Zusammenfassung
Es gibt nur wenige Wahnformen, die in Japen wesentlich häufiger vorkommen oder sich deutlicher ausprägen als in abendländischen Ländern und die als solche offenbar auf bestimmte kulturanthropologische Hintergrundsbedingungen sinnvoll zurückzuführen sind. Zu ihnen gehört der Wahn, mit dem wir uns im folgenden beschäftigen, die wahnhafte Ablehnung der eigenen familiären Herkunft. Der Patient behauptet, daß er kein leibliches Kind seiner Eltern sei, daß seine Eltern nicht seine richtigen, sondern eigentlich Pflegeeltern seien, daß es irgendwo anders seine wahren Eltern geben müsse, daß er als Kleinkind adoptiert worden sei. Der Wahn kann sich aber auch auf eigene eheliche Geschichte beziehen: Der Patient glaubt dann, daß sein Eheleben ein unechtes sei, daß der Ehepartner, mit dem er zusammenlebt, nicht sein Ehegatte sei, daß der richtige Gatte ein anderer sei, daß seine Kinder nicht von seinem jetzigen, ‚falschen‘ Gatten, sondern von dem geboren worden seien, der eigentlich sein echter Lebensgefährte sein sollte usw. Kurz, der Patient lehnt seinen ‚Status quo‘ in bezug auf seine Zugehörigkeit zur elterlichen Familie oder sein Eheleben — bis auf die Herkunft, auf die Grundlegung dieses Status zurückgreifend — wahnhaft ab. Der Wahn Läβt so das Antlitz des gegenwärtigen Lebens des Patienten Wörtlich ‚von Grund aus‘ in einem anderen licht erscheinen.
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Literatur
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© 1974 Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands
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Kimura, B. (1974). Über die Wahnhafte Herkunftsablehnung und deren Kulturanthropologische Bedeutung. In: Broekman, J.M., Hofer, G. (eds) Die Wirklichkeit Des Unverständlichen. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-010-2041-1_12
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