Auszug
Das weltweite soziale und wirtschaftliche Gefüge befindet sich zur Jahrtausendwende in schnellen und fundamentalen Veränderungen. Getragen von den informations- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten entwikkeln sich wichtige Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft, besonders die Finanzwirtschaft und die Wissensproduktion, in globalen Netzwerken5. Unter den „virtuellen“ Finanz- und Wissensnetzwerken ist gleichzeitig die gesamte Infrastruktur in Bewegung: Das demografische, ökologische, wirtschaftsgeografische, kulturelle und politische Bild der Welt verändert sich dynamisch. Insgesamt gibt es für die gegenwärtigen weltweiten Entwicklungen nur eine historische Parallele: die industrielle Revolution — die Zeiten des Umbruchs im 19. Jahrhundert.
„It is not the strongest of the species that survive, nor the most intelligent, but the one most responsive to change.“ (Charles Darwin)
Die Belege für die Globalität der Finanz- und Wissensnetzwerke sind vielfältig. Zum Beispiel zirkulieren täglich in den weltweiten elektronischen Foreign Exchange-Systemen zwischen 1200 und 1500 Milliarden Dollar (vgl. FT Thursday May 27 2004). Um im internationalen Konkurrenzkampf Zeitnachteile zu vermeiden, arbeiten viele Großkonzerne im globalen Schichtbetrieb mit gemeinsamen Entwicklungsdatenbanken.
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Literatur
Peter Drucker verweist darauf, dass die Kapitalkosten in kommunistischen Wirtschaftssystemen höher sind als in Marktwirtschaften (vgl. Drucker 2001b 53).
Die Konsequenzen einer zu einseitigen und kurzfristigen Ausrichtung an den Interessen der Shareholder zeigten sich im November 2001 im „Enron-Skandal“. Enron, zu dieser Zeit eines der größten Energieunternehmen der Welt, musste am 02. Dezember 2001 Konkurs anmelden, weil die Bilanzen im großen Stil manipuliert wurden, um einen wachsenden Ertrag vorzutäuschen (vgl. FT September 5, 2003). Dies war nur der Anfang einer ganzen Reihe ähnlicher Fälle (vgl. ebenda FT September 5, 2003), in denen die kritischen Auswüchse eines kurzfristig und einseitig ausgerichteten Shareholder Value-Ansatzes zum Ausdruck kamen (vgl. Hamilton & Micklethwait 2006, 13–171). Zwar hat Rappaport frühzeitig erklärte und nachträglich angemahnt, dass diese Tendenz zur kurzfristigen Ertragsausrichtung vieler börsennotierter Unternehmen am Anfang des 21. Jahrhunderts nicht dem idealtypischen Konzept des Shareholder Value entspricht (vgl. Rappaport 1999, 82–86; Rappaport 2006, 24–41). Ob Rappaport die wahrscheinlichen Wirkungsmechanismen und Nutzung seines Ansatzes damit jedoch realistisch eingeschätzt hat, muss bezweifelt werden (vgl. Wimmer 2002, 70–83; Scheuch & Scheuch 2003, 387–399; Kühl 2005).
Rappaport scheint diese Unzulänglichkeit seines Ansatzes zu ahnen, da er in dem Unterkapitel („Kunden und Arbeitnehmer“, ebenda 9–13) zumindest diesen Stakeholdern den Wert einräumt, „eingehender betrachtet zu werden“ (ebenda, 9). Dass dies nicht reicht, sondern ein „lack of stakeholder orientation“ ein wesentlicher Grund für das Scheitern von Unternehmen ist, haben Sheth und Sisodia in ihrer Studie „Why good companies fail“ aufgezeigt (Sheth & Sisodia 2005).
Eine Studie von FM Global mit 500 europäischen und US-amerikanischen Unternehmen ergab, dass die verantwortlichen Manager für Finanzen und Risikomanagement mögliche Ausfälle in der Zulieferkette für das größte finanzielle Risiko halten (vgl. FT October 18 2005, 1).
„Ein Trend, der zunächst nur bei großen multinationalen Unternehmen beobachtet wurde, scheint eine Lösung aus diesem Innovationsdilemma zu sein: die Öffnung des Innovationsprozesses und aktive strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des eigenen Innovationspotenzials„ (Gassmann & Enkel 2006, 132). Procter & Gamble wird zum Beispiel ab 2007 circa 50% der Innovationen über Netzwerke außerhalb des Unternehmens generieren (Huston & Sakkab 2006, 22–31).
Beispiele und eine empirische Fundierung zu den hier genannten Abhängigkeiten bietet die jährliche McKinsey Studie zu sozialpolitischen Themen (vgl. Bonini & Mendonca & Oppenheim 2006, 20–32).
Vgl.: The McKinsey Global Survey of Business Executives: Business in Society 2006, 33–39; vgl. zur differenzierteren Begründung: Oetinger & Reeves 2007; zur CSR-Strategie: Porter & Kramer 2007.
Folgerichtig nennt Charles Handy in seinem Werk „Gods of Management“ dieses Führungsmodell „Zeus Kultur“ (vgl. Handy 1978).
Eine signifikante Zahl der CEOs kommt mit dieser übersteigerten Erwartungshaltung nicht zurecht. Dies lässt sich durch die ausgeprägte Fluktuation noch während der Einarbeitungszeit, die bei ca. 40 Prozent in den ersten eineinhalb Jahren liegt, belegen (vgl. Ciampa 2005, 89; vgl. leicht abweichende Ergebnisse in den Studien von: Fryer 2002; Lucier & Wheeler & Habbel 2007).
Die Untersuchung der Führungsprozesse in sogenannten alternativen Betrieben zeigt, dass der Versuch, offizielle Hierarchien ohne eine klare neue Führungsorganisation abzuschaffen, zu informellen Machtprozessen führt, die wenig effizient und effektiv sind (vgl. Sofsky & Paris 1994). Auch Grunwald bezweifelt mit dem Verweis auf Forschungsergebnisse der letzten 70 Jahre, das es dauerhaft hierarchiefreie Gruppen oder Organisationen geben wird (vgl. Grunwald 2006). Eine differenzierte Diskussion diese Themas bietet auch Stefan Kühl (vgl. Kühl 1995).
Aus Sicht der Unternehmensleitungen waren die Hauptgründe für den Abbau von Führungsschichten in den 1990er Jahren Kostenreduzierung und Kundenfokussierung, nicht explizit eine komplexitätsinduzierte Überarbeitung der Führungsorganisationen (vgl. Holbeche 1996, 8).
Die ständige Existenzbedrohung auch der größeren Unternehmen, die sich u.a. in der starken Volatilität des Nettogewinns ausdrückt (vgl. Hamel & Välikangas 2004, 7), bietet auch einen Erklärungsansatz für den Rückgang der Investitionen in Forschung und Entwicklung in den entwickelten Industrieländern (vgl. Lev 2004, 44).
Donald N. Sull veröffentlichte unter dem Titel „Why good companies go bad“ schon 1999 einen ähnlichen Erklärungsansatz für das Scheitern von Unternehmen. Statt des Begriffs „cultural lock-in“ verwendet er den Begriff „active inertia“ (vgl. Sull 1999).
Foster und Kaplan greifen bei dem Konzept des „mental model“ zurück auf Jean Piaget und Peter Senge. Eine differenziertere Analyse dieser Zusammenhänge in Führungsprozessen unter der Kategorie „basic assumptions“ liefert Edgar H. Schein in seinem 1985 veröffentlichten Werk „Organizational Culture and Leadership“ (Schein 1991, 85–111).
Foster und Kaplan gehen von einem vierstufigen Model des Corporate Lifecycles aus, bei dem die Entwickungsphasen mit der Branchentwicklung korrespondieren (vgl. Foster & Kaplan 2001, 76–89). Zur Geschichte und den vielfältigen Varianten dieses Ansatzes vgl. Adizes 1999, 17f.
Auch Sydney Finkelstein kommt in seiner empirischen Studie „Why smart executives fail“ zu dem Schluss, dass bestimmte Mindsets der Führungskräfte eine effektive Marktbearbeitung blockieren können (vgl. Finkelstein 2003, 137–165).
Vgl. Zündorf & Grunt 1980 und Adizes 1999, 137–140.
James Champy skizziert die Denkmuster, die sich in der Zeit des stabilen Wachstums in den Köpfen der Manager etabliert haben (vgl. Champy 1995, 14ff.)
Weitere instruktive Beispiele für die „(...) tendency to follow established patterns of behavior—even in response to dramatic environmental shifts.“ bietet Donald N. Sull in seiner Arbeit (vgl. Sull 1999).
Ein interessante Parallele hierzu bietet der dynamische Anstieg der Forschungs-und Entwicklungsaktivitäten im heutigen China (vgl. FT 2005 June 9, 11).
Zum notwendigen Zusammenspiel der technischen Entwicklungen mit anderen zivilisatorischen Entwicklungssträngen vgl. Jokisch 1982, Ribeiro 1983, Mumford 1986.
Norbert Elias führte den Figurationsbegriff 1969 in die Sozialwissenschaften ein (vgl. Elias 1983a, 27–59) und bezeichnet damit Strukturen, die interdependente Menschen in Gruppen oder Individuen miteinander bilden (vgl. Elias 1983b, 137).
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(2008). Führungsperformance in Zeiten des Umbruchs. In: Leadership Asset Approach. Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-9913-9_2
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