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Mobbing — Persönlichkeitsverletzung

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Part of the book series: Mannheimer Schriften zur Gesundheitswirtschaft ((MSG,volume 3))

Zusammenfassung

  1. 1.

    Beabsichtigt ein Gericht, bei seiner Entscheidung offenkundige (§ 291 ZPO) oder gerichtskundige Tatsachen zu verwerten, müssen diese in die mündliche Verhandlung eingeführt werden, um den in Art. 103 Abs. 1 GG normierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu sichern.

  2. 2.

    Eine festzustellende Persönlichkeitsrechtsverletzung ist als solche zu behandeln, auch wenn weiterhin festzustellen ist, dass diese nach den Eigenheiten des Betriebs oder Unternehmens „nicht ungewöhnlich“ sei. Auch übliche Persönlichkeitsverletzungen bleiben solche.

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche, die der Kläger wegen „Mobbings“ geltend macht. Der Kläger war als Diplomjurist in der DDR seit 1976 Staatsanwalt. Seit 1993 ist er beim beklagten Land angestellt und wird nach BAT VergGr. II a vergütet. Als stellvertretender Dezernatsleiter war er beim Landeskriminalamt mit der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik in den Bereichen Kriminalitätsanalyse, Kriminalstrategie, Kriminalitätsprävention und Kriminalstatistik befasst. Zudem hat sich der Kläger in der Kriminalforschung engagiert, auch im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben.

Mit Anmerkungen von Prof. Dr. Dr. Siegfried Schwab, Mag. rer. publ., unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin (DH) Silke Schwab und Referendarin Heike Schwab.

„Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. einen oder mehrere Arbeitskollegen. Da „Mobbing“ somit als eigenständige Anspruchsgrundlage, vergleichbar mit einer Rechtsnorm, ausscheidet, erübrigt sich im Ergebnis eine allgemeingültige Definition des Begriffes „Mobbing“, wenn der Arbeitnehmer konkrete Ansprüche geltend macht, Mobbing bedeutet im Bereich des Arbeitslebens das systematische Schikanieren eines ArbN. Es kann vom schlechten Scherz über Drohungen und Intrigen bis hin zum Rufmord reichen, Schaub, Arbeitsrecht, 2004. Dann muss nämlich jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige und vorsätzliche Schädigung i.S.d. § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in denen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen oder seiner Vorgesetzten bzw. seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen jedoch zu einer Vertrags- oder Rechtsgutverletzung führt, weil deren Zusammenfassung auf Grund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. § 3 Abs. 3 AGG definiert den Begriff der „Belästigung“, welche eine verbotene Benachteiligung i.S.d. §§ 1, 2 AGG darstellt. Danach ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Mit dieser Definition des Begriffes „Belästigung“ hat der Gesetzgeber letztlich auch den Begriff des „Mobbing“ umschrieben, soweit dieses seine Ursachen in der Rasse, der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, im Alter oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG) des Belästigten hat, Bauer/Göpfert/Krieger, AGG § 3 RN 46; Preis, in ErfK, § 611 BGB RN 768a. Benecke, Mobbing — Persönlichkeitsschutz und Haftung des Arbeitgebers — Zugleich Besprechung zum Urteil BAG v. 16.05.2007 — 8 AZR 709/06, RdA 2008, 357 — das Wesen des Mobbings wird konkretisiert durch belastendes, quälendes und verletzendes vor allem andauerndes Handeln. Während einzelne Verletzungshandlungen irgendwann vergessen werden, geht das typische Mobbingopfer jeden Tag mit der Furcht vor weiteren Schikanen zur Arbeit. Daher funktioniert Mobbing besonders im Arbeitsverhältnis, wo die Faktoren Dauerschuldverhältnis, Abhängigkeit und große zeitliche und wirtschaftliche Bedeutung zusammenkommen. Die als Mobbing bezeichneten Vorkommnisse müssen also dem Arbeitgeber grundsätzlich positiv bekannt sein, Benecke, NZA-RR 2003, 225; der ArbG hat keine allgemeine Vertragspflicht, Vertragspflicht trifft, den Umgang der Mitarbeiter untereinander zu überwachen. Schuldhaftes „Kennenmüssen“ ist deshalb nur in Ausnahmefällen denkbar.

BAG, Urteil vom 28.10.2010 — 8 AZR 546/09, ArbRAktuell 2011, 168 = BeckRS 2011, 69020, mit Anm. Geißler, ArbRAktuell 2011, 315877 = ArbRAktuell 2011, 168 — Die mit teilweise ausführlichen „Mobbing-Tagebüchern“ konfrontierte Praxis wird sich aber darauf einzustellen haben, dass jedes einzelne darin aufgeführte Geschehen im Rahmen der stets vorzunehmenden Gesamtbeurteilung ausschlaggebend und wichtig sein kann. Bemerkenswert ist die Sensibilität, die bei der Beurteilung von von Dritten wahrnehmbarer Kritik an den Tag gelegt wird. Führt ein schuldhaftes dienstliches Verhalten eines Vorgesetzten dazu, das ein ihm unterstellter Mitarbeiter psychisch erkrankt, so hat der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld), wenn sich der Arbeitgeber des Vorgesetzten als Erfüllungsgehilfen bedient, BAG, NZA 2008, 223 = DB 2008, 529. Der Arbeitgeber haftet nach § 278 BGB für Schäden, die einer seiner Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass ihn sein Vorgesetzter schuldhaft in seinen Rechten verletzt, BAG, Urteil vom 25.10.2007 — 8 AZR 593/06, Gehlhaar, § 12 Abs. 3 AGG und der Anspruch des belästigten Arbeitnehmers auf Ergreifung (bestimmter?) Schutzmaßnahmen, NZA 2009, 825. Das BAG hat in seinem mehrfach in der Literatur, Schrader, AiB 2008, 439; Müller-Mundt, ArbRB 2008, 103; Andreas, ArztR 2008, 325; Giesecke, AuA 2008, 436 auch bereits im Hinblick auf verschiedene dogmatische wie rechtspraktische Weise besprochenen Urteil aus dieser gesetzlichen Reaktionspflicht des Arbeitgebers bekanntlich einen einklagbaren Anspruch des benachteiligten Arbeitnehmers abgeleitet. der Arbeitgeber die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Vorgesetzte, Mitarbeiter oder Dritte, auf die er Einfluss hat, zu schützen und ihnen einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Diese allgemeine, aus § 242 BGB hergeleitete Verpflichtung hatte der Gesetzgeber für den Fall der sexuellen Belästigung bereits früher in § 3 Abs. 2 BeschSchG klargestellt und in § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeschSchG näher konkretisiert. Mit Erlass des AGG ist diese Pflicht schließlich auf Benachteiligungen aus den in § 1 Abs. 1 AGG genannten Gründen erweitert und in § 12 Abs. 3 AGG weiter konkretisiert worden. In der Sache kann der betreffende Arbeitnehmer zwar „in der Regel“ nicht die Ergreifung bestimmter Schutzmaßnahmen — also etwa die Kündigung des Belästigers — verlangen. Vielmehr steht dem Arbeitgeber insoweit ein Ermessensspielraum zu. Die von ihm ergriffenen Maßnahmen müssen allerdings geeignet sein, das belästigende Verhalten zu beenden.

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Deickert, F., Maier, B., Schwab, S. (2012). Mobbing — Persönlichkeitsverletzung. In: Deickert, F., Maier, B., Schwab, S. (eds) Erfolgsfaktor Strategisches Management, Controlling und Personal. Mannheimer Schriften zur Gesundheitswirtschaft, vol 3. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-855-9_15

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  • Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim

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