Die Entstehung des menschlichen Bewußtseins aus der Sicht der Paläoanthropologie und der Archäologie

Zusammenfassung

Die Hominiden, deren einzige lebende Spezies, Homo sapiens, wir selbst repräsentieren, gelten als die höchstentwickelten Primaten, ja — was ihr Bewußtsein betrifft — als die höchstentwickelten Lebewesen überhaupt. Zusammen mit den Pongidae (Menschenaffen) und Hylobatidae (Gibbons) sowie einigen ausgestorbenen Taxa bildet die Familie der Hominidae (Menschenartigen) die Überfamilie der Hominoidea (Menschenähnlichen), deren früheste Vertreter (u.a. Propliopithecus, Ägyptopithecus) schon im Oligozän, also vor etwa 35 Millionen Jahren lebten. Innerhalb der Familie Hominidae unterscheidet man zwei Gattungen, das Genus Australopithecus und das Genus Homo; nur die Arten des letzteren (Homo habilis, Homo erectus, Homo sapiens) werden — im Rahmen der sogenannten physischen Anthropologie (Humanbiologie) aufgrund ihrer körperlichen Erscheinungsform — als „Menschen“ bezeichnet.

„Umsonst kam der Frühling in das Land, umsonst schmückte sich die Schöpfung im hochzeitlichen Gewand: Mammut und Höhlenbär verstanden vom Frühlingsschmuck nichts. Der Erde fehlte noch ihr Höchstes, ihr Edelstes: das Organ für den Geist Gottes; dem Stoffe fehlte noch die Fähigkeit, sich selbst zu schauen und zu verstehen. Das ist die Stellung des Menschen unter den Geschöpfen der Erde, daß die Individuen dieses Geschlechts befähigt sind, sich dem ganzen übrigen Stoffe, dem organischen wie dem elementaren, den vergangenen wie den gegenwärtigen Erscheinungen der Körper als eine selbständige Persönlichkeit gegenüberzustellen“.

(O. Fraas, 1866)

Elke-Meinrad Winkler, Humanbiologe an der Universität Wien, wurde 1948 in Wien geboren, wo er nach Versuchen in den bildenden und darstellenden Künsten Theaterwissenschaften, Germanistik und Kunstgeschichte, später Psychologie, Medizin, Ur- und Frühgeschichte sowie Paläontologie studierte. Nach seiner Promotion im Hauptfach Psychologie absolvierte er ein zweites Studium mit dem Hauptfach Humanbiologie. Er vertritt einen umfassenden Anthropologiebegriff und arbeitet über die engeren Fachgrenzen hinaus auch an kulturwissenschaftlichen Themen. So reicht sein Spektrum von der historischen Anthropologie, speziell Osteopathologie über die Rassenbiologie zur Archäologie und Erkenntnistheorie. Zahlreiche Forschungsreisen und Ausgrabungen in Asien und Afrika weisen ihn als einen der selten gewordenen Feldforscher seines Faches aus. Im Rahmen des AltenbergerKreises lieferte er vor allen Beiträge zu Fragen der Hominiden-Evolution, der Wechselwirkungen zwischen Evolution und Kulturation sowie zum Problem der sogenannten transkulturellen Konstanten.