Zusammenfassung
In dem vorhergehenden Kapitel werden zwei Differenzen zwischen Undergraduate- und Graduate-Studium herausgestellt: Zum einen werden von den Interviewten die zu bearbeitenden physikalischen Aufgabenstellungen für die Zeit des Undergraduate-Studiums als analytische mit bekannten Lösungen beschrieben, während zu bewältigende Aufgabenstellungen in der Phase des Graduate-Studiums demgegenüber ein „offenes Ende” hätten und unvorhersehbare Forschungsergebnisse lieferten; zum anderen ordne ich dem Undergraduate-Studium eine formale Ausbildungsstruktur zu, während ich das Promotionsstudium als informell strukturiert charakterisiere. In diesem Kapitel betrachte ich nun die Charakteristika des Promotionsstudiums eingehender, von folgender Frage ausgehend: Welche soziale Struktur liegt dieser Ausbildungsphase zugrunde, die gleichzeitig eine informelle Ausbildung und ergebnisoffene Forschungsprojekte von Promovierenden in der Physik ermöglicht? Zur Beantwortung dieser Frage orientiere ich mich für die Analyse der Interviews an der Vorstellung, die Physik als ‘Zunft’ zu verstehen. In Abschnitt 5.1 umreiße ich kurz die Konzepte der ‘Lehrzeit’ und der ‘Zunft’, um daran anschließend in Abschnitt 5.2 die Regeln der Zunft an der Waterside University anhand des erhobenen Materials zu rekonstruieren. Hier werden verschiedene Aspekte dieses Konzepts behandelt: Aussagen zum Empfehlungssystem in der Physik; zum Lehren, Lernen und Forschen; zu persönlichen Beziehungen zwischen Promovierenden und ihren Betreuerinnen; zur Finanzierung der Promotion und schließlich Aussagen über den Prozess des Promovierens anhand der Zuordnung zu verschiedenen Phasen dieses Prozesses.
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Literatur
Rudolph (1994) hat aus der theoretischen Perspektive der Diskursanalyse Gespräche zwischen Promovierenden und ihren Betreuerinnen untersucht, in denen der Fortgang der Dissertation diskutiert und verhandelt worden ist. Auch sie geht davon aus, dass die Beziehung zwischen Promovierenden und Betreuerinnen als Lehrzeit anzusehen ist. Sie hebt vor dem Hintergrund dieses Verständnisses hervor, wie wichtig die gegenseitige, persönliche Sympathie von Promovierenden und ihren Betreuerinnen sei.
Auch Graves (1989, 54ff.) unterscheidet zwischen Beginn und Ende der Lehrzeit drei Phasen, die durch ein unterschiedliches Maß an sozialer Kontrolle und durch unterschiedliche Aufgaben gekennzeichnet sind. In der ersten Phase finde die Rekrutierung statt; Beziehungen zwischen Lehrling und anderen in der Profession würden festgelegt, diese bestimmten i. d. R. den weiteren Verlaufder Lehrzeit. Für die zweite Phase konstatiert Graves ein hohes Ausmaß an sozialer Kontrolle und intensiver Sozialisation. Die dritte Phase sei durch den Übergang vom Status der oder des Auszubildenden zu einem Status, in dem erreichte Fähigkeiten demonstriert und konsolidiert würden, gekennzeichnet.
Auch Star u. Griesmer (1989, 396) werten wissenschaftliche Publikationen als Grenzobjekte.
Vgl. z. B. die Studie von Bailyn (1987) über männliche und weibliche Ingenieurinnen.
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Lucht, P. (2004). Physik als Zunft. In: Zur Herstellung epistemischer Autorität. Soziologische Studien, vol 30. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-505-3_5
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Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
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