Zusammenfassung
Die Grundstellung, welche den menschlichen Alltag in seinem unmittelbaren Umgang mit den Dingen, aber auch die reflektierteren Weisen unseres Seinsverstehens beherrscht und trägt, ist die Hingegebenheit an das Seiende. Wir sind vom Seienden benommen — und eingenommen Alles, was wir tun und lassen, erstreben, fliehen, lieben, hassen, erkennen und wissen, ist in irgendeinem Sinne ein Seiendes. Die Welt ist für uns voll von Seiendem. Wir sind selbst je ein Seiendes und sind umringt und umzingelt von anderem Seienden vielfältiger Art. Unser Verstehen ist vor allem ein Verstehen von Seiendem. Und das Verstehen selbst ist die bestimmte Art, wie ein Seiendes: nämlich wir selbst, in seinen Bezügen zu anderem Seienden ist. In diesem Verstehen liegt die Möglichkeit, sich auf sich selbst zu beziehen und damit die Erkenntnis von Seiendem selbst zu erkennen — als eine seiende Erkenntnis. Die Rückwendung des Verstehens und Vernehmens auf sich selber wird zur Selbsterkenntnis der menschlichen Vernunft. Wir bewegen uns so in dem magischen Kreise einer, sei es objektiven, sei es subjektiven Hingegebenheit an Seiendes. Wo immer wir „Bedingungen der Möglichkeit“ von Seiendem erkennen, werden diese uns alsbald selber wieder zu einem Seienden, wenn auch von ursprünglicherem Charakter. Der Menschengeist gleicht dem Midas der Sage, dem alles, was er griff, zu Gold erstarrte, dem sich Speise und Trank in das harte Metall verwandelte. So wandelt sich uns alles, was immer wir nur denken, in die feste und harte Form von Seiendem, in etwas das ist. Und selbst das „ist“, das wir vom Seienden aussagen, das Sein des Seienden schlägt, sobald wir es eigens zu denken versuche, um in eine „höherstufige“ Art von Seiendem. Wir sprechen dann das „Sein“ an, als ob es ein Seiendes wäre. Und dieser Gefahr ist man noch lange nicht entronnen, wenn man sie bemerkt. Es liegt nicht an einer Anstrengung der menschlichen Vernunft, ob und wieweit sie den Umschlag des Seins in die Verhärtung zu einem Seienden vermeiden kann.
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© 1958 Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands
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Fink, E. (1958). Das Sein am Seienden, das Sein im Seienden als Doppel-Thema der Metaphysik. Erscheinen Überhaupt Nichts Ontisches. Die Gegend Aller Gegenden: der Zeit — Raum der Welt. Die Welt-Einzigkeit Übergreift das Helle Land der Individuation und das Dunkle Land des Gestaltlosen Grundes. In: Sein, Wahrheit, Welt. Phaenomenologica, vol 1. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-011-8101-3_12
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