Zusammenfassung
Der vor zweihundert Jahren geborene Philosoph und multidisziplinär ausgerichtete Wissenschaftler Auguste Comte hat nicht nur die Soziologie begründet und diesen Wissenschaftsnamen verbreitet, sondern zugleich wesentlich zur geistigen Fundierung und Stimulierung der modernen Gesellschaft beigetragen. Es gibt kaum einen weiteren Ausspruch, der so treffsicher den programmatischen Kern der Moderne zum Ausdruck bringt wie jener von Comte: „Kurz: Wissenschaft, folglich Voraussicht; Voraussicht, folglich Handeln: so lautet die einfache Formel, die die allgemeine Beziehung zwischen Wissenschaft und praktischem Tun in ihrer allgemeinsten Bedeutung exakt wiedergibt ...“ (Cours II, S. 100f.). Die Menschen müssen sich nicht mehr gottgläubig oder schicksalsergeben überkommenen Glaubensvorstellungen, Weltanschauungen, Herrschaftsund Lebensverhältnissen unterwerfen. Vielmehr können sie durch Entfaltung rationaler Erfahrungswissenschaften und durch deren praktische Verwertung die Lebensverhältnisse bewußt gestalten und aktiv verbessern. Im Zuge dieses Wechsels vom Opfer zum Gestalter der Verhältnisse nimmt nach der Auffassung von Comte die Soziologie eine Schlüsselstellung ein. Als Krönung der Wissenschaften kommt ihr die Aufgabe zu, durch die realitätsorientierte Erforschung des sozio-kulturell bestimmten Zusammenlebens der Menschen das Wissen für den Aufbau einer Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, die möglichst weitgehend ein glückliches Leben ermöglicht. Trotz der massenhaften Vermehrung der Zahl der Soziologen im 20. Jahrhundert ist diese primäre Herausforderung immer mehr verschlafen worden.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Durkheim, Emile (1961): Die Regeln der soziologischen Methode. Neuwied
Durkheim, Emile (1981): Einführung in die Sozialwissenschaft. Eröffnungsvorlesung von 1887–1888. In: ders.: Frühe Schriften zur Begründung der Sozialwissenschaft. Darmstadt und Neuwied: 25–52
Durkheim, Emile (1992): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. Frankfurt a. M.
Tenbruck, Friedrich. H. (1984): Die unbewältigten Sozial Wissenschaften oder Die Abschaffung des Menschen. Graz/Wien/Köln
Baxa, Jakob (1927): Gesellschaftslehre von Platon bis Friedrich Nietzsche. Leipzig
Costa, Ethbin Heinrich (1855): Enzyklopädische Einführung in ein System der Gesellschaftswissenschaft. Wien
Gumplowicz, Ludwig ([1928] 1972): Soziologische Essays. Soziologie und Politik. Innsbruck
Gumplowicz, Ludwig ([1926] 1973): Geschichte der Staatstheorien. Aalen
Masaryk, Thomas Garrigue (1899): Die philosophischen und soziologischen Grundlagen des Marxismus. Wien
Menzel, Adolf (1912): Naturrecht und Soziologie. Wien/Leipzig
Neurath, Otto (1931): Empirische Soziologie. Wien
Schumpeter, Joseph (1915): Vergangenheit und Zukunft der Sozialwissenschaften. München/ Leipzig
Stein, Lorenz von (1842): Der Sozialismus und Kommunismus des heutigen Frankreich. Leipzig
Stein, Lorenz von (1856): System der Staatswissenschaften, Bd. 2: Die Gesellschaftslehre. Stuttgart/Augsburg
Treitschke, Heinrich von ([1859] 1980/1927): Die Gesellschaftswissenschaft. Ein kritischer Versuch. Darmstadt
Zimmermann, Robert (1885): Kant und Comte in ihrem Verhältnis zur Metaphysik. Wien
Barth, P. (1898): Zum 100. Geburtstage Auguste Comte’s. In: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie: 169–189
Brentano, F. (1869): Auguste Comte und die positive Philosophie. In: Chilianeum. Blätter für katholische Wissenschaft, Kunst und Leben, Neue Folge Bd. 2: 15–37
Brütt, M. (1889): Der Positivismus nach seiner ursprünglichen Fassung dargestellt und beurteilt. In: Realgymnasium des Johaneums zu Hamburg. Bericht über das 55. Schuljahr Ostern 1888 bis Ostern 1889. Hamburg: 3–61
Dühring, E. (1869): Kritische Geschichte der Philosophie von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin
Eucken, R. (1887): Zur Würdigung Comte’s und des Positivismus. Leipzig
Fuchs-Heinritz, W. (1998): Auguste Comte. Einführung in Leben und Werk. Opladen/Wiesbaden
Gruber, H. (1889): August Comte, der Begründer des Positivismus. Freiburg i. B.
Gruber, H. (1891): Der Positivismus vom Tode August Comte’s bis auf unsere Tage (1857–1891). Freiburg i.B.
Kirchfeld, J. H. v. (Übersetzer) (1883): Die positive Philosophie von Auguste Comte im Auszuge von Jules Rig. 2 Bände. Heidelberg
Köhnke, K. C. (1986): Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus. Frankfurt a. M.
König, R. (1931): Die Naturalistische Ästhetik in Frankreich und ihre Auflösung. Leipzig.
Laas, E. (1879 ff.): Idealismus und Positivismus. 4 Bände. Berlin
Lilienfeld, P. v. (1873 ff.): Die menschliche Gesellschaft als realer Organismus. Mitau
Schäfer, R. (1972): Friedrich Buchholz — ein vergessener Vorläufer der Soziologie. 2 Bände. Göppingen
Schäffle, A. E. F. (1881): Bau und Leben des socialen Körpers. Tübingen
Twesten, K. (1858): Lehre und Schriften August Comte’s. In: Preußische Jahrbücher: 279–307
Vierkandt, A. (1926): Die Überwindung des Positivismus in der deutschen Soziologie der Gegenwart. In: Jahrbuch für Soziologie. Eine internationale Sammlung. Frankfurt: 66–90
Vorländer, F. (1853): Die Grundzüge der Wissenschaft der Gesellschaft (sociologie) bei Aug. Comte. In: AMfWL: 937–958
Waentig, H. (1894): Auguste Comte und seine Bedeutung für die Entwicklung der Sozialwissenschaften. Leipzig
Aristote (1993): Les politiques. Paris. Aristote (1965): Ethique de Nicomaque. Paris
Aron, Raymond ([1967] 1988): Les étapes de la pensée sociologique. Paris
Comte, Auguste ([1852] 1929): Système de politique positive ou Traité de sociologie, Band 2. Fontenay-aux-Roses
Comte, Auguste ([1839] 1995): Leçons de sociologie, Paris
Grange, Juliette (1997): L’utopie positive. In: Raison Présente, Nr. 121: 69–93
Nisbet, Robert A. ([1966] 1984): La tradition sociologique. Paris
Petit, Annie (1991): La Révolution occidentale selon Auguste Comte: entre l’histoire et l’utopie. In: Revue de Synthèse, Politique et Science, Nr. 1: 21–40
Plé, Bernhard (1996): Die „Welt“ aus den Wissenschaften. Der Positivismus in Frankreich, England und Italien von 1848 bis ins zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Eine wissenssoziologische Studie. Stuttgart
Comte, Auguste (1907–1911): Soziologie, 3 Bde. (Übers. des Cours de philosophie positive Bde. 4, 5, u.6). Leipzig
Comte, Auguste (1967): Système de politique ou Traité de sociologie, institutant la Religion de l’Humanité, 4 Bde. Osnabrück
Lepenies, Wolf (1985): Die drei Kulturen. Soziologie zwischen Literatur und Wissenschaft. München
Lepenies, Wolf (1998): Das abgelehnte Meisterwerk. Von der soziologischen Theorie zur sozialen Bewegung. Zum zweihundertsten Geburtstag von Auguste Comte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 14 vom 17. Januar 1998
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1999 Centaurus Verlag & Media UG
About this chapter
Cite this chapter
Hillmann, KH. (1999). Auguste Comte 1798–1998. In: Schwengel, H., Höpken, B. (eds) Grenzenlose Gesellschaft?. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-862-7_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-862-7_2
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
Print ISBN: 978-3-8255-0290-4
Online ISBN: 978-3-86226-862-7
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)