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Auszug

„Ich begrüße Sie also allesamt und danke Ihnen, daß Sie gekommen sind: ich begrüße die Herren, die die gefrorenen Äpfel essen, während sie meine Worte aufschreiben, ich begrüße die anderen vier Herren, die mit ihrer Limousine den Sohn des Bauern überfahren haben, als sie auf der verschneiten Straße zum Dorf her rasten. [...] Danken möchte ich noch dem Bauern für alles, was er für diese Sitzung getan hat: an den vorangegangenen Tagen stieg er unten von seinem Gehöft mit einer Leiter hier zu dem Haus herauf, um den Raum zu streichen. [...] Ich danke also dem Bauern, für alles was er getan hat; ich würde ihn begrüßen, wenn er nicht unten im Dorf bei dem überfahrenen Kinde wäre [...].“1 In dieser Rede eines Aufsichtsratsvorsitzenden aus Peter Handkes „Begrüßung des Aufsichtsrats“ artikuliert sich offenkundig Gewalt. Unter dem Begriff Gewalt faßt man gemeinhin sozial wirksame Handlungsweisen, Vorgänge und Ursachen, die mehr oder weniger unmittelbar verletzen, berauben, zerstören, töten. Entsprechend scheint die Frage, was in dieser Rede als Gewalt erscheint, und wem gegenüber, unproblematisch. Das unachtsame Steuern des Wagens wirkt als Gewalt dem Kind gegenüber, als die Zerstörung dessen Körpers, dessen Lebens und dem Bauern gegenüber als die Tötung seines Kindes:

„[D]a war der Bauer gelaufen, als er von dem Unfall seines Kindes gehört hatte; oft war er wohl gefallen, mit dem Gesicht voran, ohne sich mit den Händen zu schützen; oft war er tief verbohrt in dem Schnee gelegen, in der Kälte; oft hatte er sich mit den zitternden Fingern eingegraben; oft hatte er mit der Zunge die bitteren Flocken geleckt, wenn er gefallen war; oft hatte er gebrüllt unter dem stürmischen Himmel. Ich wiederhole: Oft hatte der Bauer gebrüllt unter dem stürmischen Himmel.“2

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Literatur

  1. Peter Handke: Begrüßung des Aufsichtsrats; Frankfurt/Main: Suhrkamp 1981, S.11f. Fortan zitiert als BA.

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  2. BA, S. 10.

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  3. BA, S. 12.

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  4. Peter Handke: Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien; Frankfurt/Main: Suhrkamp 1996. Fortan zitiert als GS. Es folgte anläßlich des Kosovo-Krieges: Ders.: Unter Tränen fragend; Frankfurt/Main: Suhrkamp 2000. Fortan zitiert als UT.

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  5. „Auch in seinem neuesten Werk rühmt er [Handke, A.L.] das heilige Serbenvolk.“ „Agit-Prop — erztrüb reine Propaganda“ mit „einer steinwinzigen Menge an Information (die auch noch traumsicher frisiert ist).“ Reinhard Mohr: Bänkelsänger des Balkan; Spiegel 19/2000. Thomas Assheuer warnt vor „gefährlichem Unfug“. Thomas Assheuer: Peter Handkes neues Stück ist erschienen: Trägt der Westen die Schuld am Balkankrieg? In: Die Zeit; 18/1999.

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  6. GS, S. 38.

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  7. GS, S. 43. Unsere Hervorhebung. Zur Textmarkierung: Formulierungen in kursiver Schrift, sind, wenn nicht anders angegeben, kursiv im Original. Wir haben z. B. die Schriftsetzung Handkes der Theaterstücke (Regieanweisungen, Figurennamen) übernommen.

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  8. GS, S. 30.

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  9. GS, S. 121. Unsere Hervorhebung. Vgl. Assheuer 1999: „Beschönigungsschweiger Handke“, „[...] Deutung des Krieges die einem Haare zu Berge stehen läßt.“, „Handke treibt Schuldumkehr“.

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  10. Vgl. für eine kontextuelle Darstellung der atlantischen internationalen Politik und der neuen NATO-Strategien am Beispiel von Ost-Timor und Kosovo: Noam Chomsky: People without rights. Kosovo, Ost-Timor und der Westen; Hamburg: Europa 2002. Für eine fundierte politologische und völkerrechtliche Analyse des Kosovo-Krieges: Cathrin Schütz: Die NATO-Intervention in Jugoslawien. Hintergründe, Nebenwirkungen und Folgen; Wien: Nomos 2003. Sowie Heinz Loquai: Der Kosovo-Konflikt. Wege in einen vermeidbaren Krieg; Baden-Baden: Nomos 2000. (Der Autor ist General i.R. der deutschen Bundeswehr und OSZE-Mitarbeiter.)

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  11. Vgl. exemplarisch Mohr 2000: „Das aktuelle Buch [Unter Tränen fragend, A.L.] markiert einen neuerlichen Tiefpunkt im Schaffen des Autors.“ Es sei „die intellektuelle, künstlerische und moralische Bankrotterklärung.“ Für eine Zusammenstellung von 16 Erwiderungen energischer (und unsachlicher) Handke-Kritiker (unter ihnen Peter Schneider, Marcel Ophüls, Bora Cosic): Tilman Zülch (Hg.) Die Angst des Dichters vor der Wirklichkeit. 16 Antworten auf Handkes Winterreise; Göttingen: Steidl 1996.

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  12. Zum zweiten Text liegen wissenschaftliche Veröffentlichungen noch nicht vor. Eine ausführliche, aber unkonstruktive Rezension stammt von Thomas Assheuer. Auseinandersetzungen mit dem ersteren finden sich in: Petra Heyer: Von Verklärern und Spielverderbern. Eine vergleichende Untersuchung neuerer Theaterstücke Peter Handkes und Elfriede Jelineks; Frankfurt/Main: Peter Lang 2001. Dorothee Fuß: „Bedürfnis nach Heil“. Zu den ästhetischen Produktionen von Peter Handke und Botho Strauß; Bielefeld: Aisthesis 2001. Der politischen Thematik des Stücks werden die Autorinnen jedoch nicht gerecht, genauer gesagt, sie verhandeln sie nicht.

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  13. Peter Handke: Die Wiederholung; Frankfurt/Main: Suhrkamp 1999, S. 206. Fortan zitiert als: W.

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  14. W, S. 205.

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  15. W, S. 207. In den Worten Virginia Woolfs: „Ich glaube nicht, daß es möglich ist, in einer imaginativen Arbeit Ausdruck von Gedanken zu trennen. Je besser eine Sache ausgedrückt ist, desto vollständiger ist sie gedacht.“ Brief an Janet Case vom 1. September 1925. In: Virginia Woolf: Briefe 1. 1988–1927; Frankfurt/Main: S. Fischer 2006, S. 404.

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(2007). Einleitung. In: Peter Handke, Jugoslawien und das Problem der strukturellen Gewalt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5501-8_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-8350-5501-8_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-8350-6094-4

  • Online ISBN: 978-3-8350-5501-8

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