Dichtung und Komposition für eine unausgeglichene Welt

Zusammenfassung

Der Titel meines Referates lautet Dichtung und Komposition für eine unausgeglichene Welt — Politische Wirklichkeiten bei Siegfried Wagner. Was ich hier unter politischen Wirklichkeiten verstehe, möchte ich gleich zu Anfang erklären, urn dabei zwei nahe liegenden Missverständnissen entgegen zu wirken. Erstens soll hier nicht die Rede davon sein, inwiefern sich bei Siegfried Wagner die Politik seiner Lebenszeit, sei es in Form von einzelnen Persönlichkeiten oder übergreifenden Strömungen, niederschlägt. Zweitens geht es mir nicht darum, sein Werk auf unsere heutigen politischen Situationen abzubilden. Mein Ziel ist es, hier ein Hauptanliegen Siegfried Wagners aufzuzeigen, das sich durch sein ganzes künstlerisches Schaffen zieht. Parallelen zum Zeitgeschehen sind dabei in den meisten Fällen zweitrangig gegenüber dem, was ich als eine zentrale Botschaft bezeichnen möchte. Das künstlerische Mittel, diese Botschaft zu verdeutlichen, besteht nun in dramaturgischer Hinsicht wesentlich aus dem Verhältnis seiner Bühnenfiguren zu ihrem politischen Umfeld. Politische Wirklichkeiten sind also die zur Zeit der Opernhandlung herrschenden staatlichen und kirchlichen Machtverhältnisse. Wirft man einen Blick auf seine achtzehn Operndichtungen, so fällt auf, dass fünfzehn von ihnen zeitlich und örtlich festgelegt sind, teilweise sogar ausgesprochen genau, zum Beispiel Der Schmied von Marienburg und Rainulf und Adelasia mit jeweils exakter Jahreszahl und Ortsangabe. Eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Opern, nämlich lediglich drei, bleibt in dieser Hinsicht unbestimmt oder bedarf der Interpretation, wie zum Beispiel Das Flüchlein, das Jeder mitbekam mit der ungewöhnlichen Schauplatzangabe „unserer Märchenwelt.“