Die Bedeutung des Gewissens für eine Leibhafte Verwirklichung von Sittlichkeit

Zusammenfassung

Der archimedische Punkt einer modernen Theorie des Sittlichen ist fraglos die begriffliche Erfassung des Gewissens, denn an diesem entscheidet sich die individuell verpflichtende Kraft aller normativen Bestimmungen. Die Meinung, daß das Gewissen im Prozeß sittlicher Urteilsfindung keine Rolle spielt, ist Ausnahme, und kontrovers nur die Frage, welcher Stellenwert dem Gewissen in diesem Prozeß zuzusprechen ist. Setzen wir uns mit Husserls Überlegungen zu den Grundproblemen der Ethik auseinander, so fällt auf, daß er dem Begriff ‘Gewissen’ keinerlei Beachtung geschenkt hat, ja sogar, daß an den wenigen Stellen, wo auf dieses Bezug genommen wird, die Bezugnahme in einer abwertenden Weise erfolgt.¹ Wir werden uns daher fragen müssen, welche von Husserls ethischen Kategorien begrifflich jene Sphäre abdecken, die der Begriff ‘Gewissen’ z.B. bei Kant umschreibt, zählt doch gerade dieser Begriff zu jenen, die nicht nur in der philosophischen Reflexion einen festen Platz haben, sondern auch aus dem alltäglichen Sprachgebrauch und der Sprache des Rechtswesens nicht wegzudenken sind.