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Dimensionen biographischer Sicherheitskonstruktionen

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Biographische Sicherheit im Wandel?
  • 295 Accesses

Auszug

Nach den eher allgemeinen Überlegungen zu Sicherheit, Biographie und biographischer Sicherheit soll nun darüber nachgedacht werden, welche konkreten Analyseebenen zu berücksichtigen sind. Die hier entwickelte analytische Differenzierung diente als heuristischer Rahmen, der vor dem Kontakt mit dem empirischen Feld expliziert wurde. Er floss insbesondere in den Interviewleitfaden ein. Diese konzeptionelle Basis stellt keinen Entwurf gehaltvoller Hypothesen dar, sondern ist als „sensibilisierendes Konzept“ mit einem hohen Allgemeinheitsgrad zu verstehen (Kelle/Kluge, 1999: 25ff). Das Einbringen von theoretischem Vorwissen wird als notwendig erachtet, da es hilft, relevante Daten und Zusammenhänge zu erkennen und in theoretischen Begriffen zu reflektieren. Das soll nicht bedeuten, dass den Daten die eigenen Konzepte aufgezwungen werden. Vielmehr stattet das theoretische Vorwissen, so auch Kluge, „den Forscher oder die Forscherin mit der notwendigen ‚Brille’ aus, durch welche die soziologischen Konturen empirischer Phänomene erst sichtbar werden, bzw. mit einem Raster, in welches Daten eingeordnet erst eine soziologische Bedeutung erhalten“ (Kluge/Kelle, 1999:98).

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Literatur

  1. Vgl. zum homo oeconomicus z.B. Esser, 1990 oder Becker, 1993, zum homo sociologicus z.B. Parsons, 1937 oder Dahrendorf, 1965.

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  2. Simmel gehört — neben Durkheim — zu den ersten Soziologen, die systematisch versucht haben, Emotionen zur Erklärung menschlichen Handelns mit einzubeziehen. Er beschreibt Emotionen z.B. in seinen Ausführungen zur „Kreuzung sozialer Kreise“ und im Kapitel „Der Streit“ (vgl. Simmel, [1908] 1989). Auch die Soziologie Elias’ erklärt intensive Gefühle wie Scham und Angst samt affektueller Selbstkontrolle zu unentbehrlichen Fundamenten unserer Gesellschaft und schreibt damit sowohl den Emotionen als auch ihrem Management eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Elias, 1997).

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  3. Vgl. zu dieser Form der Unterscheidung auch Nuissl, 2002.

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  4. Simmel versuchte als einer der ersten Soziologen ein Phänomen unter gleichzeitigem Bedenken der sozialen, kognitiven und emotionalen Anteile zu analysieren und dabei Mechanismen zu beschreiben, die diese Aspekte verbinden (vgl. Simmel, 1983).

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  5. Auch Meier-Seethaler verweist darauf, dass es keine prinzipielle Trennung zwischen Emotionen und Kognitionen gibt. Denn beide Prozesse sind eng verkoppelt und aufeinander angewiesen, wobei aber durchaus unterschiedliche Gewichtungen der einzelnen Komponenten auftreten (vgl. Meier-Seethaler, 1998: 182).

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  6. Eine Prämisse von Emotionen ist, dass sie nicht so beschrieben werden können, wie sie gefühlt werden. Die einzige Möglichkeit, sie zu erfassen, besteht in der Analyse von Texten, in denen Gefühle thematisiert werden. Dabei handelt es sich aber immer um „vermittelte Daten“, weil die Gefühle vorher kognitiv gefasst werden müssen. Laucken unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Lebens-Gefühlen und Geistes-Gefühlen (vgl. Laucken, 1989). In dieser Untersuchung können nur Letztere untersucht werden.

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  7. Es bleibt anzumerken, dass es für den Begriff der Emotion keine allgemein anerkannte Definition gibt (vgl. Zimbardo, 1983: 380).

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  8. Kemper unterscheidet zwischen drei Emotionsklassen, den strukturellen, den antizipatorischen und den folgernden Emotionen. Strukturelle Emotionen ergeben sich nach ihm aufgrund relativ stabiler Macht-und Statusbeziehungen (vgl. Kemper, 1978: 70f). Folgernde Emotionen gehen aus Beziehungsveränderungen hervor (vgl. ebd., 81). Für unsere Untersuchung sind die antizipatorischen Gefühle von Bedeutung, denn sie ermöglichen eine Einschätzung der Zukunft (vgl. ebd., 72ff). In antizipatorische Gefühlen, so Kemper, fließen sowohl eigene vergangene Erfahrungen mit ein als auch die Wahrnehmung gegenwärtiger Situationsbedingungen (vgl. auch weiterführende Überlegungen von Mittelstaedt, 1998: 33).

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  9. Vgl. hierzu auch von Griessenbeck, 1997: 41.

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  10. Vgl. z.B. Gerhards, 1988, Schmidt-Atzert, 1996: 186ff, Meier-Seethaler, 1998: 293ff.

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  11. Um die strukturierende Wirkung von Emotionen zu verdeutlichen, einige Beispiele: Sowohl eine zwanzigjährige Liebesgeschichte, als auch eine andauernde Geschwisterrivalität, aber auch tiefsitzende emotionale Kindheitserlebnisse können unsere Erfahrung auf Jahre strukturieren (vgl. Solomon, 1981:241).

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  12. Zur Erläuterung der Differenz zwischen Kognitionen und Emotionen greift Gerhards auf die „pattern variables“ von Parsons zurück (vgl. Parsons, 1937). Emotionen implizieren nach Gerhards eine diffuse Orientierung, eine eher ganzheitliche Betrachtung, indem beispielsweise eine Person als Gesamtperson wahrgenommen wird, unabhängig von spezifischen Eigenschaften. Kognitionen dagegen sind spezifisch. Ihre symbolische Vermitteltheit bedingt es, dass zu einem Zeitpunkt nur jeweils Teilaspekte des Ganzen in den Blick genommen werden können (vgl. Gerhards, 1988: 82). Der simultane Charakter emotionaler Konstruktionen ermöglicht die Erfassung der Welt mit hoher Geschwindigkeit bei geringer Tiefenschärfe, während Kognitionen einen sehr konkretes Bild erzeugen, das allerdings nur Teile erfassen kann (vgl. ebd.). Symbolisch vermittelte Kognitionen schaffen gerade durch die Zwischenschaltung von Symbolen eine Distanz zu den Objekten und ermöglichen damit eine eher universelle, abstrakte Orientierung, während sich Emotionen an spezifische Objekte und Personen haften und insofern als partikular bezeichnet werden können (vgl. ebd., 85). Die letzte Dimension Gerhards: Qualität und Performanz — eine Variante der Achse ascription/ achievement — lässt sich auf unsere Kategorien beziehen, indem Emotionen als qualitativ strukturiert beschrieben werden. „Sie werden erlitten; sie sind dem Subjekt, wenn es sie empfindet, zugeschrieben“ (ebd., 86). Kognitionen hingegen bezeichnet Gerhards als offene und freie Formen der Weltaneignung. „Sie werden nicht erlitten, sondern aktiv angewandt, moduliert, transformiert und geändert. (...) In diesem Sinne kann man Emotionen als Form des Erlebens beschreiben, Kognitionen als Modus des Handelns“, (ebd.).

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  13. Soziale Einflüsse können nach ihrer Stärke differenziert werden. Dieser Sachverhalt lässt sich mit der konzeptionellen Unterscheidung zwischen einem eher lockeren oder losen und einem eher strikten oder dichten Charakter sozialer Einflussnahme beschreiben. Während lose Phänomene Verhaltensvariationen zulassen, wird bei dichten Vorgaben Verhaltenskonformität angestrebt und Abweichungen werden negativ sanktioniert. Vgl. in diesem Zusammenhang auch eine ähnliche Unterscheidung von Dahrendorf (1965) zwischen Muss-, Soll-und Kann-Erwartungen.

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  14. Er definiert Macht in Anlehnung an Weber (vgl. Weber, 1972). Status — in Abgrenzung zur Macht — impliziert nach ihm die Freiwilligkeit, sich an den Wünschen des anderen zu orientieren (vgl. Kemper, 1978: 29).

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  15. Hierzu auch Schütz und Luckmann: „Die in einer Gesellschaft bzw. relativ-natürlichen Weltanschauung vorherrschenden und relevanten Erfahrungsschemata sind in der Gliederung der Sprache in semantisch-syntaktischen Feldern ‚nachgebildet’. Die Sprache ‚enthält’ in einem einheitlich objektivierenden Medium die über viele Generationen angehäuften und als bewährt bestätigten Ergebnisse der Typenkonstitution und Typenabwandlung“ (Schütz/ Luckmann, 1975: 282f).

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  16. Zahlreiche Ergebnisse aus der Attributionsforschung bestätigen diese These, vgl. z.B. Hochschild, 1983.

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  17. AutorInnen, die sich intensiv mit der Bedeutung von Emotionen aus soziologischer Perspektive beschäftigen, sind z.B. Heller, 1980, Solomon, 1981, Hochschild, 1983, Collins, 1984, Gerhards, 1988, Vester, 1991, von Griessenbeck, 1997, Flam, 1999. Dabei treten Emotionen aber auch implizit im Rahmen der Behandlung des Konstruktes des Vertrauens auf. Vgl. hierzu z.B. Luhmann, 1989, Platzkötter, 1990, Dederichs, 1997, Giddens, 1999, Gambetta, 2001, Hartmann/ Offe, 2001, Endress, 2002.

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  18. Vgl. z.B. Luhmann, 1989, Platzkötter, 1990, Schweer, 1997, Bonß, 1998, Endress, 2002, Nuissl, 2002.

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  19. Simmel bezieht den Glauben vor allem auf die Religion: „In ganz reiner, von jeder empirischen Erwägung gelöster Form tritt dieser Zustand des Glaubens wahrscheinlich nur innerhalb der Religion auf, Menschen gegenüber wird er wohl immer einer Anregung oder einer Bestätigung durch das (...) Wissen oder Vermuten bedürfen“ (Simmel, 1992: 393). Aber auch im Hinblick auf andere Menschen beschreibt Simmel das Phänomen des Glaubens. „Wie man niemals aufgrund der ‚Beweise für das Dasein Gottes’ an ihn geglaubt hat, diese Beweise vielmehr nur die nachträgliche Rechtfertigung oder intellektuelle Spiegelung eines ganz unmittelbaren Verhaltens des Gemütes sind — so ‚glaubt’ man an einen Menschen, ohne dass dieser Glaube sich durch Beweise für die Würdigkeit der Person rechtfertigte, ja, oft trotz der Beweise für das Gegenteil der Würdigkeit. (...) diese innere Vorbehaltlosigkeit einem Menschen gegenüber ist weder durch Erfahrungen noch durch Hypothesen vermittelt, sondern primäres Verhalten der Seele in Bezug auf den anderen“ (Simmel, 1992: 393).

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  20. Die Funktion, die die Religion erfüllt, so Luhmann, liegt darin, die unbestimmbare (Um-)Welt zahlloser Repräsentationen in eine bestimmbare zu überführen (vgl. Luhmann, 1977: 20).

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  21. Hoffnung, wie auch das Vertrauen, wird von zahlreichen Autorinnen als Sekundäremotion bezeichnet. Das heißt, sie baut auf basalen Emotionen auf und wird durch Kognitionen transformiert (vgl. Vester, 1991: 33). Als Primäremotionen gelten nach Vester — in Anlehnung an den Konsens zahlreicher Emotionsforscherinnen — vor allem Angst (Furcht), Ärger (Wut, Zorn), Traurigkeit (Depression, Resignation und Einsamkeit, etc.), Joy (Freude, Zufriedenheit) und Liebe (Zuneigung) (vgl. ebd.).

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  22. Zwar gehen einige Autorinnen, wie z.B. Mees davon aus, dass der Hoffnung die Furcht als Komplementäremotion entgegengesetzt werden muss (vgl. Mees, 1991: 108ff), allerdings wird hier die Furcht als eine „folgernde“ Emotion im Sinne Kempers, als Reaktion auf Hoffnungslosigkeit, verstanden.

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  23. Endress beschreibt eine interessante Wendung des Misstrauens in seinem sogenannten Institutionalisierungsparadox. Denn die Einführung von „Misstrauensagenturen“, wie z.B. die Wahl von Betriebsräten oder innerparlamentarische Kontrollmechanismen, lassen sich als vertrauensbildende Maßnahmen begreifen (vgl. Endress, 2002: 78).

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  24. Berger und Luckmann beschreiben Institutionen als habitualisierte Handlungen, die von den Akteuren reziprok typisiert werden und eine Grundlage für die Vorhersehbarkeit des Handelns anderer bilden (vgl. Berger/ Luckmann, 1980: 58). Sie sind im kulturellen Wissensvorrat der jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe gespeichert. Institutionen setzen Historizität voraus, denn sie entstehen im Laufe einer gemeinsamen Geschichte. Sie üben Kontrolle auf die Individuen aus — und sichern sie damit zugleich-, indem sie Verhaltensmuster aufstellen, die das Verhalten in eine Richtung lenken, ohne Berücksichtigung anderer Richtungen, die theoretisch möglich wären (vgl. ebd.). Institutionen werden meist als „objektive“ Wirklichkeit erlebt, da sich ihre historische Entstehung der persönlich-biographischen Erinnerung entzieht.

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  25. Vgl. hierzu z.B. Wohlrab-Sahr, 1995, Knoblauch, 1999 und Bauman, 1999.

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  26. Vor allem der Einfluss der Entwicklungsmodelle von Piaget, Kohlberg und Maslow auf Kohli bildet nach Wohlrab-Sahr die Grundlage für die teleologische Ausrichtung des Konstrukts des Normallebenslaufs (vgl. Wohlrab-Sahr, 1993: 54f.).

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  27. Vgl. hierzu z.B. Böhle/ Bolte/ Drexel/ Weishaupt, 2001: 96ff.

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  28. Vgl. Brose/ Wohlrab-Sahr/ Corsten, 1993:37, Bonß/ Hohlfeld/ Kollek, 1993.

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(2006). Dimensionen biographischer Sicherheitskonstruktionen. In: Biographische Sicherheit im Wandel?. DUV. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9654-7_4

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