Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden Verhaltensmuster der beteiligten Akteure eines Krisenprozesses beschrieben. Praxisorientierte Leser finden eine detaillierte Aufbereitung typischer Handlungs- und Verhaltensweisen insbesondere der Mitglieder der Familie eines Familienunternehmens.
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Im Hinblick auf die folgenden Abschnitte sei jedoch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die hier dargelegten Ausführungen nicht den Anspruch erheben, Forschungsergebnisse im Sinne einer psychologischen Verhaltensstudie darzustellen. Aufgrund der gewählten Studiendesigns beschränken sich die Ausführungen auf eine strukturierte Aufbereitung ausgewerteter Erfahrungsreflexionen von Krisenexperten. Auch wenn die Verhaltensbeschreibung von Personen zu einer der zentralen Aufgaben der Psychologie gehört, wurden hier nicht explizit Methoden einer psychologischen Untersuchung angewendet. Zu den Aufgaben der Psychologie sowie den hier angewendeten Forschungsmethoden siehe Zimbardo und Gerrig (2004, S. 5–8 sowie 26 ff.).
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Dabei werden insbesondere Verhaltensbeschreibungen aus Einzelfallbeispielen herangezogen, oder solche Ausführungen verwendet, die explizit krisenprozessrelevante typische Handlungen von Familienmitgliedern thematisieren. Zur Vereinfachung wird in diesem Zusammenhang auch von konstruktiven bzw. destruktiven Handlungen und Verhaltensweisen gesprochen. Eine vom Autor im Jahr 2009 durchgeführte quantitative Erhebung zu den Folgen der Wirtschaftskrise im Jahre 2008, an der 250 Familienunternehmen vornehmlich aus Deutschland teilgenommen haben, bestätigen die im Folgenden dargelegten Ausführungen zur Relevanz der Mitglieder des Gesellschafterkreises für die Entwicklungsdynamik der Unternehmenskrise. Demnach schreiben 71% der Studienteilnehmer den Mitgliedern der Gesellschafterfamilie eine zentrale Bedeutung bei der Krisenbewältigung zu. Siehe hierzu Wimmer et al. (2009, S. 28 ff.).
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Dieser beschreibt anschaulich das systematisch angelegte Selbstgefährdungspotenzial von Unternehmerfamilien in ihrer Eigentümerrolle.
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Dabei kann die Reputation die eine Unternehmerfamilie besitzt, in diesem Zusammenhang ebenfalls von Bedeutung sein. Zur allgemeinen Relevanz der Reputation der Unternehmerfamilie siehe auch Donnelley (1964, S. 98 f.).
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Nach Angaben einer in 2006 durchgeführten Untersuchung bevorzugen Familienunternehmen nach wie vor Kleinstädte mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern als Firmensitz. Siehe o. V. (2007).
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An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht von mechanischen kausalen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen ausgegangen werden kann, in denen ein „externer“ Faktor eine determinierbare Veränderung oder Verhaltensweise hervorruft. Vielmehr ist von selbst organisierten Prozessen auszugehen, die einer zirkulären Kausalität folgen, bei denen bestimmte Handlungen und Verhaltensentscheidungen auf inhärenten Kräften beruhen, die sich an ordnungsbildenden Attraktoren orientieren. Siehe hierzu Kriz (2004, S. 22 f.).
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Zur Sinnkonstitution von Individuen mittels Sinnattraktoren sowie dem Aufbau kollektiver Deutungsfelder siehe Kriz (2004, S. 48 ff. sowie 62 f.).
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Die prägnantesten Beispiele hierzu waren Verhaltensbeschreibungen, die von Interviewpartnern mehrfach als „Aussetzer“ betitelt wurden. So wurde verschiedentlich (insbesondere im Zusammenhang mit geschäftsführenden Gesellschaftern) beschrieben, dass kritische Sitzungen z. B. mit Banken oder potenziellen neuen Eigentümern ohne Ankündigung fluchtartig verlassen wurden und die entsprechende Person (auch durch Familienmitglieder) mehrere Tage nicht mehr auffindbar war.
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„Selbstbeeinträchtigung (ist) ein Vorgang, in dem in Antizipation eines Misserfolgs Verhaltensreaktionen und Erklärungen entwickelt werden, um etwaige Fähigkeitsdefizite als mögliche Ursachen des Versagens zu minimieren“ Entnommen aus Zimbardo und Gerrig (2004, S. 635). So wurden z. B. bestimmte Verhaltensformen aktiv im Unternehmen tätiger Familienmitglieder beschrieben, die offensichtlich auf die Zerstörung bestehender guter Beziehungen zu Schlüsselkunden bzw. -lieferanten abzielten und so den Krisenverlauf massiv beschleunigten.
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Verschiedentlich lassen sich einzelne Parameter auch beiden der hier aufgeführten Kategorien zuordnen. Die hier vorgenommene Kategorisierung erfolgt dabei auf der Grundlage der meisten Nennungen eines Verhaltensparameters in einem bestimmten Kontext.
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„Mentales Modell einer Person über ihre Fähigkeiten und Eigenschaften“; entnommen aus Zimbardo und Gerrig (2004, S. 633).
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„Eine generalisierte wertende Einstellung gegenüber dem Selbst, die sowohl Stimmung als auch Verhaltensweisen beeinflusst und starken Einfluss auf eine Reihe von persönlichen und sozialen Verhaltensweisen ausübt.“; entnommen aus Zimbardo und Gerrig (2004, S. 634).
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Die Nachfrage der externen Krisenmanager, welche Ansätze ein „gutes Gefühl“ bedeuteten oder den familiären Vorstellungen entsprächen, konnte durch die Mitglieder der Unternehmerfamilie dann aber meist nicht beantwortet werden.
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Dem Verfasser ist kaum ein Fall bekannt, in dem das Verhalten der Tochter oder Gattin eines Vorstandsvorsitzenden einer börsennotierten Aktiengesellschaft eine Relevanz für dessen Verhandlungen mit Gewerkschaften oder Kapitalgebern im Krisenkontext besessen hätte.
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Siehe hierzu Abschn. 2.1.3, S. 48 ff. sowie insbesondere Abb. 2.2, S. 50.
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Im Folgenden wird aus Vereinfachungsgründen von Verhaltensweisen gesprochen.
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Die im Folgenden beschriebenen Handlungen decken sich in weiten Teilen mit den von Clasen beschriebenen Verhaltensformen von Unternehmern kleiner und mittlerer Unternehmen in Krisensituationen.
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Hier wurden Modifikationen zur Gewährleistung der Anonymität des Interviewpartners vorgenommen.
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Zur Bedeutung des Einsatzes von geschäftsführenden Gesellschaftern als zentrales motivierendes Element für die Mitarbeiter eines krisenbefallenen Unternehmens siehe auch Clasen (1992, S. 127).
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Eine von dem Autor mitverfasste Studie zu den Bewältigungsmustern der Wirtschaftskrise durch deutsche Familienunternehmen im Jahr 2009 bestätigt die hier aufgeführten typischen Maßnahmen und Verhaltensmuster.
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Vereinzelt und selten genannte Fehlentscheidungen im Hinblick auf waghalsige Wachstumsstrategien oder kriminelle Handlungen, die zum Ausbluten des Unternehmens um einer persönlichen Bereicherung willen geführt haben, finden als Verhaltensform hier keine Wertung, da sie nach Ansicht des Verfassers unabhängig von der Unternehmensform oder der Existenz einer angegliederten Unternehmerfamilie regelmäßig zu beobachten sind.
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Oetker weist darauf hin, dass der Erhalt der Eigentümerstruktur innerhalb der Unternehmerfamilie ein bedeutendes familieninduziertes Ziel in Familienunternehmen ist, welches durch ihre Mitglieder systematisch in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens eingebracht wird. Vgl. hierzu Oetker (1999, S. 49 f.).
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Diese Ergebnisse werden auch durch verschiedene andere Studien bestätigt. So wird die Forderung nach dem Austausch des Managements von 140 durch die Unternehmensberatung Turn Around Consulting befragten Bankenvertreter zu 94 % als zentraler Konfliktauslöser hervorgehoben, der das Konfliktniveau zwischen Bank und Unternehmen sehr stark beeinflusst. Als entscheidender Auslöser für die Entlassungsforderung werden dabei von den Bankenvertretern folgende Gründe angegeben: Verantwortung für die Fehlentscheidung in der Vergangenheit, zögerliche Umsetzung des Sanierungskonzeptes, generelle Überforderung mit der Sanierungssituation sowie Vertrauensverlust der Banken gegenüber dem Management. Entnommen aus: TAC (2005, S. 21 f. sowie 24 f.).
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Von den Interviewpartnern der Expertengruppen Krisenmanager/-berater, Bankenvertreter und Insolvenzverwalter wurden Schätzwerte zwischen 15 und 50 % der betreuten Krisenfälle genannt, die aufgrund der Verweigerung eines Familiengesellschafters, das Unternehmen zu verlassen, in die Insolvenz gingen, obwohl dieses eine realistische Sanierungschance gehabt hätte.
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Allerdings überwiegt nach Aussagen der Experten das vorher beschriebene Verhalten, „bis zum letzten Knopf“ alle Vermögensgegenstände zur Rettung in das Unternehmen einbringen zu wollen.
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Allgemein zur Bereitschaft einer Aufnahme familienexterner Gesellschafter unter den Bedingungen einer Krise siehe Finance (2004, S. 18 f.). Über relevante psychologische Aspekte der Akteure in Familienunternehmen im Hinblick der Aufnahme von Private-Equity-Firmen als Gesellschafter siehe Poech et al. (2005, S. 289 ff.).
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Diese Ergebnisse bestätigen auch andere Untersuchungen, so weisen z. B. Hauschildt et al. explizit auf Unerfahrenheit, Unfähigkeit im Top-Management etc. als wesentlichen Bestandteil personengeprägter Krisenursachen hin; vgl. Hauschildt et al. (2005, S. 12).
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Sich hierbei professioneller Hilfe durch Psychologen, Therapeuten, Coaches etc. zu bedienen, wird häufig aufgrund der dominierenden Vorstellung, dann „auf der Couch“ liegen zu müssen und über „Probleme der Kindheit“ zu erzählen, nicht in Betracht gezogen.
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Dieser weist ebenfalls auf die gesundheitlichen Schädigungen von Unternehmern kleiner und mittelständischer Unternehmen im Zuge öffentlich sichtbar werdender Krisenentwicklungen hin.
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Im Folgenden werden die Ausführungen von Greve zusammengefasst.
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Diese Ergebnisse decken sich auch mit anderen Untersuchungen zu Randbedingungen für Insolvenzen. Hauschildt definiert auf Basis seiner Untersuchungsergebnisse u. a. einen Missmanagement-Typ konservativer, starrsinniger und uniformierter Patriarch an der Spitze. Dieser neigt aufgrund seiner unstreitbaren Erfolge in der Vergangenheit zu Selbstüberschätzung und falschen Entscheidungen insbesondere im Absatzbereich; vgl. hierzu Hauschildt (2000, S. 12).
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Die Aussage zeigt jedoch auch, dass der Unternehmer nach wie vor die veränderten Rahmenbedingungen und die hiermit einhergehenden Anpassungsnotwendigkeiten einer Krise nicht vollständig verinnerlicht hatte.
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Auch hier erfolgten Modifikationen zur Gewährleistung der Anonymität.
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Simon et al. weisen in diesem Zusammenhang auch auf die Problematik eines innerfamiliären Konsens- und Harmoniezwanges hin. Dieser prägt Entscheidungen, die Hinnahme nachteiliger Entwicklungen im Unternehmen oder das Eingehen fauler Kompromisse „um des lieben Familienfrieden willens“. Siehe hierzu Simon et al. (2005, S. 166 f.).
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Hinsichtlich der prägenden Kraft von Traditionen in Unternehmerfamilien lassen sich sogar Einflüsse auf die Produkt- oder Geschäftspolitik von Familienunternehmen feststellen. Siehe hierzu Simon et al. (2005, S. 188 f.).
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Dabei wurden sowohl Beispiele genannt, in denen die restlichen Familienmitglieder auch über Gesellschaftsanteile verfügten, als auch solche, in denen der/die Nachfolger zumindest „formal“ die Möglichkeit gehabt hätte(n), seine/ihre Vorstellungen im Unternehmen durchzusetzen.
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Zur Gewährleistung der Anonymität wurden graduelle Modifikationen vorgenommen.
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Dabei benutzten teilweise auch Interviewpartner aus der Expertengruppe Familienunternehmer/Mitglied der Unternehmerfamilie diese Beschreibungen.
Literatur
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Zimbardo, P. G., & Gerrig, R. J. (2004). Psychologie. München: Pearson Studium.
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Rüsen, T.A. (2017). Familienunternehmen-typische Verhaltensweisen als Einflussfaktoren der Krisendynamik. In: Krisen und Krisenmanagement in Familienunternehmen. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-4671-3_5
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