Zusammenfassung
Geneppt, geprellt, betrogen. Versicherungsbetrug ist so alt wie Versicherungen selbst. Laut einer Branchenregel enthält jede zehnte Schadenmeldung Falschangaben. In Umfragen gibt gar jeder vierte Versicherungskunde zu, schon mindestens einmal einen Versicherer „übers Ohr gehauen” zu haben. Doch erst seit einigen Jahren bemühen sich Versicherer verstärkt um die Betrugsabwehr. Denn Versicherungsbetrug trägt auch zum Erfolg (oder Misserfolg) jedes einzelnen Versicherungsunternehmens bei. Dieses Buch will Versicherer in ihrer Betrugsabwehr wissenschaftlich fundiert unterstützen. Das Hauptaugenmerk dabei liegt auf der Idee, Betrug und Betrugsversuche nicht nur aufzudecken – was bislang der fast ausschließlich eingesetzte Betrugsbekämpfungs-Mechanismus ist –, sondern sie präventiv zu verhindern. Um dies zu ermöglichen, gibt das vorliegende Buch Einblicke in die Psychologie der Versicherungsbetrüger. Ganz wichtig dabei: Versicherungsbetrüger sind nicht stets generell kriminelle Personen, sondern oft handelt es sich um gewöhnliche Versicherungskunden, die nur ein oder zweimal in ihrem Leben einen Versicherer “überlisten”. Versicherungsbetrug zu verstehen, heißt daher zunächst, grundlegende Mechanismen menschlichen Verhaltens zu verstehen. Die in diesem Buch vermittelten Erkenntnisse helfen daher gleichermaßen, Versicherungsbetrug zu begegnen wie auch Einsichten für andere “Jedermanns-Delikte” (etwa Software-Piraterie und Steuerhinterziehung) zu erhalten und letztlich sich und andere Menschen generell besser zu verstehen.
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Statt „Autobumsen“ spricht man auch von „Swoop and Squat“ oder „Cash for Crash“.
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Manche Schätzungen gehen sogar von jeder vierten (Insurance Research Council, IRC 2002) oder gar jeder dritten Schadensmeldung aus (Weisberg und Derrig 1991), andere jedoch von „nur“ jeder zwanzigsten (Derrig et al. 2006) oder jeder fünfzigsten bis hundertsten (Derrig und Zicko 2002; Insurance Europe 2010). Die Unterschiede in den Schätzungen ergeben sich meist entweder durch unterschiedliche Definitionen von Versicherungsbetrug oder durch unterschiedliche Schätzungsmethoden (Umfragen unter Versicherungskunden versus Umfragen unter Sonderermittlern bei Versicherungen, Stichprobenuntersuchungen aller Schadensmeldungen versus Hochrechnungen aus Untersuchungen zuvor als fragwürdig eingestufter Schadensmeldungen, Untersuchungen in mehreren Versicherungssparten versus Betrachtung nur einzelner Sparten, Schnappschuss‐ versus Langzeituntersuchung).
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Allerdings schwanken die Zahlen je nach Umfrage und Umfragetechnik. So gaben in einer Studie 40 Prozent der befragten Personen an, schon einmal eine Versicherung betrogen zu haben (Schranker 2000). Manche Studien finden hingegen niedrigere Werte. Etwa YouGov (2012) mit elf Prozent. In Studien aus Großbritannien gibt ungefähr jeder zehnte Versicherungskunde zu, sein Versicherungsunternehmen schon mal hintergangen zu haben (ABI 2009; Insurance Europe 2008; Equifax 2014). Bei einer Studie aus den USA war es knapp jeder sechste (Ganon und Donegan 2006). In Österreich bekannten sich acht Prozent zum Betrug, weitere neun Prozent gaben an, dass sie es zwar bisher noch nicht getan hätten, aber schon in Versuchung geraten könnten (Rizzi 2012).
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In manchen Umfragen wird nicht generell nach Betrug gefragt, sondern nach Betrug in einem bestimmten Zeitrahmen, zum Beispiel beim letzten Schadensfall oder innerhalb der vergangenen zwei Jahre. In einer großen europaweiten Studie zu verschiedenen Themen, dem European Social Survey, gaben 2010 sechs Prozent der befragten Deutschen an, innerhalb der vergangenen fünf Jahre eine übertriebene oder falsche Schadensmeldung eingereicht zu haben (Farashah und Estelami 2014). Bei einer Befragung von psychonomics (2002) gaben sieben Prozent der Kunden an, die Versicherung beim letzten Schadensfall hintergangen zu haben. In einer Studie des Beratungsunternehmens Accenture (Accenture 2014) gaben neun Prozent der deutschen Versicherungskunden zu, beim letzten Schadensfall in der Autoversicherung gelogen zu haben; in der Hausratversicherung gestanden 23 Prozent einen Betrug beim letzten Schadensfall. In einer anderen Befragung (Fetchenhauer 1998) hatten 15 Prozent der Personen mit Schaden in den vergangenen zwei Jahren einen Versicherungsbetrug begangen. In ähnlicher Weise gaben gegenüber dem GDV (2011) vier Prozent der befragten Versicherungsnehmer, die innerhalb der vergangenen fünf Jahre einen Schadensfall gemeldet hatten, an, dabei Betrug begangen zu haben. Weitere elf Prozent der Befragten mit Schadensfall wollten keine Aussage zu der Frage machen, ob sie dabei betrogen hätten, was ebenfalls auf eine Quote von 15 Prozent schließen lässt.
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Zur Vereinfachung wird im Folgenden stets nur die maskuline Form genannt.
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In eine Studie von Verschuur (1994) ließ sich statistisch gar kein Zusammenhang zwischen den Selbstberichten von Versicherungskunden und offiziellen Informationen darüber finden, wer betrogen hatte. Das gilt auch für andere Betrügereien als Versicherungsbetrug. In einer Untersuchung zur Steuerhinterziehung (Hessing et al. 1988; Elffers et al. 1987) gab nur jeder vierte offiziell als Steuersünder überführte Befragte den Betrug auch zu. Anderseits berichteten andere Befragte, deren Steuererklärungen von den Behörden als ehrlich eingestuft worden waren, davon, Steuern hinterzogen zu haben. Eine aktuellere Studie konnte hingegen positive Zusammenhänge zwischen Selbstauskünften in Bezug auf Alltagslügen und tatsächlichem Verhalten in einer Studiensituation finden (Halevy et al. 2014). Zur Schwierigkeit, akkurate Antworten auf sensible Fragen wie Versicherungsbetrug, Steuerhinterziehung und Plagiarismus betreffend zu erhalten, s. zum Beispiel Jerke und Krumpal (2013) sowie Korndörfer et al. (2014).
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Die wahre Zahl der Betrugsfälle ist auch schwer zu schätzten, da sich der Schaden anders als zum Beispiel bei Ladendiebstahl nicht anhand einer Soll‐Ist Rechnung des Lagerbestandes feststellen lässt.
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Die 5000 beziehen sich nur auf den Betrug privater Versicherer. Die aufgedeckten Fälle von Sozialversicherungsbetrug haben eine fast identische Höhe. Laut Transparency International beläuft sich allein der Betrug im deutschen Gesundheitswesen auf jährlich 20 Milliarden Euro (Transparency International Deutschland 2008).
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Laut vagen Schätzungen ist die Dunkelziffer mindestens um ein Fünffaches höher als die Anzahl der aufgedeckten Fälle (Accenture 2010).
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Drei Viertel der in der Studie befragten Versicherungsvermittler schätzte die Betrugsquote auf 11 bis 15 Prozent; das andere Viertel der Vermittler ging von 16 bis 25 Prozent aus.
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Für Gesamteuropa gehen Versicherungsverbände von mindestens acht Milliarden Euro aus, was zwölf Prozent der gesamten Prämieneinnahmen und fünf bis zehn Prozent aller geleisteten Zahlungen entspricht (Accenture 2013; Association of British Insurers (ABI) 2012). Schätzungen für England belaufen sich auf drei Milliarden Pfund (Insurance Europe 2008), für die Niederlande auf 500 Millionen Euro (Veldwijk 2006), für die Schweiz auf 800 Millionen Franken (Schweizer Versicherung 2001) und für Österreich auf eine halbe Milliarde Euro (Edelbacher und Theil 2008). In den USA wird der Schaden auf 77 bis 259 Milliarden Dollar alleine in der Krankenversicherung geschätzt, plus zusätzliche etwa 33 Milliarden in der Schaden- und Unfallversicherung (Insurance Information Institute (III) 2014). In Australien soll der jährliche Schaden (nur) zwei Milliarden Dollar betragen (Insurance Fraud Bureau of Australia 2013).
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In den USA geht man von 950 Dollar Schaden pro Familie aus (CAIF 2007), davon allein 200 bis 300 Dollar durch Betrug in der Schaden- und Unfallversicherung (IRC 2003) sowie 162 Dollar durch Betrag in der Autoversicherung und 24 Dollar durch Betrug bei Gebäudeversicherung (Brostoff 1996). In England wird der Schaden pro Haushalt auf rund 50 Pfund geschätzt (Insurance Europe 2008; ABI 2012). In Spanien nur bezogen auf die Kfz-Versicherung auf durchschnittlich 38 Euro (16 Prozent der Prämie) (Engelhardt 2013).
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Zumindest können steigende Prämien zu sogenannter adverser Selektion führen, das heißt dazu, dass Personen mit geringem Schadensrisiko keine Versicherungspolice mehr abschließen und nur noch Personen mit hohem Risiko die Angebote der Versicherer aufsuchen.
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Versicherungen haben nicht nur Nutzen für die einzelnen Versicherungsnehmer, sondern auch eine wichtige Funktion für die Gesamtgesellschaft. Sie sorgen zum Beispiel für Planungssicherheit und damit zum Austausch von Waren und Dienstleistungen oder zu technischem Fortschritt, da manche riskante Unternehmungen ohne die Absicherung einer Versicherung nicht erfolgen würden (vgl. GDV 2013).
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Zur Rolle der Betrugsbekämpfung im Rahmen des Risikomanagements s. Knoll (2011).
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Allerdings muss dabei bedacht werden, dass auch die Bemühungen der Versicherer um Aufdeckung von Betrügereien zugenommen haben und die häufig als steigend ausgewiesene Betrugszahl zum Teil auf die Zunahme an aufgedeckten Fällen zurückzuführen ist und nicht nur auf eine tatsächliche Zunahme der Betrügereien. Diesen Zusammenhang bezeichnet man gelegentlich als Kontrollparadoxon (nicht zu verwechseln mit dem in Kap. 2 erläuterten Kontrollparadoxon, welches besagt, dass Kontrolle nicht nur scheinbar, sondern auch tatsächlich zu einer Erhöhung der Delinquenz führen kann).
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In dieser Befragung hielten nur 13 Prozent Versicherungsbetrug für etwas, das generell schlimm sei. In den USA sollen zwei von drei Personen Versicherungsbetrug (in verschiedenen Ausmaßen) tolerieren (CAIF o. J.). Im europaweiten European Social Survey 2010 (Farashah und Estelami 2014) gaben hingegen 87 Prozent der Befragten an, dass Versicherungsbetrug falsch oder gar sehr falsch sei. Unterschiede in den Akzeptanzwerten ergeben sich wie bei Unterschieden in den Betrugsarten durch unterschiedliche Erhebungsmethoden bzw. der geschilderten Art des Betrugs und den genauen Umständen.
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Allerdings ist anzumerken, dass manche Studien zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen. So zum Beispiel Accenture (2010).
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Selbst Versicherungsexperten weisen Versicherungsbetrügern gelegentlich halb bewundernd Eigenschaften wie Intelligenz und Phantasie zu (zum Beispiel König 1968). Andersherum kann Versicherungsehrlichkeit fast schon als Einfältigkeit gelten. So der Kommentar eines Versicherungsmanagers: „Wer mit seiner Versicherung immer ehrlich abrechnet, der gilt heutzutage bei seinen Freunden und Bekannten doch als bekleckert“ (zitiert nach Hofmann 1994). Auch Steuersünder werden oft positiver eingeschätzt als durchschnittliche Zahler, da man ihnen eine gewisse Intelligenz unterstellt (Kirchler 1998). In ähnlicher Weise werden Schwarzarbeiter häufig in einem positiven Licht gesehen, da sie schließlich fleißig seien (Lamnek et al. 2000). Und auch Kunden, die angeben, gefälschte Produkte gekauft zu haben, meinen, dies zeige, dass sie clevere Kunden seien (Tom et al. 1998).
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So gaben in einer Studie (Fetchenhauer 1998) insgesamt 27 Prozent an, schon mal einen Versicherungsbetrug begangen zu haben, aber nur neun Prozent hatten es mehr als einmal gemacht. Mehr als dreimal sogar nur ein Prozent. In einer anderen Studie (European Social Survey 2010; Teilstichprobe Deutschland, eigene Analysen) bekannten sich mit 2,6 Prozent der Befragten viermal so viele Personen zu einem einmaligen Versicherungsbetrug innerhalb der vergangenen fünf Jahre als zu zweifachen Betrug (0,6 Prozent). Dreimal oder noch häufiger innerhalb von fünf Jahren hatte nach den eigenen Angaben nur jeder Tausendste einen Versicherungsbetrug begangen.
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Versicherer selbst scheinen das Problem zum Teil bereits erkannt zu haben und fordern daher mehr Analysen statt technische Verbesserungen (International Association of Insurance Fraud Agencies, IAIFA 2008). Gerade das verstärkte Einbeziehen von Psychologen wird zum Beispiel von der amerikanischen Coalition Against Insurance Fraud CAIF (2006) für notwendig befunden. Vgl. Rejesus et al. (2004), für ein Plädoyer für mehr Sozialwissenschaft statt Ökonomie in der Betrugsbekämpfung.
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Unethisches Verhalten lässt sich auf mehrere Weise definieren. Hier wird es im Sinne von einem Verhalten, das entweder illegal und/oder von der Mehrheit der Gesellschaft als moralisch nicht akzeptabel eingestuft wird, verwendet (vgl. Jones 1991). „Unethisch“ wird dabei synonym verwendet mit „unehrlich“ und „unmoralisch“.
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Wardrobing genannt. Vom Englischen Wardrobe = Kleidung. Bezeichnet mittlerweile auch das Rückgeben anderer genutzter Produkte. Wenn auch dieses Verhalten nach Allgemeinmeinung wohl als unethisch einzuschätzen ist, ist es allerdings bei Internetkauf legal – jedenfalls innerhalb der zweiwöchigen Widerrufsrechtfrist. Bei Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages klagten 80 Prozent der Onlinehändler über Wardrobing-Missbrauch des Widerrufsrechts (DIHK 2010).
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Das Thema „Versicherungsbetrug“ ist aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht sehr gut beleuchtet. Zwar gibt es bereits einige Untersuchungen, doch jenen mangelt es gleich an mehreren Aspekten. Erstens sind bisherige Studien meist aus ökonomischer Sicht angestellt worden (für Ausnahmen s. zum Beispiel Tennyson 1997, 2002, 2008). Zweitens sind die meisten mehr theoretisch als empirisch. Drittens, wenn es sich um empirische Studien handelt, dann beziehen sie sich so gut wie immer auf den amerikanischen Markt. Und viertens widmet sich ein Großteil der Analysen der Kfz‐Versicherung (vgl. zum Beispiel Meschkat und Nauert 2008; Klein 2002; Edelbacher und Theil 2008 für ausführliche Analysen des Betrugs in der Kraftfahrzeug‐Versicherung) oder der Autoinsassen‐Unfallversicherung.
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Studien zeigen immer wieder große Parallelen zwischen den genannten Taten. Taten, die mit finanzieller Ehrlichkeit zu tun haben, wie Versicherungsbetrug, Steuerhinterziehung und Software‐Piraterie unterscheiden sich sowohl in ihrer Akzeptanz durch die Allgemeinheit als auch in den Beweggründern der Täter von denen anderer illegaler Verhaltensweisen wie Drogenkonsum und Fahren ohne Führerschein oder unter Alkoholeinfluss (Halpern 2001).
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Durch Steuerhinterziehung zum Beispiel in den USA jährlich über 300 Milliarden Dollar (Herman 2005); insgesamt werden in westlichen Industrieländern zehn bis 20 Prozent der Einnahmen rechtswidrig nicht versteuert. Wardrobing kostet die US‐amerikanische Wirtschaft und Bevölkerung rund 16 Milliarden Dollar jährlich (Speights und Hilinski 2005) und Raubkopieren und ähnlicher Diebstahl intellektuellen Eigentums 250 Milliarden (Mazar und Ariely 2006).
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So sehen zum Beispiel drei Viertel der Deutschen Schwarzarbeiter nicht als Betrüger an (Schwarzarbeits‐Experte Friedrich Schneider im Interview mit Focus Money zitiert in Kirchler 2011). Auch Steuerhinterziehung wird als Kavaliersdelikt statt als Diebstahl gesehen (Haarland und Niessen 1999; Kirchler und Pitters 2007; Kirchler und Muehlbacher 2007 zitiert in Kirchler 2011; Schmölders 1966), ebenso wie Schwarzfahren (Kirchler und Muehlbacher 2007, zitiert in Kirchler 2011). Die Akzeptanz von Software‐Piraterie ist gleichfalls erschreckend hoch (s. zum Beispiel Logsdon et al. 1994). Zu Unterschieden bei der Akzeptanz von „Kavaliersdelikten“ je nach Delikt s. Allensbacher Archiv 2007; ABI 2010a; Brinkmann und Lentz 2006; Dodge et al. 1996; Fullerton et al. 1996; GDV 2011; Karstedt 1999; Kirchler und Pitters 2007; IRC 2003; Mehlkop 2011; Virginia State Police 2013; Wilkes 1978. Versicherungsbetrug nimmt dabei je nach Studie eine unterschiedliche Position in der Reihenfolge der Akzeptanz ein und wird zum Beispiel mal mehr, mal weniger akzeptiert als Steuerhinterziehung.
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Oft werden solche „Kavaliersdelikte“ auch als White‐Collar‐Delikte (Weißkragenkriminalität; Sutherland 1949) bezeichnet. Allerdings bezeichnen White‐Collar‐Delikte im eigentlichen Sinn Wirtschaftsdelikte, die von Personen mit hohem Status (Anzugträgern mit weißem Kragen) durch Ausnutzen ihrer Position begangen werden. Typische White‐Collar‐Delikte liegen vor, wenn sich Politiker bestechen lassen oder Unternehmer Schmiergelder entgegen nehmen.
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Auch Studien zu Betrügereien ohne direkten wirtschaftlichen Bezug (wie vor allem dem Mogeln bei Prüfungen in der Schule) werden zu Rate gezogen, um die Hintergründe von Betrug näher zu beleuchten. Ebenso werden Studien zum Thema Ladendiebstahl oder unethischem Verhalten von Unternehmern und Managern (wie Buchführungsdelikten, Produktpiraterie oder Bestechung) auftauchen, wenn auch jene meist weniger akzeptiert sind als die zuvor genannten Kunden‐/Bürgertaten.
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Köneke, V., Müller-Peters, H., Fetchenhauer, D. (2015). Einleitung – Verstehen, um zu verhindern. In: Versicherungsbetrug verstehen und verhindern. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-6943-9_1
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