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Das Gottesvolk in der Wildnis. Vom Ursprung des politischen Messianismus in den USA

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Amerika — Das andere Gesicht Europas?

Part of the book series: Transatlantik, Afrika · Lateinamerika ((TAL))

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Zusammenfassung

1. Im „Kolumbusjahr“ 1992 wird die Frage nach der Bedeutung der „Entdeckung“ des Kontinents für die „alte“ wie die „neue Welt“ von den Bewohnern Süd-, Mittel- und Nordamerikas sehr unterschiedlich beantwortet. Selbst in den nach Sprache, Kultur und Wirtschaftsweise in vielem so ähnlichen Staaten Nordamerikas — in den USA und in Kanada — wird das historische Ereignis in sehr verschiedener Weise mit der Gegenwart in Beziehung gesetzt.1 In Quebec und Montreal wird es weniger leicht fallen als in Columbus/Ohio, an eine die WASP-Tradition (White Anglo-Saxon Protestants) beherrschende mythologisch-heilsgeschichtliche Interpretation anzuknüpfen, wonach erst die „Entdeckung“ des amerikanischen Kontinents das Tor zu Freiheit und Fortschritt für die Menschheit schlechthin eröffnet habe. Im Zeichen des vorrückenden „Multikulturalismus“ oder (nach Arthur Schlesinger) „Kulturseparatismus“ kann auch in den USA nicht mehr wie vor hundert Jahren mit der ungebrochenen Geltung dieser Tradition gerechnet werden, wenngleich die Präsidenten des Landes bis hin zu Bush sie bei hervorgehobenen Gelegenheiten immer wieder zitiert und variiert haben.2 Dennoch kann die tiefe Verwurzelung der Idee einer besonderen „amerikanischen Bestimmung“ und ihre Bedeutung für den nationalen Zusammenhalt kaum unterschätzt werden. Das gilt selbst für jene Schichten und Gruppen des amerikanischen Volkes, die nach Herkunft, kollektiver Erfahrung und gegenwärtiger Stellung in der Gesellschaft wenig prädestiniert erscheinen, den mit diesem Weltbild einhergehenden Verheißungen sonderlichen Glauben zu schenken.

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Anmerkungen

  1. Der vorliegende Text erschien zuerst in „Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft“ 20 (1992), S.252ff. — Zu den Unterschieden der politischen Kultur allgemein zwischen den USA und Kanada vgl. Seymour Martin Lipset, Continental Divide. The Values and Institutions of the United States and Canada. New York, London 1990 sowie die Analyse des kanadischen Amerikanisten Sacvan Bercovitch, Konsens und Anarchie — die Funktion der Rhetorik für die amerikanische Identität, in: Frank Unger, Hrsg.: Amerikanischen Mythen. Zur inneren Verfassung der Vereinigten Staaten. Frankfurt, New York 1988, S. 16–43

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  2. Siehe dazu Dante Germino, The Inaugural Addresses of the American Presidents: The Public Philosophy and Rhetoric. Lanham, MD und London 1984. — Bushs Antrittsrede: Congressional Quarterly, Jan.21, 1989, S.142f. — Zum Stand der Auseinandersetzung mit Kolumbus in den USA: Jürgen Koar, Der Entdecker am Pranger. Kolumbus ist im Jubiläumsjahr in den Vereinigten Staaten umstrittener denn je, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 15.2.92; E. Wehrmann, Weg mit der weißen Kultur! Fünfhundert Jahre nach Columbus begehren die Opfer auf, in: Die Zeit, Nr. 11, 6.3.92, S.56

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  3. Herman Melville, White Jacket or The World in a Man-of-War. Edited with an Introduction by A.R. Humphreys, London 1966, S.XI und 391.

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  4. Zur Unterscheidung der erwähnten Begriffe vgl. Ursula Brumm, Die religiöse Typologie im amerikanischen Denken. Ihre Bedeutung für die amerikanische Literatur- und Geistesgeschichte. Leiden 1963, S. 6ff.; auch Bercovitch (Anm.1), S. 17ff. (S. 24 der Hinweis auf die zitierte Passage aus Melville). — Zur Beeinflussung Melvilles durch ein Hauptwerk puritanischer Geschichtsschreibung, Cotton Mathers „Magnalia Christi Americana“ (1702, Anm.7) vgl. Brumm, S. 145f.

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  5. Ich zitiere nach der folgenden Ausgabe: Cotton Mather, Magnalia Christi Americana or The Ecclesiastical History of New England, edited and abridged by Raymond J. Cunningham. New York 1970, S. 15f. — Edward Johnson, Wonder-Working Providence of Sions Saviour. Being a Relation of the First Plantation in New England, in the Yeare, 1628, ed. by J. F. Jameson. New York 1910; Auszüge in Perry Miller, Thomas H. Johnson, eds.: The Puritans. A Sourcebook of Their Writings (1938), New York 1963, S. 143ff.

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  6. Georg Kamphausen, Hüter des Gewissens? Zum Einfluß sozialwissenschaftlichen Denkens in Theologie und Kirche. Berlin 1986, S. 83ff.

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  7. Vgl. dazu den Abschnitt „Utopia/Millenium“ in Sacvan Bercovitch, The Puritan Origins of the American Self. New Haven und London 1975, S. 137ff. Umfassender zur Wechselwirkung europäischer Weltbilder und der frühen Entdeckungen: Edmundo O’Gorman: The Invention of America. An Inquiry into the Historical Nature of the New World and the Meaning of Its History. Bloomington, Ind. 1961; Howard Mumford Jones, O Strange New World. New York 1964; F. Chiapelli, ed.: First Images of America: The Impact of the New World on the Old. 2 Bde., Berkeley 1976

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  8. William Bradford, History of Plymouth Plantation, ed. by Worthington C. Ford. Boston 1912, zitiert nach den Auszügen in Miller, Johnson (Anm.7), S. 91ff., hier S. 100f.

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  13. Gemessen an der Bedeutung des Themas ist die Literatur zum „Manifest Destiny“ eher bescheiden zu nennen. Die wichtigsten Titel scheinen zu sein: A.K. Weinberg, Manifest Destiny. A Study of Nationalist Expansionism in American History (1935), Chicago 1963; E. McNall Burns, The American Idea of Mission. Concepts of National Purpose and Destiny. New Brunswick, N.J. 1957; F. Merck, Manifest Destiny and Mission in American History. New York 1963; Ernest Tuveson, Redeemer Nation. Chicago 1968

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  14. Siehe dazu Paul C. Nagel, This Sacred Trust. American Nationality 1798–1898. Westport, Conn. 1971; enger auf die geistesgeschichtliche Tradition des Puritanismus bezogen: Sacvan Bercovitch, The American Jeremiad. Madison, Wisconsin 1978.

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  15. Neben der klassischen Arbeit Max Webers zur „protestantischen Ethik“ vgl. zu diesen letzten Abschnitten v.a. Bercovitch (Anm.9 und Anm.27); Perry Miller, Errand into the Wilderness. Cambridge, Mass. 1956; Ralph B. Perry, Puritanism and Democracy. New York 1944; Max Lerner, Amerika. Wesen und Werden einer Kultur. dtsch. Frankfurt 1960; Daniel J. Boorstin, The Americans. The Colonial Experience. 9.Aufl. New York 1968

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  16. So schon in den Freibriefen für Virginia von 1606: es geht um ein gutes Werk, das „die christliche Religion bei all denen verbreitet, die jetzt noch in Finsternis und jammervoller Unkenntnis Gottes leben“ und das „die Ungläubigen und Wilden, die jene Landesteile bevölkern, zur rechten Zeit der menschlichen Zivilisation und einer gefestigten und friedlichen Ordnung zuführen möge“. Zit. nach Roy H. Pearce, Rot und Weiß. Die Erfindung des Indianers durch die Zivilisation. Stuttgart 1991, S.29 (die amerikanische Erstausgabe erschien Baltimore 1953, eine erweiterte Neuauflage in Berkeley 1988)

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  17. Zu Jeffersons Naturbegriff siehe Garry Wills, Inventing America. Jefferson’s Declaration of Independence, New York 1978, S. 91ff, 361ff. Zur Fusion eines romantischen Naturalismus und puritanischer Hermeneutik bei Emerson, Thoreau, Whitmann und anderen siehe Bercovitch (Anm.9), S.148ff. Vgl. auch James O. Robertson, American Myth, American Reality, New York 1980, S. 113ff. — Für Whitman könnte man übrigens mit einer gewissen Berechtigung behaupten, daß er in den „Leaves of Grass“ auch den „Dschungel der Städte“, den Reiz „moderner“ Agglomerationen zum Thema gemacht habe, was Lorca (Oda to Walt Whitman) deutlicher als andere herausgefühlt hat.

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  18. William Pfaff, Barbarian Sentiments. How the American Century Ends. New York 1989. Deutsch: Die Gefühle der Barbaren. Über das Ende des amerikanischen Jahrhunderts. Frankfurt a.M. 1989

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  19. Frederick Jackson Turner, The Significance of the Frontier in American History (1893), in: George R. Taylor, ed.: The Turner Thesis Concerning the Role of the Frontier in American History, revised edition Boston 1956, S. 1–18. — Den vielfältigen ideologischen wie realhistorischen Aspekten der Frontier geht Richard Slotkin in den beiden Werken nach: Regeneration Through Violence: The Mythology of the American Frontier, 1660–1860. New York 1973 und The Fatal Environment. The Myth of the Frontier in the Age of Industrialization, 1800–1890. New York 1985

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  20. Leslie A. Fiedler, The Return of the Vanishing American. New York, Toronto 1968, S. 42ff. (zu Shakespeare); James H. Merrell, Declarations of Independence: Indian-White Relations in the New Nation, in: Greene (Anm.23), S. 197–223, hier S. 198f.

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  21. Pearce (Anm.32), S. 188ff. Urs Bitterli, Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“ Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung. 2. Aufl. München 1991, S. 367ff.

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  22. Pearce (Anm.32), S. 103, 210; Kilian (Anm.22), S. 182f; Heide Gerstenberger, Zur politischen Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft. Die Bedingungen ihrer Konstitution in den USA. Frankfurt a.M. 1973, S. 161ff.

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  24. Herman Melville, Moby Dick. Zürich 1977, S. 87

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Kreutzberger, W. (1996). Das Gottesvolk in der Wildnis. Vom Ursprung des politischen Messianismus in den USA. In: Füllberg-Stolberg, C., Görling, R. (eds) Amerika — Das andere Gesicht Europas?. Transatlantik, Afrika · Lateinamerika. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-283-0_6

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