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Strenge Polygamie oder Über schöne und weniger schöne Musik

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Auszug

Kapitel 1, der Warm-up am Klavier, begann ja mit Bachs Präludium Nr. 1 (BWV 846, wie Sie sich sicherlich erinnern). Und die Mitdenker unter Ihnen, die fragen sich jetzt — was? NICHTS?! — Sie sollten sich jetzt jedenfalls fragen,1 mit Hoffen und Bangen: Präludium? Vorspiel? Um Himmels Willen, ja kommt denn da noch was? Und Sie hoffen und bangen zu Recht. Kein Vorspiel ohne Nachspiel,2 keine Vorspeise ohne Hauptgang. Und bei Bach? Kein Präludium ohne — Fuge.

Wenn man die Frage „Was fragen Sie sich jetzt?“ unvermittelt an einen Kabarettgast in der ersten Reihe richtet, ist die übliche Reaktion eine Art Schreckstarre, die man durch ein fröhlich-vorwurfsvolles „Was, Sie denken hier nicht mit?!“ i. a. in allgemeiner Heiterkeit auflösen kann. Die schönste und cleverste, weil jegliche inhaltliche Erwägungen elegant abwürgende Antwort auf meine inquisitorische Frage „Was fragen Sie sich jetzt?“ war bisher: (unsicher) „Äh — ich frage mich jetzt — äh“ (triumphierend) „ich frage mich jetzt, wie wird’s jetzt wohl weiter gehen?“ Kabarett wird erst mit gutem Publikum wirklich gut.

Das wollen wir jedenfalls und ganz allgemein so hoffen. Die Romantik hat jedoch aus dem Präludium das Prelude gemacht, das tatsächlich für sich alleine steht. (Am berühmtesten wohl Rachmaninoff, cis-moll: molto bombastico Ding-Dang-Dong!) Barocke Kraftnaturen werden das als Zeichen von Schwäche und Dekadenz interpretieren. Wir Spätgeborenen erkennen darin das tiefeWissen um die Hinfälligkeit allen menschlichen Strebens. Man kann aber auch ganz nüchtern sagen: Vorfreude ist die schönste Freude.

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© 2008 Friedr. Vieweg & Sohn Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2008). Strenge Polygamie oder Über schöne und weniger schöne Musik. In: PISA, Bach, Pythagoras. Vieweg. https://doi.org/10.1007/978-3-8348-9466-3_4

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