Entscheidend für ein erfolgreiches Investitionsprojekt ist der richtige Personalmix . Unter Personalmix ist zu verstehen, wie hoch der Anteil an nicht-chinesischen Führungskräften in der ersten und zweiten Management-Ebene liegt. In einer Bestandsaufnahme der China-Engagements der Europäischen Union zur zahlenmäßigen Verteilung der Belegschaft auf chinesische Arbeitskräfte und Expatriates wurde ermittelt, dass nur rund 1,7 % Footnote 1 des Belegschaftsstammes dieser Auslandsunternehmen mit Ausländern in Führungspositionen besetzt sind. So fußt die Geschäftstätigkeit dieser Auslandsunternehmen zum überwiegenden Teil auf lokalen chinesischen Arbeitern und Angestellten. Bei Engagements mit mehr als 100 Beschäftigten werden in der Regel die Positionen Geschäftsführer und Leiter des Finanz- und Rechnungswesens mit deutschen oder anderen ausländischen Managern (Expatriate) besetzt. Für deren Einsatz in einem Unternehmen in China gibt es selbsterklärende Restriktionen : Ihre dauerhafte Präsenz in China ist teuer; die Entsendung kann das Stammhaus bis zu einer viertel Million Euro im Jahr kosten. Da diese Kosten im Verhältnis zum Betriebsergebnis zu sehen sind, muss der Einsatz von ausländischem Personal geprüft werden. Die entscheidende Frage ist, ob eine Unternehmungseinheit je nach ihrer Rentabilität auf Dauer einen Expatriate „verkraften“ kann. Relevant sind hierbei auch die Gesamtinvestitionskosten und die Eigenmittelaufbringung (Exposure).

Die deutschen Stammhäuser neigen dazu, mindestens einen „Statthalter“ vor Ort langfristig zu beschäftigen. Die klassische Position ist der Geschäftsführer oder der Controller . Idealerweise sollte der Geschäftsführer in seiner Qualifikation die technische Kompetenz (Ingenieur) und fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse in sich vereinen. Gerade in der mittelständischen Automobilzuliefererindustrie wird aus Kostengründen und wegen des engen Schulterschlusses zum OEM-Kunden der technische Sachverstand häufig in Form eines deutschen Ingenieurs vor Ort installiert. Damit sollen etwaige Beanstandungen sachgerecht und schnellstens auf gleicher Augenhöhe behoben werden.

Da die Kosten für einen Deutschen vor Ort zu hoch sind, unterstützt er auch oft nur zeitlich befristet Projekte der chinesischen Auslandstochter. Mehr als 80 % der Investoren entsenden ihre Fachleute zur Montage und zum Produktionsstart für mehrere Monate nach China. Eine zeitlich befristete Unterstützung vom Stammhaus ist auch bei der Einrichtung des Finanz- und Rechnungswesens notwendig.

Für welche Positionen ausländische Manager vorgesehen werden, richtet sich nach der Rechtsform des Tochterunternehmens, wenn es ein ausländisch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen ist. Im Wesentlichen hängt es dann davon ab, ob die ausländische Seite anteilsmäßig als Minderheits- oder Mehrheitsgesellschafter beteiligt ist. Das 100 %ige Tochterunternehmen ist hingegen von deutschen Unternehmen, ohne chinesischen Partner gegründet und frei in der Stellenbesetzung.

1 Die 100 %ige Tochterfirma

Auf Grund der im Vergleich zu lokalen Managern hohen Kosten sind Expatriates für ausgewählte „Statthalterfunktionen“ einzusetzen. Ein weiteres Kriterium ist die damit verbundene Loyalität zum Stammhaus, die so über eine weite Strecke (über 6000 km) aufrechterhalten werden soll. Eine große Rolle spielt außerdem zunehmend die mangelnde Verfügbarkeit von qualifizierten lokalen chinesischen Managern, denn diese sind am Arbeitsmarkt rar und teuer. Andere „sensible Bereiche“ (siehe Abb. 2.1, in dunkelgrau) eignen sich je nach Industriemerkmalen und Brancheneigenheiten für die Besetzung von Expatriates. Europäische Unternehmen präferieren, gerade diese Bereiche durch Expatriates zu besetzen, oder durch Chinesen, die sie eigens für die Positionen ausgesucht und in ihren Stammhäusern geschult haben.

Abb. 2.1
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Organigramm einer 100 %igen Tochterfirma

2 Das Gemeinschaftsunternehmen

Im Joint-Venture -Vertrag ist meist festgelegt, welcher Partner welche Stellen besetzen darf. Die Auswahl der Stellen orientiert sich am Beteiligungsverhältnis , nicht an der Partner- oder Kandidatenkompetenz.

Es gibt drei „chinesische“ Strategien zum Unterlaufen der vertraglichen Regelungen:

  1. 1.

    Der Deputy General Manager (DGM) wird von der chinesischen Seite zugleich als Mitglied des Board of Directors berufen.

  2. 2.

    Die Gehaltsdeckelung auf sehr niedrigem Niveau ermöglicht es nicht, für die vom deutschen Partner zu besetzenden Stellen neue Mitarbeiter zu finden, weil deren Gehaltserwartungen höher liegen. Eine einseitige Subventionierung aus Deutschland für neue Mitarbeiter ist erforderlich, da die vor Genehmigung beidseitig unterschriebene Feasibility-Study die Gehälter für das lokale Management absichtlich zu niedrig angesetzt hatte.

  3. 3.

    Langjährige, durch den Staatsbetrieb geprägte Mitarbeiter, die gegenüber dem chinesischen Partner loyal sind, werden ins Gemeinschaftsunternehmen übernommen. Sehr oft bilden diese Mitarbeiter Seilschaften, die – vergleichbar mit einem Schattenkabinett – die Maßnahmen des westlichen Managements unterminieren.

Im Joint-Venture -Vertrag sollten daher alle drei Strategien so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Die Übernahme von Personal sollte nicht eo ipso erfolgen, sondern anhand konkreter Fälle und Qualifikationen geprüft werden (siehe Abb. 2.2).

Abb. 2.2
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Praxisbeispiel eines durch Gesellschafter paritätisch besetzten Joint Ventures (50 zu 50 %)