Zusammenfassung
Um den Charakter der Philosophie von Gabriel Marcel besser zu verstehen, sollte man einen Rückblick auf seine Biographie werfen. Marcel ist 1889 in Paris geboren. Seine jüdische Mutter ist gestorben als er vier Jahre alt war. Sein Vater heiratete später noch einmal und die Stiefmutter übernahm die Erziehung des Jungen. Beide Elternteile waren Agnostiker und haben sich mit den Fragen des Glaubens niemals beschäftigt. Marcel fühlte sich als Einzelkind sehr einsam. Zu seinen Eltern hatte er kein enges Verhältnis. Sie setzten ihn unter starken Leistungsdruck. Marcel versuchte, ihren Erwartungen gerecht zu werden. Trotz guter Schulleistungen war die Institution der Schule für ihn ein herzloser Apparat der Tyrannei, der die Individualität und Einzigartigkeit des Menschen zu unterdrücken versucht. Der frühe Tod seiner Mutter und die Erfahrung der unmenschlichen Schule waren zwei Kindheitserlebnisse, die sein ganzes späteres Leben und sein philosophisches Denken stark beeinflusst haben. Marcels Dialogphilosophie, die er selbst als Hinwendung zum Du verstand, ist der Ausdruck seiner Sehnsucht nach der Mutter, die von ihm gegangen ist und nach Geschwistern, die er nie hatte. Sie ist ein verzweifelter Schrei eines einsamen Menschen, der sich nach einem anderen Menschen sehnt.
“Du fühlst dich in der Enge. Du träumst von der Flucht. Aber hüte dich vor den Trugbildern. Wenn du dir entgehen willst, darfst nicht rennen, dich nicht fliehen wollen: erforsche lieber diesen engen Raum, der dir gegeben ist: du wirst Gott darin finden und alles. Gott schwimmt nicht an deinem Horizont, er schläft in deiner Enge. Die Eitelkeit rennt, die Liebe ergründet. Wenn du aus dir selber fliehst, wird dein Gefängnis dir folgen und sich noch enger um dich schließen: wenn du dich in dich selbst versenkst, wird es sich zum Paradiese ausweiten“.647
Chapter PDF
Rights and permissions
Copyright information
© 2010 Centaurus Verlag & Media UG
About this chapter
Cite this chapter
Wojcieszuk, M.A. (2010). Das Dialogverhältnis als Voraussetzung für das Selbstverhältnis in der Philosophie von Gabriel Marcel. In: „Der Mensch wird am du zum Ich“. Reihe Philosophie, vol 34. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-336-3_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-336-3_5
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
Print ISBN: 978-3-86226-012-6
Online ISBN: 978-3-86226-336-3
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)