Zusammenfassung
In diesem Kapitel geht es darum, die Überlegungen zum Thema Zukunft und Identität zu integrieren mit dem Ziel, die theoretische Ausgangsbasis für eine empirische Studie zur Exploration der einzelnen Modellannahmen zu schaffen. Die Modellbildung bezieht sich insbesondere auf die Diskursstränge, die bisher schon im Zentrum meiner Darstellung standen, nämlich auf Überlegungen zu der Frage nach den identitätsstrategischen Konsequenzen einer gesellschaftlichen Situation, in der dem Subjekt nach wie vor zugemutet wird, sich kohärent zu erleben und zu erzählen, in dem aber die sozialen Modelle dafür immer weniger integrationsmächtig sind. Zwei Konzepte werden eingeführt bzw. zum erstenmal ausführlicher diskutiert. Das ist zum einen das Konzept einer Identität als Projekt (Harré, 1983). In diesem Konzept sind insbesondere ein prozessuales Verständnis von Identität und der Gedanke der Zukunftsorientierung dieses Prozesses gefaßt. Zum anderen diskutiere ich das Konzept der narrativen Identität, wie es in der narrativen Psychologie entwickelt worden ist (Sarbin, 1986; Ricoeur, 1989; Meuter, 1995). Die Grundüberlegung dieses Konzeptes ist, daß die Prozeßziele der Kohärenz und Kontinuität in der Identitätsbildung mit dem Mittel der Selbst-Narration erreicht werden. Narrative Identität kann verstanden werden als “die Einheit des Lebens einer Person, so wie sie erfahren und artikuliert wird in den Geschichten, die diese Erfahrung ausdrücken” (Widdershoven, 1993, S. 7).
Die Moderne bedeutet für das Leben des Menschen einen riesigen Schritt weg vom Schicksal hin zur freien Entscheidung … Aufs Ganze gesehen gilt…, daß das Individuum unter den Bedingungen des modernen Pluralismus nicht nur auswählen kann, sondern daß es auswählen muß. Da es immer weniger Selbstverständlichkeiten gibt, kann der Einzelne nicht mehr auf fest etablierte Verhaltensund Denkmuster zurückgreifen, sondern muß sich nolens volens für die eine oder andere Möglichkeit entscheiden. … Sein Leben wird ebenso zu einem Projekt — genauer, zu einer Serie von Projekten — wie seine Weltanschauung und seine Identität. (Berger, 1994, S. 95)
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Centaurus Verlag & Media UG
About this chapter
Cite this chapter
Kraus, W. (2000). Spätmoderne Identitätsprojekte als narrative Konstruktionen von Identität: Ein Modell. In: Das erzählte Selbst. Münchner Studien zur Kultur- und Sozialpsychologie, vol 8. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-318-9_7
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-318-9_7
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
Print ISBN: 978-3-8255-0121-1
Online ISBN: 978-3-86226-318-9
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)