierung dieser Motette gebracht und Susato sich an ihn gehalten hätte. Man könnte dann wohl annehmen, dass die niederländischen Werke erst in der 2. Auflage hinzukamen u. Gardane sie meinte mit der Bemerkung „con una buona gionta de Motetti nuovi“.
Nr. III. Vgl. S. 55.
Vgl. den „Beitrag zur Frage der Deklamationsrhythmik“ a.a.O.
Das zeigt der Vergleich mit der Fassung in Susato’s L. VII. Eccl. cant. Fo. XII.
„Expurgate vetus fermentum“ Nr. XVII; „Dirige gressus meos“ Nr. XVIII
So das wiederholte „dirige gressus meos“, „in semitis tuis“, „vide domine“, „et deduc me“, „doce me facere voluntatem tuam“.
Nr. V.
Die Ähnlichkeit geht bis in einzelne melodische und harmonische Wendungen. Ich zitiere: 1. pars T. 31-33 geht der Sopran von g’ über a’ h’ nach c“ begleitet von der Harmoniefolge: e56-F-d-G-C. Bei Willaert T. 11–13 geht der Sopran gleichfalls von g’-c“ auf die Harmoniefolge: G-C-F-d-G-C. Aber auch andere harmonische Wendungen: a-d-G-C-F-B-F-g-a usw. sind ganz in Willaert’s Geist.
Immerhin schiene mir das Eine nicht ausgeschlossen, dass die Akziden-tiensetzung, die etwa aus dem Anfangsthema ega. e gis a und aus e-moll, a-moll usf. E-dur und A-dur machen, von Gardanes Hand stammen. Die Akzidentien geben dem Klange einen besonderen Glanz, können aber überall auch weggelassen werden. Auch sonst setzt Gardane die Akzidentien, wo Susato und Phalèse nichts vorzeichnen, so vor allem bei den Schlüssen. Das ändert aber nichts an der Grundsätzlichkeit der modernen Haltung bei Baston.
Schon Bernet Kempers hat auf die merkwürdige Tatsache aufmerksam gemacht (a. a. O. S. 33), dass Waelrant die Motette „De Sancta Anna“ von Clemens, die sein Sammelwerk eröffnet, „ 1549“ datiert. Mit Recht nennt er dieses Vorgehen „sehr befremdend, ein ganz seltener Fall“. Fassen wir alle Umstände ins Auge — Waelrant’s prinzipiell moderne Einstellung als Herausgeber wie als Komponist, die Tatsache des venezianischen Einflusses auf die Niederländer, die erste Begegnung zwischen beiden Richtungen im Jahre 1549 — so scheint uns die folgende Annahme nicht zu kühn: Waelrant will nicht nur die betreffende Motette datieren, sondern er gibt mit der Datierung zu erkennen, dass er das Jahr 1549 für ausserordentlich bedeutsam hält u. seine Sammlung unter den Stern dieses Jahres stellt.
Vgl. u.a. Edm. v. d. Straeten, La musique aux Pays-Bas Tome VI. 1882, p. 268, der dieser Tradition die folgenden skeptischen Worte widmet: „Waelrant a-t-il été s’instruire auprès de Willaert à Venise? Rien de bien certain à cet égard. Réservons notre jugement et laissons provisoirement à Fétis la responsabilité de ce qu’il avance. „Le fait, dit-il, paraît certain“. Certain, d’après qui ou quoi?“
So sagt Bernet Kempers (a. a. O. S. 31), dass „ Willaert für die Kunst Clements am wenigsten in Betracht“ komme. An anderer Stelle (S. 24) betont er das Fehlen von italienischen Einflüssen bei Clemens.
Verf. behält sich vor, in einer besonderen Studie über das „Musikleben in Antwerpen“ hierüber mehr mitzuteilen.
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Lowinsky, E. (1937). Beziehungen zwischen den niederländischen und Venezianer Motettendrucken. In: Das Antwerpener Motettenbuch Orlando di Lasso’s und seine Beziehungen zum Motettenschaffen der niederländischen Zeitgenossen. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-011-8928-6_10
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