Neurosen und Psychosen der Pubertät

Zusammenfassung

Um das sechste Lebensjahr gelangt die infantile Sexualentwicklung zu einem gewissen Abschlüsse. Das Kind tritt in die sogenannte Latenzperiode ein, die bis zur Vorpubertät (11.—13. Lebensjahr) andauert und in der sich die Entwicklung der Persönlichkeit in ruhigeren Bahnen vollzieht. Die kindlichen Triebregungen werden schwächer, die Beziehung zu den Eltern wird ruhiger, die leidenschaftliche Liebe zur Mutter wandelt sich in friedlichere Zärtlichkeit, die Bewunderung des allmächtigen Vaters kühlt sich ab und macht einer mehr kritischen Einstellung Platz, die der Wirklichkeit Rechnung trägt. Es setzt ein Ablösungsprozeß ein, der bei normaler Entwicklung mit dem Ende der Pubertät seinen Abschluß findet und in die Fähigkeit ausmündet, die Liebe einem Objekt zuzuwenden, das nicht der eigenen Familie angehört. Die infantilen Triebregungen werden zum Teile verdrängt, zum Teile auf sittliche und kulturelle Ziele abgelenkt, „sublimiert“. (Goethe spricht gelegentlich davon, daß sinnliche Triebe geistig sich formen.) Einzelne Züge der Persönlichkeit treten in dieser Periode stärker hervor, stürmischere Vorgänge werden im allgemeinen vermißt.