Zusammenfassung
Die Husserlsche Unterscheidung von schlichter und kategorialer Anschauung bildet die Grundlage der phänomenologischen Theorie der Erkenntnis. 1 Wenn man Erkennen als kategoriale Anschauung versteht, eröffnet sich die Möglichkeit, dem mathematischen Erkennen einen präzisen Sinn zu geben.
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Anmerkungen
Vgl. zum Folgenden den II.Abschnitt der 6.LU, Husserl LU 657–733.
Husserl LU 658.
Für das Folgende vgl. Husserl LU 674ff.
Vgl. Husserl LU 678f., 681 f., 683f., 688f., 690ff. Die Behandlung der Identität eines Wahrnehmungsgegenstandes geschieht an einer etwas fernliegenden Stelle im Text (Husserl LU 678f.) Nur in einer rückschauenden Bemerkung am Anfang des §51 (Husserl LU 688) wird sie im Zusammenhang mit anderen Formen kategorialer Anschauung als totale Identitätsbeziehung erwähnt. Doch ist sie als ein erstes Beispiel wichtig, um eine naheliegende Fehleinschätzung der Rolle zu vermeiden, die das Teil/Ganzes Verhältnis an hervorragender Stelle im §48 einnimmt. Man neigt sonst dazu, dem Teil/Ganzes Verhältnis eine paradigmatische Stellung für das Verständnis aller weiteren kategorialen Formen einzuräumen. Einen solchen Rang hat es keineswegs und eine solche Annahme kann zur Verkennung der Eigenarten der anderen Formen führen. Diese Bemerkung berührt nicht die erwiesenermaßen hervorragende Stellung der Gegenüberstellung von Ganzen und Teilen in den “Logischen Untersuchungen”. Vgl. hierzu Sokolowski LPW.
Vgl. hierzu Husserl LU 690, 676, 688.
Husserl faßt unter dem Verhältnis von Ganzem und Teil in den “Logischen Untersuchungen” zwei Dinge zusammen, die er in “Erfahrung und Urteil” trennt: Das Verhältnis von Ganzem und selbständigem Teil (Stück) und das von Ganzem und unselbständigem Moment. Er gebraucht hier den Begriff Teil’ also in dem von ihm festgelegten, weitesten Sinne. Vgl. LU 680f, 231, EU §§50–52. Es sind also zwei verschiedene Typen von Beispielen möglich “Die Tür ist grün.” und “Das Haus hat eine Tür.” Auch aus dem Standpunkt heraus, der in “Erfahrung und Urteil” vertreten wird, sind beide Formen gleichwertig, zumindest was die Art der Konstitution angeht; vgl. EU 262. Die Möglichkeit der Umwandlung von “A ist rot.” in “A hat Röte.” spricht nicht gegen die Eigenständigkeit der ‘hat’-Urteile, vgl. EU 264.
Vgl. Husserl LU 681ff. auch für das Folgende.
Der willentliche Charakter der gliedernden Akte bleibt in der 6.LU weitgehend unexplizit. Husserl hatte sich die Verwendung eines ‘engeren’ Begriffs der Aufmerksamkeit, der hier seinen Platz haben sollte, durch die demonstrativ ‘weite’ Fassung des Aufmerksamkeitsbegriffs in der 2.LU verbaut. Vgl. dazu Husserl LU 167ff. Der ‘weite’ Begriff der Aufmerksamkeit stimmt dort mit dem Begriff der Intentionalität überein, der gerade von jedem Moment der Willentlichkeit frei gehalten werden soll, und war somit ungeeignet, den besonderen Charakter der gliedernden Akte zu erfassen. 1913 wird Aufmerksamkeit dann als eine Grundart intentionaler Modifikation beschrieben, vgl. Husserl Id1 §92. Die attentionalen Wandlungen bezeichnen hier eine Grundmöglichkeit des ‘wandernden Blicks’, der, ob er willentlich oder anders motiviert ist, ob er tut oder leidet, Ich-Blick bleibt. An dem Bild eines Lichtkegels wird hier die Hervorhebung bestimmter Momente durch Aufmerksamkeit und das damit verbundene Zurückweichen anderer Teile in die ‘Dunkelheit’ erläutert. Husserl weist hiermit schon die Richtung auf das, was er später die Explikation des Horizonts nennt, vgl. EU §24.
Vgl. für das Folgende Husserl LU 682.
Die Rede von Deckung gewinnt bei Husserl eine unerhebliche Doppeldeutigkeit, indem er sie in und nach den “Logischen Untersuchungen” auch oft für den Begriff der Erfüllung von leeren Intentionen durch die entsprechenden erfüllten Intentionen heranzieht. Die Deckung von leeren mit erfüllten Intentionen ist natürlich Erfüllung, aber die Frage, wie die erfüllten Intentionen zu erfüllten überhaupt werden, ist damit noch nicht berührt, d.h. es handelt sich um einen zumindest für den kategorialen Bereich trivialen Begriff von Erfüllung. Die Deckungseinheiten zwischen Partialintentionen, von denen wir hier sprechen, stellen einen Inhalt dar, der kategorial aufgefaßt eine erfüllte kategoriale Intention ermöglicht. Hier ist die Frage also, wie erfüllte Intentionen allererst zu erfüllten werden.
Vgl. Husserl LU 684f.
Vgl. Husserl LU 679.
Vgl. Husserl EU §64 b), auch §24ff. Man kann also keinesfalls die Meinung teilen, daß Husserl in der genetischen Phänomenologie das Schema Auffassung/Inhalt fallen läßt. Vgl. zu dieser These Boehm V S.XXXIIIff. und Sokolowski HCC 177ff. Es wird sicherlich, wie auch schon in den “Vorlesungen zum inneren Zeitbewußtsein”, relativiert nach Maßgabe der Feststellung, daß sinnliche Inhalte selbst wieder als fundierte anzusehen sind. Vgl. Husserl ZB 7, Anm.1.
Hierzu mehr im Folgenden Kap.II,2,c. Daß es sich um Deckungen von Intentionen handelt und nicht um eine Deckung oder Verbindung von sinnlichen Inhalten, wird deutlich bei Husserl LU 678f., 681.
Vgl. Husserl LU 535. Zum Folgenden vgl. LU 694–709.
Wir können uns also nicht der Ansicht von Sokolowski HCC 70f. anschließen, daß Husserl einen Repräsentanten konstruiert, um das Schema von Auffassung und aufgefaßtem Inhalt anwenden zu können. Es handelt sich bei dem “psychischen Band” des 7.Kapitels (6.LU) wohl um einen gegebenen Inhalt, allerdings nicht um denselben, den Husserl im 6.Kapitel (6.LU) für die Erfüllung der kategorialen Intention verantwortlich sieht. Vgl. dazu die wohl in diesem Sinne zu verstehenden selbstkritischen Äußerungen in Husserl VLU 125, 127.
Vgl. Husserl LU 717ff.
Vgl. Husserl LU 534f., 717–720. Nicht ohne Grund fällt die Husserlsche Selbstkritik in die Besprechung der Bedeutung des 8.Kapitels.
Vgl. Tugendhat WB 119–123.
Vgl. Tugendhat WB 124. Es wird im Folgenden noch Gelegenheit geben, diesen funktionalen Zusammenhang kritisch zu untersuchen. Auch Sokolowski CI 132f. bindet die Möglichkeit der Erfüllung an die sinnliche Gegenwart der fundierenden Gegenstände.
Vgl. Tugendhat WB 131.
Vgl. Tugendhat WB 126. E. Ströker hat darauf hingewiesen, daß es sich bei der Einsicht in die logischen Gesetze nicht um dieses Verfahren exemplarischer Vor-Veranschaulichung handeln kann. Vgl. Ströker HE 18f. und auch Husserl FTL 221.
Vgl. dieselbe Kritik bei Grünewald PUL 138f.
Vgl. Tugendhat WB 146. Auch Grünewald PUL 101 ff. identifiziert die Lösung des 7. und 8. Kapitels der LU mit der von ihm wohl bemerkten Rede von Deckungseinheiten zwischen Auffassungen.
Vgl. Husserl LU 697f.
Vgl. Husserl LU 425–434, 607–624.
Die Rolle der Aktqualitäten läßt Husserl in der Darstellung der kategorialen Anschauung zunächst außer acht. Vgl. Husserl Lt/681.
Auf eine anderslautende Stellungnahme Husserls werden wir noch einzugehen haben. Vgl. hier Kap.II,6,c.
Vgl. Husserl LU 608.
Auch die sogenannten sinnlichen Mehrheitsanzeichen besitzen nicht diesen Charakter. Vgl. Husserl PA Kap.XL, LU 689f., EU §61.
Vgl. Husserl LU 697f. Die vermißte Variabilität hat sich später wiederfinden lassen. Zumindest die Deckungseinheiten von Partialintentionen sind in “Erfahrung und Urteil” sowohl schlicht, als Sinnesbereicherung in der Explikation, als auch kategorial als Sinneserwerb im prädikativen Urteil aufzufassen. Vgl. hier Kap.II,2,e.
In strenger Beschränkung auf den ‘und’-Fall wäre Tugendhats Interpretation durchaus zutreffend, wenn er Husserls Position im 7.Kapitel (6.LU) wiedergibt. Der Vollzug der Synthesis selbst wird hier als das herausgestellt, was der Intention Fülle gibt. Diese Lösung paßt uneingeschränkt aber nur auf den Fall der Kollektion, der auch von Husserl im ganzen 7.Kapitel unmerklich bevorzugt wird. Husserl geht dann zum Kardinalfehler dieses Kapitels über, indem er versucht, den sinnlichen Inhalt zu finden, der dieser Art von Erfüllung durch einen kategorial zusammenmeinenden Akt zugehört und ihn dann als sinnlichen Repräsentanten der kategorialen Form anzugeben. Dabei verliert er die Rolle der Deckungseinheiten zwischen Partialintentionen aus den Augen. Die Behandlung der kategorialen Repräsentation überhaupt wird zu der Behandlung der Repräsentation der speziellen Form des ‘und’. Das Ergebnis bleibt mit dem Blick auf die Absicht also unangemessen und der strengen Selbstkritik würdig. Vgl. Husserl LU 696–699.
Vgl. Husserl LU 688, EU 25A. Das LU 708 über die Unselbständigkeit der kategorialen Formen Gesagte trifft eigentlich nur diese Formen.
Vgl. Husserl EU 254,297, 223 und 135.
Das verdeutlicht die merkwürdige Tatsache, daß solche Deckungseinheiten auch bestehen können, ohne daß sie im Ausdruck der kategorialen Anschauung fixiert werden. Vgl. hierzu den aufschlußreichen “Zusatz” zum §8. LU 569f. In “Erfahrung und Urteil” wird dann von einer Art Sinnesnieder-schlag sogar als “habitueller Besitz” gesprochen, vgl. EU §§24–25.
Mit der Tatsache, daß die intentionalen Momente von Bewußtseinsakten wieder gegeben sind, hat sich Husserl später nur noch punktuell beschäftigt. Vgl. Husserl APS 334f. und dazu Küng NRM 15Iff.
Vgl. Husserl IZ 7, Anm. 1. Einige Hinweise finden sich auch Husserl EU §23. Zu der angeblichen Aufgabe des Schemas von Auffassung und Inhalt, vgl. dieses Kapitel Anm. 13.
Vgl. hier Kap.II,6,b. Bei K. Gödel findet sich ein bemerkenswerter Hinweis auf eine ‘zweite Art von Daten’, die nicht sinnliche sind, denen die Erfüllungsfunktion bei mathematischen Sachverhalten und Gegenständen zukommt, die darüberhinaus auch schon beim Erkennen im Zusammenhang sinnlich gegebener Gegenstände eine Rolle spielen, vgl. Gödel CCP 271 f. Sein Modell der Intuition scheint stark an das Husserlsche von Auffassung und Inhalt angelehnt zu sein, vgl. auch Parsons MP 4f.
Vgl. Husserl EU 21f., FTL §§82ff.
Vgl. Husserl PP 209ff., 315, EU 119.
Vgl. hierzu Husserl EU §§23ff.
Dieses aktive Im-Griff-Halten ist nicht mit der passiven Retention gleichzusetzen. Es ist sowohl als impressionales wie auch als nicht-impressionales möglich. Vgl. Husserl EU 120f.
Vgl. Husserl EU 137ff.
Zum Folgenden vgl. Husserl EU §§47ff.
Vgl. Husserl EU 135, 297. Für das Folgende auch EU §61 und §62.
Husserl EU 257, 223.
Vgl. Husserl EU §63.
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Lohmar, D. (1989). Erkennen als kategoriale Anschauung. In: Phänomenologie der Mathematik. Phaenomenologica, vol 114. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-009-2337-9_6
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