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Realität und Kooperation: Entscheidungen in der Praxis

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Zusammenfassung

Viele Entscheidungskonzepte sind von Rationalität geprägt, und der Geist der Spieltheorie, wie sie in ihren Anfängen betrieben wurde, steckt auch heute noch in vielen Methoden. Doch wenn Menschen aufeinander treffen, spielen immer auch andere Aspekte eine Rolle.Wie umsetzbar sind die theoretischen Konzepte in einem praktischen Umfeld? Welche Situationen lassen sich realistisch mit den im ersten Kapitel besprochenen Methoden modellieren, und womuss man nachjustieren, modifizieren, abändern?Weitere Fragen ergeben sich, wenn viele Personen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden müssen. Der einzelne Beteiligte kann dann seine Position, seine Meinung vielleicht nicht klar genug von der der anderen trennen. Er muss anders denken, abwägen und entscheiden, und er muss sich und seine Überlegungen im Umfeld der anderen sehen. Kurz gesagt, er muss kooperieren. Der Begriff der Kooperation ist dabei nicht ganz klar umrissen. Er soll hier, wie schon in der Einleitung angedeutet, in Robert Aumanns Sinn verstanden werden, also als koalitional, im Gegensatz zur nicht-kooperativen, strategischen Ausrichtung. Und so beschäftigt sich dieses Kapitel mit bisher nicht oder nurwenig erwähnten Aspekten. Die Richtung, in die wir uns nun bewegen, ist folgende: Ein Konkurrent, ein Gegenspielerwird nichtmehr nur als Lieferant für Auszahlungswerte wahrgenommen („. . . wenn er Strategie s1 spielt und ich Strategie s2 spiele, dann beträgt mein Gewinn . . . “), sondern es wird ernsthafte Kooperation in Erwägung gezogen. Dies bietet die Möglichkeit, mit einemodermehreren Gegnern in Kontakt zu treten und durchwomöglich gemeinschaftliche Entscheidungen den Nutzen zu vergrößern.

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Notes

  1. 1.

    So heißt es in der berühmten Biographie Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann . Die brillanten Analysen Golo Manns, die strategischen, diplomatischen, politischen Wirrnisse während des dreißigjährigen Kriegs betreffend, machen ihn im Nachhinein zu einem Meister spieltheoretischen Gedankenguts. Ein anderer Autor, der sich an mehreren Stellen in seinem Werk in spieltheoretischer Hinsicht äußert, ist Hans Fallada, so etwa in Ein Mann will nach oben: „Großmütig darf man nur zu einem großmütigen Feind sein, ein kleinlicher Feind hält Großmut immer für Schwäche.“

  2. 2.

    Eine Liste dieser 14 Programme anzugeben, erwies sich in der Tat als schwierig. Auch Winfried Eggebrecht und Klaus Manhart äußern sich in der 2009er Überarbeitung eines im Jahr 1991 erschienen Artikels in der c't dazu folgendermaßen:

    Wenn man versucht, Axelrods Strategien nachzuprogrammieren, steht man vor einem Dilemma. Zum einen beschreibt Axelrod in seinem Buch nur etwa ein Viertel der eingereichten Entscheidungsregeln, und auch diese sind nicht immer ganz klar dargestellt. Zum anderen sind manche beschriebenen Regeln so komplex, dass es sehr aufwändig wäre, diese nachzuprogrammieren [24].

    Eggebrecht und Manhart geben aber eine aussagekräftige Liste von 14 „zentralen Strategien“ der beiden Turniere Axelrods an, die hier, in alphabetischer Reihenfolge, übernommen werden soll:

    • Always Cooperate kooperiert unabhängig von der Wahl des Gegners in jeder Runde.

    • Always Defect defektiert unabhängig von der Wahl des Gegners in jeder Runde.

    • Champion kooperiert in den ersten zehn Runden und spielt in den nächsten 15 Runden Tit-For-Tat. Nach 25 Runden kooperiert das Programm, es sei denn, der Gegner hat zuvor defektiert, hat bei weniger als 60 % der Fälle kooperiert und eine gewisse Zufallszahl zwischen 0 und 1 ist größer als die Kooperationsrate des Gegners bis zur letzten Runde.

    • Eatherley achtet darauf, wie oft der andere im bisherigen Spielverlauf kooperiert hat. Bei Defektion des Gegners defektiert es mit einer Wahrscheinlichkeit, die dem Verhältnis zwischen der Defektionszahl des Mitspielers und der Rundenzahl entspricht.

    • Feld beginnt mit Tit-For-Tat und verringert die Kooperationswahrscheinlichkeit nach einer Kooperation des Mitspielers graduell von 100 % in Runde 1 bis 50 % in der letzten Runde. Nach einer Defektion des Mitspielers wird immer defektiert.

    • France defektiert unabhängig vom Gegner im 4., 7., 10., 13. \(\ldots\) Zug und kooperiert sonst.

    • Grim von Friedman kooperiert solange, bis der Gegner zum erstenmal defektiert und defektiert dann für immer.

    • Joss spielt im Prinzip Tit-For-Tat, defektiert aber bei Kooperation des Gegners mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 %.

    • Random entscheidet zufällig auf Grund eines simulierten Münzwurfes.

    • Shubik beginnt kooperativ, defektiert, wenn der andere erstmals defektiert und erhöht mit jeder Defektion des anderen die Zahl der eigenen Defektionen um 1.

    • Tester defektiert bereits beim ersten Zug, um die Reaktion des Gegners zu testen. Defektiert dieser anschließend, kooperiert Tester und spielt dann für den Rest der Zeit Tit-For-Tat. Andernfalls kooperiert es beim zweiten und dritten Zug, defektiert aber danach bei jedem zweiten Zug.

    • Tit-For-Tat von Anatol Rapoport

    • Tit-For-Tat-K spielt Tit-For-Tat, aber nach jedem zehnten Zug unabhängig vom Zug des Gegners zwei kooperative Züge.

    • Tit-For-Two-Tats defektiert erst nach zwei Defektionen des Gegners.

    Bemerkenswert sind einige der Platzierungen dieser Programme. So scheint Random völlig ungeeignet zu sein, denn es konnte nur einen letzten Platz in Axelrods erstem und einen vorletzten im zweiten Turnier erreichen. Dies scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass Strategien auf jeden Fall reagieren sollten. Recht erfolgreich war auch Shubik mit einem fünften Platz im ersten Turnier. Dagegen konnte Grim, zu deutsch Ewige Verdammnis, mit einem 52. Platz nicht überzeugen.

  3. 3.

    In der damals gängigen Programmiersprache BASIC hatte das kürzeste Programm einen Code von vier Zeilen, das längste bestand aus 77 Zeilen.

  4. 4.

    Douglas Hofstadter, Autor des Klassikers Gödel, Escher, Bach, veröffentlichte im Jahr 1983 einen lesenswerten Beitrag im Spektrum der Wissenschaft, nämlich Kann sich in einer Welt voller Egoisten kooperatives Verhalten entwickeln? [40]. Diesem Artikel, in dem Hofstadter eine Analyse der Strategien aus Axelrods Wettbewerb gibt, ist das Zitat entnommen.

  5. 5.

    So schreibt Axelrod in seinem Buch Die Evolution der Kooperation [4].

  6. 6.

    Auch dieses Zitat stammt aus [40].

  7. 7.

    Dieses Beispiel wurde aus [18] übernommen.

  8. 8.

    Das Zitat stammt aus der Einführung in die Theorie der Spiele von Ewald Burger [11].

  9. 9.

    Hier sei auf das Buch Spieltheorie und Sozialwissenschaften von Shubik verwiesen [66].

  10. 10.

    Dieses Beispiel ist etwas ausführlicher in [57] beschrieben.

  11. 11.

    Um die charakteristische Funktion \(\nu\) in diesem Fall zu definieren, müssen die drei Bedingungen in mathematische Sprache übersetzt werden. Hierzu bedient man sich, nachdem man eine Nummerierung der Staaten festgelegt hat, wieder binärer Variablen \(x_{1},\ldots,x_{{27}}\), wobei \(x_{i}\) den Wert 1 annimmt, falls der Staat \(i\) zur Koalition \(K\) gehört, und 0, falls dies nicht der Fall ist. Ist dann \(s\) der Vektor der Stimmen und \(b\) der Vektor der Bevölkerungszahlen der 27 Staaten, so gilt \(\nu(K)=1\), falls

    • \(x_{1}+\ldots+x_{{27}}\geq 14\),

    • \(s_{1}\cdot x_{1}+\ldots+s_{{27}}\cdot x_{{27}}\geq 258\),

    • \(b_{1}\cdot x_{1}+\ldots+b_{{27}}\cdot x_{{27}}\geq 0{,}62\cdot(b_{1}+\ldots+b_{{27}})\).

  12. 12.

    Nach Vilfredo Pareto wird eine solche Kombination auch pareto-optimal genannt: Keiner der beiden kann sich verbessern, ohne dem anderen zu schaden.

  13. 13.

    Dies soll Aufteilungen der Art ausschließen, dass einer mehr Boden und einer mehr Füllung etc. bekommt, auch wenn dies vielleicht sogar gewünscht ist.

  14. 14.

    In seinem amüsanten Buch How to cut a cake – and other mathematical conundrums gibt Stewart eine Analyse einiger Kuchenteil-Algorithmen [70]. Er zeigt unter Anderem, dass der Algorithmus von Robertson und Webb [61] nicht allen Anforderungen entspricht.

  15. 15.

    Dieses vereinfachende, aber sehr plastische Beispiel findet sich beispielsweise in Spieltheorie für Anfänger von Dixit und Nalebuff [22]. Es ist eine plakative Version des Rubinstein-Stahl-Modells  [63]. Dieses Modell basiert auf einem von Ingolf Stahl im Jahre 1972 entwickelten Zwei-Personen-Spiel in zwei Runden, das Ariel Rubinstein dann dahingehend modifizierte, dass er einen theoretisch unendlichen Zeithorizont zuließ. Er konnte nachweisen, dass selbst unter diesen Umständen teilspielperfekte Gleichgewichte existieren.

  16. 16.

    Ein einfaches Beispiel sind Stiftungsfonds, wie etwa die Nobelpreise. Der schwedische Unternehmer Alfred Nobel verfügte in seinem Testament die Gründung einer Stiftung, deren Zinsen „als Preis denen zugeteilt werden soll, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. In der Tat werden hier und in vergleichbaren Fällen die Zinsen ausgezahlt, was theoretisch unendlich lange möglich ist, sofern sich nicht äußere Umstände dramatisch ändern.

  17. 17.

    Hierbei greift man auf das Konzept der geometrischen Reihe zurück. Ist \(q\) eine beliebige Zahl, deren Betrag \(|q|\) kleiner als 1 ist, so hat die unendliche Reihe

    $$Q=1+q+q^{2}+q^{3}+\ldots$$
    (4.13)

    einen endlichen Wert. Dies ist mit Hilfe eines Konvergenzprozesses nicht allzu schwer zu sehen, und in allen Standardwerken der Mathematik, in denen Grenzwerte behandelt werden, kann man dies nachlesen. Man kann auch ein sehr plausibles und anschauliches Argument geben, wenn man die mathematische Strenge der Konvergenz einmal außer Acht lässt. Multipliziert man die Gleichung (4.13) nämlich mit \(q\) und addiert anschließend 1 auf beiden Seiten, so ergibt sich

    $$1+q\cdot Q=1+q+q^{2}+q^{3}+\ldots\;,$$

    also

    $$1+q\cdot Q=Q\;.$$

    Auflösen nach \(Q\) ergibt dann

    $$Q=\frac{1}{1-q}\;.$$
  18. 18.

    Peter Wason entwickelte maßgeblich die Richtung der „experimentellen Denkpsychologie“ und bleibt vor allem mit seinen Experimenten in Erinnerung, von denen Wason's Selection Task wohl das berühmteste sein dürfte. Ein weiteres ist die sogenannte „2-4-6-Aufgabe“.

  19. 19.

    Genaueres hierzu ist in Psychology of Reasoning: Structure and Content von den beiden Autoren nachzulesen [75].

  20. 20.

    Das Zitat ist Irrtümer im deduktiven Hypothesentesten \(I\) : Die Forschungsarbeit von P. N. Johnson-Laird und P. C. Wason entnommen [5].

  21. 21.

    Hierzu vergleiche man Human Reasoning: The Psychology of Deduction [12].

  22. 22.

    In ihren Arbeiten zeigten Griggs [32] sowie Hoch und Tschirgi [39], dass bei den dort beschriebenen Experimenten der Prozentsatz der richtigen Antworten teilweise auf über 80 % gesteigert werden konnte.

  23. 23.

    Die Idee wurde dem Buch „Das Mathe-Gen“ von Keith Devlin entnommen, in dem er der Wason's Selection Task einen ähnlichen praxisnahen Rahmen gibt [20].

  24. 24.

    Dies ist ein Auszug aus Philip Johnson-Lairds Nachruf, erschienen in The Guardian am 25. April 2003.

  25. 25.

    Shubik veröffentlichte dazu die Arbeit The Dollar Auction Game: A Paradox in Noncooperative Behavior and Escalation [67]. Eine ausführliche und amüsante Diskussion der Dollarauktion findet sich in dem Buch von Laszlo Merö [53].

  26. 26.

    Die Studie Understanding overbidding: Using the neural circuitry of reward to design economic auctions von Delgado, Ozbay, Phelps und Schotter wurde 2008 publiziert [17].

  27. 27.

    Dieser Ansatz ist nach Aussage des Mathematikers Rolf Möhring, der Mathematik an der TU Berlin lehrt und sich mit Simulierung, Steuerung und Optimierung von Verkehrsflüssen beschäftigt, noch immer vernünftig. Dahingehend äußerte er sich während des zweiten „Lounge-Gesprächs“ des DFG-Forschungszentrums Mathematik für Schlüsseltechnologien im Jahre 2005, das er mit dem Numeriker Christof Schütte führte.

  28. 28.

    US-Senator Gaylord Nelson hatte 1970 die Idee: einen Aktionstag für die Erde an Universitäten und in Schulen. Sein Mitarbeiter Denis Hayes machte aus der Idee ein Weltereignis: Am 22. April 1970 feierten über 20 Millionen Menschen mit Aktionen den 1. Earth Day.

  29. 29.

    Der Artikel What if they closed 42nd Street and nobody noticed? von G. Kolata, dem dieses Zitat entnommen ist, erschien in der New York Times vom 25.12.1990.

  30. 30.

    Dietrich Braess publizierte das berühmte Ergebnis im Jahr 1968  [10]. Seit den frühen 1960er Jahren hatte er sich am Institut für Numerische und Angewandte Mathematik der Universität Münster mit Phänomenen der Verkehrsforschung und Verkehrssimulationen beschäftigt.

  31. 31.

    Die Idee dazu geht auf den niederländischen Mathematiker und Informatiker Edsger Wybe Dijkstra zurück. Es gibt eine schöne Illustration des Algorithmus, bei dem man sich einen gewichteten Graphen als eine Menge von Kugeln (die Knoten) vorstellt, die mit Hilfe von Bindfäden (den Kanten) miteinander verbunden sind; dabei soll die Länge der Fäden exakt der Bewertung der Kanten entsprechen. Will man nun von einer Ecke aus zu einer anderen den kürzesten Weg wissen, so hebt man das ganze aus Kugeln und Fäden bestehende Gebilde an eben dieser Kugel hoch und betrachtet dann diejenigen Fäden zwischen den Kugeln, die straff gespannt sind: der kürzeste Weg!

  32. 32.

    Unter einer Matrix verstehen wir schlicht gesagt ein „rechteckig angeordnetes Zahlenschema“. Erfolgt die Anordnung in \(m\) Zeilen und in \(n\) Spalten, so redet man von einer \((m\times n)\)-Matrix, und die Zahlen nennt man in diesem Zusammenhang Einträge oder Komponenten der Matrix. Die Position eines Matrixeintrags kann über die Zeilennummer \(i\) und die Spaltennummer \(j\) eindeutig festgelegt werden. Hierfür werden in der Regel Doppelindizes benutzt; so ist also etwa \(a_{{23}}\) der Eintrag in der zweiten Zeile und dritten Spalte. Im Allgemeinen sieht eine \((m\times n)\)-Matrix \(A\) so aus:

    $$A=\left(\begin{matrix}a_{{11}}&a_{{12}}&\cdots&a_{{1n}}\\a_{{21}}&a_{{22}}&\cdots&a_{{2n}}\\\vdots&\vdots&&\vdots\\a_{{m1}}&a_{{m2}}&\cdots&a_{{mn}}\end{matrix}\right)\;.$$
    (4.25)

    Manchmal schreibt man auch kurz: \(A=(a_{{ij}})\). Spezielle Fälle sind \(m=1\) (eine solche Matrix nennt man dann auch einen Zeilenvektor und \(n=1\) (dies ist entsprechend ein Spaltenvektor. Mit Matrizen kann man zunächst einmal „formal rechnen“. Hierbei erfolgt die Addition komponentenweise:

    $$\left(\begin{matrix}4&1&0\\-3&5&2\end{matrix}\right)+\left(\begin{matrix}-2&0&3\\-1&6&1\end{matrix}\right)=\left(\begin{matrix}2&1&3\\-4&11&3\end{matrix}\right)\;,$$
    (4.26)

    Für die Subtraktion gilt Entsprechendes. Man kann eine Matrix auch mit einer reellen Zahl \(\alpha\) multiplizieren, was ebenfalls komponentenweise erfolgt:

    $$2\cdot\left(\begin{matrix}4&1&0\\-3&5&2\end{matrix}\right)=\left(\begin{matrix}8&2&0\\-6&10&4\end{matrix}\right)\;.$$
    (4.27)

    Matrizen sind Hilfsmittel, schematische Darstellungen, aber „an sich nichts“. Wenn in der Literatur häufig von einer „Theorie der Matrizen“ die Rede ist, dann verschiebt sich ein wenig der Fokus. Man kann Matrizen benutzen, um auf elegante Weise lineare Abbildungen zu behandeln; man kann durch ihre Multiplikation Produktionsschritte zusammenfassen; mit Matrizen können Netzwerke und Graphen losgelöst von ihrer graphischen Darstellung beschrieben werden. Aber bei all diesen Anwendungen stehen nicht die Matrizen selbst im Mittelpunkt.

  33. 33.

    Die Multiplikation von Matrizen funktioniert nicht komponentenweise wie die Addition, sondern geht nach einem auf den ersten Blick komplizierten Schema vor sich. Dieses Schema aber hat eine tiefe praktische Bedeutung und kann tatsächlich auch aus der Praxis heraus motiviert werden. Werden etwa für die Herstellung dreier Erzeugnisse \(E_{1},E_{2},E_{3}\) die beiden Rohstoffe \(R_{1}\) und \(R_{2}\) benötigt, so lassen sich die erforderlichen Produktionskoeffizienten, die angeben, wieviele Einheiten eines Rohstoffs zur Produktion einer Einheit eines bestimmten Endprodukts erforderlich sind, übersichtlich in einer Matrix zusammenfassen:

    (4.28)

    Der Eintrag 2 oben links in (4.28) bedeutet, dass pro Einheit des Produkts \(E_{1}\) genau 2 Einheiten des Rohstoffs \(R_{1}\) erforderlich sind. Sollen nun etwa 5 Einheiten des Endprodukts \(E_{1}\) sowie 3 Einheiten von \(E_{2}\) und 6 Einheiten von \(E_{3}\) hergestellt werden, so kann man die hierfür erforderlichen Rohstoffmengen mit Hilfe der Koeffizienten von \(P\) berechnen. Von Rohstoff \(R_{1}\) sind nämlich insgesamt

    $$2\cdot 5+4\cdot 3+3\cdot 6=40~\text{ME}$$
    (4.29)

    erforderlich. Entsprechend werden 45 Einheiten von \(R_{2}\) benötigt, und wir erhalten den Rohstoffvektor

    $$r=\left(\begin{matrix}40\\45\end{matrix}\right)\;.$$

    Die Summe von Produkten wie (4.29) motiviert nun die Definition der Matrizenmultiplikation. Fasst man nämlich die gewünschten Einheiten der Endprodukte in dem Anforderungsvektor

    $$x=\left(\begin{matrix}5\\3\\6\end{matrix}\right)$$

    zusammen, so kann man die praxismotivierte Verflechtung der Produktionskoeffizientenmatrix \(P\) und des Anforderungsvektors \(x\) als formale Multiplikation von \(P\) und \(x\) definieren:

    $$r=P\cdot x\;.$$

    Anschaulich passiert bei dieser Multiplikation Folgendes: Man geht die Zeilen von \(P\) und zeitgleich den Spaltenvektor \(x\) durch und bildet die Produkte der entsprechenden Komponenten; diese Produkte werden dann insgesamt addiert, so wie in (4.29). Das Ergebnis ist der Spaltenvektor \(r\) mit zwei Einträgen – einer für jede Zeile von \(P\). Damit ist auch klar, welche Bedingung formal erfüllt sein muss, damit eine Matrix mit einem Vektor multipliziert werden kann. Die Zahl der Matrixspalten muss mit der Länge des Vektors (also der Zahl seiner Zeilen) übereinstimmen. Nun kann man dies verallgemeinern: Sollen zwei Matrizen \(P\) und \(Q\) miteinander multipliziert werden, so multipliziert man nach oben beschriebenem Schema \(P\) mit jeder der Spalten von \(Q\) und schreibt die Ergebnisse wieder in eine Matrix, die Produktmatrix. Die hierfür notwendige Bedingung ist dann klarerweise, dass die Anzahl der Spalten der ersten Matrix \(P\) gleich der Anzahl der Zeilen der zweiten Matrix \(Q\) ist. Sind dann beispielsweise eine \(l\times m\)-Matrix \(P\) und eine \(m\times n\)-Matrix \(Q\) gegeben, so ergibt sich der Eintrag \(r_{{ij}}\) der Produktmatrix \(R=P\cdot Q\) durch

    $$r_{{ij}}=p_{{i1}}\cdot q_{{1j}}+p_{{i2}}\cdot q_{{2j}}+\cdots+p_{{im}}\cdot q_{{mj}}\;,$$

    also durch Produktbildung „entlang der \(i\)-ten Zeile von \(P\) und der \(j\)-ten Spalte von \(Q\) und anschließende Summation. Die Frage nach der Umkehrbarkeit dieser Multiplikation (also, salopp gesagt, nach der „Dividierbarkeit“ von Matrizen) hängt eng mit der Theorie der Linearen Gleichungssysteme zusammen, und hier verweisen wir auf Bücher wie Lineare Algebra von Gerd Fischer [28].

  34. 34.

    Dieser Ansatz, der in der Praxis vielfach genutzt wird, wurde von James P. Keener entwickelt  [45].

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Wessler, M. (2012). Realität und Kooperation: Entscheidungen in der Praxis. In: Entscheidungstheorie. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3734-6_4

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  • Publisher Name: Gabler Verlag, Wiesbaden

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