Auszug
Mit dem Ausdruck ‚Quellen des Selbst ‘hat es das Missliche, dass man sich auf einen Autor beziehen muss, dessen Werk zu dem damit angesprochenen Thema wenig hergibt. Es ist Charles Taylor, dem man das Verdienst zusprechen muss, diesen Terminus geprägt und die damit aufgeworfene Frage gestellt zu haben. In seinem Buch Sources of the Self. The Making of Modern Identity (1989) versteht Taylor unter Selbst oder Identität die handlungsfähige Person, engl. agent. Für die Herausbildung der entsprechenden psychischen Konstitution benennt er nun Quellen, von denen aber nicht klar ist, ob sie Ressourcen zur Erklärung des handlungsfähigen Subjektes sind oder Ressourcen, aus denen das handlungsfähige Subjekt schöpft, um sein Handeln zu motivieren und zu stabilisieren. Zentral ist jedenfalls für Taylors Konzept der modernen Identität die interesselose und handlungsentlastete Vernunft, engl. disengaged reason. Nun ist seit Sokrates klar, dass eigentliches Handeln Distanz verlangt, und vernünftiges Handeln die Fähigkeit zu desengagiertem Abwägen voraussetzt. Nur ist das Subjekt, dass sich so konstituiert, die inhaltslose Instanz des Selbstbewusstseins, der Mann ohne Eigenschaften. Taylors Untersuchungen geben deshalb für die Frage, wie sich das Subjekt aus bestimmten inhaltlichen Hintergründen speist, was es im Akt der Selbstbesinnung als sich zugehörig auffindet, nichts her.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Böhme, Gernot. Leibsein als Aufgabe. Leibphilosophie in pragmatischer Hinsicht. Kusterdingen: Die Graue Edition, 2003.
Buck, Theo. Muttersprache, Mördersprache. Celan-Studien I. Aachen: Rimbaud Verlagsgesellschaft, 1993.
Celan, Paul. Gesammelte Werke in ßnf Bänden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1986.
Drawert, Kurt. „Die Lust zu verschwinden im Körper der Texte.“ Minima Poética. Für eine Poetik des zeitgenössischen Gedichts. Hg. Joachim Sartorius. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003. 169–178.
Engelhardt, Michael von. „Sprache und Identität. Zur Selbstdarstellung und Selbstsuche im autobiographischen Erzählen.“ Sprache. Hg. Henning Kößler. Erlangen: ÜB ErlangenNürnberg, 1990.
Herder, Johann Gottfried. Sprachphilosophische Schriften. Hamburg: Meiner, 1960.
Humboldt, Wilhelm von. „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts.“ Werke, III. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1963. 368–756.
Kristeva, Julia. Fremde sind wir uns selbst. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1990.
Özdamar, Emine Sevgi. Mutterzunge. Berlin: Rotbuch, 1990.
Sartre, Jean-Paul. Die Wörter. Reinbek: Rowohlt, 1965.
Taylor, Charles. Sources of the Self. The Making of Modern Identity. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1989. Übers. Charles Taylor. Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1994.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2007 Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Böhme, G. (2007). Sprache als Quelle des Selbst. In: Magerski, C., Savage, R., Weller, C. (eds) Moderne begreifen. DUV. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9676-9_13
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9676-9_13
Publisher Name: DUV
Print ISBN: 978-3-8350-6071-5
Online ISBN: 978-3-8350-9676-9
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)