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Lob des Vergessens?

Krankheit und Gesundheit im Hinblick auf die Historie

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Apollos Wiederkehr

Zusammenfassung

Nietzsche behauptet, dass Leben, ohne eine gewisse Begabung zu vergessen, nicht möglich ist. „Das Tier lebt unhistorisch: „Es geht auf in der Gegenwart wie eine Zahl” (N.u.N., I, S. 211), es kennt keine Vergangenheit, es hat nichts zu verbergen, es erscheint in jedem Augenblick ganz und gar als das, was es ist; es kann nichts anderes sein als ehrlich. Sein Horizont ist beschränkt auf den Moment: Es wohnt „beinahe innerhalb eines punktartigen Horizontes” (N.u.N., I, S. 214). Darum ist es glücklich. Denn Glück wird erst wirklich zu Glück durch die Fähigkeit, während seiner Dauer unhistorisch zu leben:

„Wer sich nicht auf der Schwelle des Augenblicks, alle Vergangenheiten vergessend, niederlassen kann, wer nicht auf einem Punkte wie eine Siegesgöttin ohne Schwindel und Furcht zu stehen vermag, der wird nie wissen, was Glück ist, und noch schlimmer: er wird nie etwas tun, was andre glücklich macht” (N.u.N., I, S. 212).

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Referenzen

  1. Den Ausdruck Historie gebrauchen wir für die Wissenschaft, die die Vergangenheit studiert, den Ausdruck Geschichte für die Vergangenheit selbst. Nietzsche gebraucht den Ausdruck Historie allerdings manchmal auch für die Vergangenheit. In dem Titel Von Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben bezeichnet Historie z.B. sowohl die wissenschaftliche Ausübung der Geschichte als auch die Vergangenheit selbst. Laut unserer Terminologie müsste das Unhistorische eigentlich das Ungeschichtliche heissen. Mit Nietzsches Ausdruck „der historische Mensch” ist z.B. der ungeschichtliche, im täglichen Leben aufgehende vergessliche Mensch gemeint.

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  2. Denselben Begriff des Todes als absolute Vergangenheit findet man bei Sartre, L’Etre et le Néant, Paris, 1943, S. 159: Der Tod, sagt Sartre, fixiert alles, nichts kann mehr in einer neuen Perspektive aufgenommen werden.

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  3. In G.M., Werke, Bd II, S. 799 ff., nimmt Nietzsche das Thema der „plastischen Kraft” wieder auf.

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  4. Haeuptner, Geschichtsansicht, S. 6. Auf Haeuptners Unterscheidung zwischen einer „pantheistischen” und einer „dualistischen” Tendenz in der zweiten Unzeitgemässen Betrachtung kommen wir später zurück (siehe S. 54). Die Behauptung, Nietzsche sei der „Rousseau des XIX. Jahrhunderts” (Löwith, Nietzsches Philosophie, S. 192), ist unhaltbar. Rousseau war für Nietzsche im Gegenteil der Repräsentant des „dionysischen Wahnsinns” (W. A. Kaufmann, Nietzsche: Philosopher, Psychologist, Antichrist, Princeton, 1950, S. 142 f).

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  5. Kaufmann, Nietzsche, S. 235: „bewusst” und „unbewusst” leben gehören für Nietzsche zusammen. Den Gedanken, Nietzsche sei gegen bewusstes Leben, weist er mit Bestimmtheit ab, wie auch Heidegger, Nietzsche, Bd I, S. 69; S. 134 ff. Löwith dagegen glaubt, dass Nietzsche in der zweiten Unzeitgemässen das „unhistorische” Leben als Ideal hinstellt (Nietzsches Philosophie, S. 135). Im allgemeinen sieht Löwith in Nietzsche jemanden, der „zurück zur Natur” will. Wie falsch das ist, beweist Nietzsches Menschlichkeitsideal und seine Geringschätzung für den Menschen, der auf dem natürlichen Niveau stehenbleibt.

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  6. Auch Jaspers weist auf die Tatsache hin, dass in Nietzsches Werk zwei Lebensformen vorkommen: die menschliche Existenz und das biologische Leben. Er nimmt allerdings an, dass Nietzsche beide Lebensformen in der Praxis seines Denkens nicht gut auseinanderzuhalten weiss. Ihmzufolge fällt Nietzsche stets zurück in eine Vision vom Leben als natürliches Leben. Darum sieht auch er Nietzsche schliesslich als Verfechter des natürlichen Lebens (Karl Jaspers, Nietzsche; Einführung in das Verständnis seiner Philosophie, Berlin und Leipzig, 1936, S. 285 f).

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  7. Vgl. Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, S. 25: Geschichte ist der Bruch mit dem menschlichen Naturzustand, aber von der Ursprünglichkeit des Menschen bleibt noch genug übrig, um ihn als „reissendes Tier” zu kennzeichnen. Die Übereinstimmung zwischen Nietzsche und Burckhardt, was den Ausgangspunkt anbelangt, erstaunt jedesmal aufs Neue. Das Wichtigste zum Verhältnis zwischen Nietzsche und Burckhardt wurde von E. Salin, Vom deutschen Verhängnis, Gespräch an der Zeitwende: Burckhardt-Nietzsche, Hamburg, 1959, zusammengetragen. Er legt dar, dass Nietzsche sein Leben lang für Burckhardt grosse Bewunderung fühlte, während umgekehrt Burckhardt ein Werk wie Die fröhliche Wissenschaft sehr hoch schätzte. A. von Martin, Nietzsche und Burckhardt, zwei geistige Welten im Dialog, Basel, 1945, kam zum entgegengesetzten Schluss. Seine Ausführungen sind jedoch so germanozentrisch, dass wir ernstlich in Zweifel ziehen, dass er Nietzsche vorurteilslos gegenüberstand.

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© 1969 Martinus Nijhoff

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Bulhof-Rutgers, IN. (1969). Lob des Vergessens?. In: Apollos Wiederkehr. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-011-8833-3_3

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