Zusammenfassung
Die vorangegangen Kapitel haben veranschaulicht, dass die Entscheidung für oder gegen einen Versicherungsbetrug stark davon abhängt, ob jemand dieses Verhalten vor sich selbst und seiner Umwelt rechtfertigen kann und ihm der Betrug gerecht erscheint oder nicht. Dabei erfolgt die Abwägung, inwiefern der Betrug moralisch vertretbar und gerecht ist, eher unbewusst und aus dem Gefühl heraus. In der ökonomischen Theorie wird Betrug dagegen über die bewusste Kalkulation von Nutzen und Kosten erklärt (s. Kap. 2 zur Betrugssumme). Demnach würde ein Betrug dann begangen, wenn der Nutzen größer ist als die potenziellen Kosten. Laut der ökonomischen Theorie wird hierbei der Nutzen beim Versicherungsbetrug primär in der finanziellen Leistung gesehen und als Kosten werden mögliche Sanktionen von der betrogenen Versicherung und dem Gesetzgeber bedacht. Dieses Kapitel widmet sich der Frage, inwieweit das Entdeckungsrisiko und potentielle Strafen Versicherungskunden tatsächlich vom Betrug abhalten.
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Zum selben Effekt beim Schummeln in der Schule, vgl. Houston (1977).
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Das liegt auch daran, dass Menschen generell kleine Wahrscheinlichkeiten überschätzen (Kahneman und Tversky 1979). Wäre dem nicht so, würden nicht wöchentlich Millionen von Menschen Lotto spielen und auch so manche Versicherungspolice würde niemals an den Mann gebracht werden können.
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In diesem Zusammenhang fällt auf, dass es sinnvoll sein kann, die Kunden im Unklaren über die wahre Entdeckungswahrscheinlichkeit zu lassen. Vgl. Lang und Wambach 2010.
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Zur Lage in den USA vgl. auch CAIF (o. J.): Zwar hätten viele Versicherer begonnen, härter gegen Betrüger vorzugehen und auch die Zahl der Strafverfolgungen sei seit den 1990er Jahren gestiegen, aber viele Staatsanwälte hielten die Verfolgung von Versicherungsbetrug immer noch für eine leidliche Aufgabe und Verurteilungen seien selten und milde.
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In den USA schrecken Versicherer zudem vor Kontrollen zurück, da sie sogenannte Bad Faith Klagen (Böswilligkeitsklagen) befürchten. Im US‐amerikanischen Recht können Versicherungskunden klagen, wenn ihre Versicherung entweder eine Schadensmeldung direkt ohne plausible Begründung abgewiesen hat oder auch wenn die Versicherung einen Fall zu lange untersucht und damit Belastungen beim Kunden erzeugt hat. Aus Kundensicht scheint die Bad Faith Gesetzgebung wünschenswert, aber ein Nachteil ist, dass sie zu höheren Betrugsraten führt, da Versicherer weniger Fälle kontrollieren (Tennyson und Warfel 2008). Um dem entgegenzuwirken haben Versicherer, welche Kunden eines Betrugs beschuldigen, inzwischen weitestgehend Indemnitätsschutz erhalten, das heißt sie können nicht mehr mit Bad Faith Klagen belastet werden. Allerdings ist der Schutz je nach US‐Staat sehr unterschiedlich. In Deutschland ist die Angst vor Bad Faith Klagen ein weniger großes Problem für Versicherer. Wohl aber stehen Versicherten bei fälschlicherweise abgelehnten Zahlungen neben der Schadensbegleichung evtl. auch Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. Ein Beispiel: Angenommen ein Versicherer lehnt die Leistung im Fall eines Geschäftsbrandes ab und das Geschäft muss daraufhin Insolvenz anmelden. Stellt sich später heraus, dass der Schadensersatz doch gerechtfertigt war, muss die Versicherung entsprechend Schadensersatz leisten.
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Bei einem knappen Viertel der 2013 angezeigten Fälle von Versicherungsbetrug und -missbrauch handelte es sich um Versuche statt vollendete Fälle (Bundeskriminalamt 2014).
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In ähnlicher Weise lassen sich übrigens auch gelegentlich geringere Betrugsraten in Gegenden/Ländern feststellen, in denen hohe Strafen drohen. Allerdings lässt sich hieraus nicht zwangsläufig auf einen kausalen Effekt der Sanktionshöhe auf das Betrugsverhalten schließen. Denn sowohl hohe Strafen als auch eine niedrige Betrugsrate könnten nur Ausdruck davon sein, dass Ehrlichkeit in jener Gegend bzw. in jenem Land stark wertgeschätzt wird.
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In einer Studie (Blais und Bacher 2007) ließ sich zwar ein Abschreckungseffekt finden, aber jener war relativ gering. Zudem wurden in der Studie gleichzeitig noch andere Faktoren untersucht, weshalb der Abschreckungseffekt nicht eindeutig auf den Hinweis auf Sanktionen zurückgeführt werden konnte.
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Im österreichischen Recht existieren ebenfalls mehrere Paragrafen: So gilt § 151StGB dem Versicherungsmissbrauch und § 147 dem Betrug bzw. dem schweren Betrug. In der Schweiz sind die Paragrafen 146, 147 und 151 des Schweizer Strafgesetzbuches relevant.
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Ausführlich zum Versicherungsbetrug im deutschen und US‐amerikanischen Zivil‐ und Zivilprozessrecht vgl. Biersack (2008).
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Das deutsche Versicherungsvertragsgesetz beinhaltet Aussagen zur vorsätzlichen Gefahrerhöhung sowie zur Herbeiführung eines Schadensfalles (Folge: Keine Verpflichtung zur Leistung). In der Schweiz wird derzeit (2014/15) an einer Revision des Versicherungsvertragsgesetzes gearbeitet, bei der die Versicherungsbranche fordert, konkret auf Versicherungsmissbrauch einzugehen.
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Köneke, V., Müller-Peters, H., Fetchenhauer, D. (2015). Wenn Moral nicht hilft: Angst vor Strafe. In: Versicherungsbetrug verstehen und verhindern. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-6943-9_9
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