Zusammenfassung
Wenn man den Werdegang des russischen Staates seit dem späten Mittelalter bis heute aus staatswissenschaftlicher oder verfassungsrechtlicher Sicht betrachtet, kann man nicht umhin, der Revolution von 1917 die Bedeutung eines radikalen Umbruchs beizumessen. Das alte Zarenreich war während seiner jahrhundertelangen Existenz ein zentralistischer Einheitsstaat, dessen inneres Machtsgefüge es geradezu erforderte, seine damals in der Mehrheit (57%) fremdstämmige Bevölkerung behördlicherseits zu einer uniformen Untertanenmasse umzuschmelzen und womöglich zu russifizieren. Die aus der Oktoberrevolution hervorgegangene Staatsbildung in der Gestalt der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (1922) dagegen kennzeichnet sich durch eine bundesstaatliche Struktur, die, vom Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker ausgehend, sowohl die einzelnen Gliedstaaten als auch die autonomen Nationalrepubliken, Gebiete (Oblast) und Bezirke (Okrug) nach dem Kriterium ihrer Ethnizität ausgestaltet hat. In der jüngsten Sowjetverfassung vom Oktober 1977 wird ausdrücklich anerkannt, dass die fünfzehn Teilstaaten souveräne Republiken sind (Art. 76) und dass sie das Recht auf Sezession besitzen (Art. 72).1 Im Vergleich also mit der vorrevolutionären Lage kann man sich kaum einen grösseren Unterschied vorstellen, und die amtlichen Kreise in der Sowjetunion weisen denn auch gern und nachdrücklich auf die neue Struktur hin. Der sozialistische Föderalismus, wie er in der USSR verwirklicht wurde, gilt noch immer als musterhafte Lösung für die Probleme eines Vielvölkerstaates, zumindest aus der Sicht der kommunistischen Propaganda.
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Dittrich, Z.R. (1980). Der russische Vielvölkerstaat zwischen Zentralismus und Föderation. In: Boogman, J.C., van der Plaat, G.N. (eds) Federalism. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-009-8931-3_14
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