Zusammenfassung
Formell müßte die allgemeine Relativitätstheorie mit den Einsteinschen Feldgleichungen ihren Abschluß finden: Der funktionale Zusammenhang zwischen Raumzeit-Metrik, Raumzeit-Krümmung und Gravitationsenergie bildet eine exakte Antwort auf die am Anfang der Theorie stehende Frage nach dem Zusammenhang zwischen Schwerkraft und Trägheit. Dennoch läßt sich leicht einsehen, daß damit das eigentliche Problem noch nicht erschöpfend gelöst ist. Der Raum hörte zwar auf, nur aktive Ursache physikalischer Wirkungen zu sein und wurde auch zum passiven Empfänger von Wirkungen der Energie, dennoch beschränkte sich dieser Zusammenhang nur auf seine metrischen „Eigenschaften“. Die Frage lag nahe, welche Schlüsse sich daraus für die anderen Eigenschaften des Raums und der Zeit, insbesondere ihre angebliche Unendlichkeit, ergeben. Das Problem war nicht neu. Schon Olbers wies 1826 nach, daß unter der Annahme einer unendlichen Zahl gleichmäßig im unendlichen Raum verteilter Sterne der nächtliche Himmel taghell sein müßte (Photometrisches Paradoxon). Neumann zeigte 1874, Seeliger 1895, daß die Annahme des Newtonschen Gravitationsgesetzes für ein unendliches All bei endlicher mittlerer Massendichte zu unüberwindbaren Schwierigkeiten führt: Das Gravitationspotential hat keinen bestimmten endlichen Wert, es treten unendlich große Beschleunigungen und folglich Geschwindigkeiten auf.
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Literatur
A. Friedmann, ‘Über die Krümmung des Raums’, Z. Phys. 10 (1922) H. 6. (russisch in Žurnal russk. fiz.-chim. o-va, čast’ 56 (1924) 59); Mir kak prostranstvo i vremja, Leningrad, 1923; ‘O krivizne mira’, Žurnal russk. fiz.-chim. o-va, čast’ 56 (1924).
Die Stelle heißt bei F. Engels, Anti-Dühring, Berlin, 1959, S. 48: “Ewigkeit in der Zeit, Unendlichkeit im Raum, besteht schon von vornherein und dem einfachen Wortsinne nach darin, nach keiner Seite hin ein Ende zu haben, weder nach vorne noch nach hinten, nach oben oder nach unten, nach rechts oder nach links” und auf S. 61: “Eben weil die Unendlichkeit ein Widerspruch ist, ist sie unendlicher, in Zeit und Raum ohne Ende sich abwickelnder Prozeß. Die Aufhebung des Widerspruchs wäre das Ende der Unendlichkeit”. Um solcher dilettantischer Auffassungen willen wird von einem Teil der Sowjetphilosophen die relativistische Kosmologie verworfen!
Voroncov-Veljaminov demonstrierte auf der Tagung Photos wechselwirkender Nebel, siehe Trudy šestogo soveščanaija po voprosam kosmogonii, str. 19–40.
Ivanenko hält das Problem ebenfalls noch nicht für endgültig gelöst: λ muß aus Gründen der allgemeinen Kovarianz in die Feldgleichungen eingeführt werden. Um λ auszuschließen, bedarf es zusätzlicher Überlegungen analog der Ausschließung von Termen mit der Masse eines Photons oder Neutrinos. Insbesondere ist die Invarianz der Gravitationspotentiale gegenüber Eichtransformationen vom Typ Hilbert-Lorentz zu berücksichtigen (Beim Übergang zu einem schwachen Feld mit \( {g_{{\mu \nu }}} = {\delta_{{\mu \nu }}} + {h_{{\mu \nu }}} \) tritt neben dem Neumannschen Term λh μv noch ein inhomogener Term auf.) Ferner ist ein Friedmannscher Typus des Alls auch bei nichtverschwindendem λ möglich. Setzt man den Wert für die Hubble-Konstante und den heute angenommenen Wert für die mittlere Dichte (3.1 · 10-31 g/cm3 nach J. Oort, Solvay Conf. 1958, Brussels, 1959) in die Friedmannsche Metrik bei λ ≠ 0 ein, so kommt man nach McVittie zu einem Raum vom Typ Lobačevskijs und zu einem negativen, vermutlich endlichen Wert von λ. Offenbar können weitere Präzisierungen des Dichtewerts nicht den Schluß auf den hyperbolischen Charakter des räumlichen Hintergrunds unseres Teils des Alls aufheben. Andererseits ist der empirische Wert für ρ noch viel ungewisser, wobei noch die Neutrinos und die Gravitationsstrahlung zu berücksichtigen sind. D. D. Ivanenko, Vstupitel’naja stat’ja’, in Novejšie problemy gravitacii, Moskva 1961, str. 40–41.
I. V. Kuznecov verteidigte sie sogar energisch gegen die Angriffe Maneevs vor dem IF 1960. Siehe Müller-Markus in Studies in Soviet Thought II (1962) 52–53.
Nicht genannt, gemeint ist wohl Anti-Dühring, S. 55–62 und Dialektik der Natur, S. 217, 250, 252, 253.
Kuznecov zitiert nach A. A. Friedmann, Mir kak prostranstvo i vremja, Petrograd, 1923, str. 122–124. Das Original dieser Arbeit war leider nicht erhältlich.
Mostepanenko zitiert Zel’manov, Trudy šestogo soveščanija po voprosam kosmogonii, Moskva 1959, str. 144–174.
Kosmologische Betrachtungen zur allgemeinen Relativitätstheorie, Preuß. Akad. d. Wiss., Sitz.-Berichte 1917, 1. Teil, 142–152.
Smorodinskij weist darauf hin, daß Sudakov mit Erfolg eine Beschreibung der Weltgeometrie mit Hilfe von Bündeln der Teilchenbahnen gegeben habe, siehe E. M. Lifšic, V. V. Sudakov, I. M. Chalatnikov, ŽETF 4 (1961) 1847–1855. Siehe S. 436 der vorliegenden Arbeit.
S. A. Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, 1. Aufl., Braunschweig 1956, S. 76–82, sowie L. D. Landau, E. M. Lifschiz, Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd. II: Feldtheorie, deutsch: Berlin, 1963, S. 351–362. Der Leser wird für das Folgende auf diese Darstellungen verwiesen: Dabei ist die rein räumliche Krümmungskonstante z = + 1 bei positiver Krümmung, z = - 1 bei negativer, z = 0 bei verschwindender Krümmung, G ist der in die rein räumlichen g μv eingehende rein zeitabhängige Anteil, A der rein raumabhängige Anteil der Krümmung. Im isotropen Modell nimmt dann die Metrik die Form an ds 2 = dx 4 2 - G 2 A 2 (dx 1 2 + dx 2 2 + dx 3 2) (s. Einstein, a.a.O., 76, Gl. 2). G ist ein Maß für die rein zeitliche Änderung des metrischen Abstands zweier materieller Punkte auf einem räumlichen Schnitt. Im sphärischen Fall ist G der Radius des Raums im Zeitpunkt x 4.
Noch in der Auflage von 1956 seiner Grundzüge sprach er von “Zweifeln an dem Zutreffen der Theorie”. S. A. Einstein, Grundzüge, S. 79.
Smorodinskij zitiert nach W. A. Baum, Astrophys. J. 62 (1957) 6.
Smorodinskij gibt für die Dichte der Neutrinos einen Wert zwischen 10-7 und 10-2 MeV/cm3 an; jedenfalls kann die Dichte der Neutrinos und Antineutrinos den Wert der übrigen Dichte 10-29 g/cm3 nicht übersteigen. (Ejnštejn i razvitie, str. 113. Siehe auch Ja. B. Zeldovič und Ja. A. Smorodinskij, ŽETF 41 (1961) 907.
Siehe auch B. M. Pontecorvo and Ja. A. Smorodinskij, ŽETF 41 (1961) 239.
Siehe S. 436f.
Nach Dante “L’acqua ch’io prendo giammi non si corse”, nach E. P. Friedmanns Erinnerungen in Geofizičeskij sbornik 5 (1927), vyp. 1.
Es gibt ∞10 verschiedene “frei fallende” KS, wobei die den STS zugeordneten KS nicht durch eine Galilei-Transformation verknüpft sind. In jedem der ∞4 Weltpunkte gibt es ∞6 STS, die mit Hilfe einer drei-parametrigen Drehung und einer ebenfalls dreiparametrigen Translation konstanter Geschwindigkeit ineinander transformiert werden können. Siehe O. Heckmann and E. Schücking, Newtonsche und Einsteinsche Kosmologie, I, Handbuch der Physik 53, Astro-Physik IV: Sternsysteme, Berlin-Göttingen-Heidelberg, 1959.
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Müller-Markus, S. (1966). Kosmologie. In: Einstein und die Sowjetphilosophie. Sovietica, vol 22. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-010-3545-3_6
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