Zusammenfassung
1975 hat eine von der Bundesregierung berufene Sachverständigenkommission einen Bericht über die Versorgung psychisch Kranker in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt, die sogenannte „Enquete“, in der erhebliche Versorgungsmängel konstatiert wurden. Seither wurden in der BRD beträchtliche Anstrengungen zur Verbesserung sowohl der stationären, als auch der ambulanten und komplementären Versorgung unternommen. Im stationären Bereich ist schon seit Beginn der 70er Jahre ein stetiger Bettenabbau sowie eine Verkürzung der Verweildauer zu verzeichnen — vorwiegend durch die Entlassung chronisch Kranker aus langfristiger Krankenhausversorgung. Eine stärkere Gemeindenähe und Integration in die allgemein-medizinische Versorgung konnte durch den bisher nur beschränkt verwirklichten Aufbau psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern nur teilweise erreicht werden. Ursache für diese zögerliche Entwicklung ist u. a. die Forderung der Enquete-Komission nach Einstufigkeit der Krankenhausversorgung, die keine Differenzierung in Krankenhäuser für Akutbehandlung und solche für mittel- und langfristige Rehabilitation erlaubt und Abteilungsgrößen erforderlich macht, die den Rahmen der meisten Allgemeinkrankenhäuser sprengen würden Zahlreiche Probleme zeigen sich auch noch im Bereich der komplementären Versorgung, in dem es zum Auf- und Ausbau von Heimen, Wohngruppen, Sozialpsychiatrischen Diensten, Clubs, Tagesstätten, uvm. kam. Diese genügen aber bisher weder quantitativ noch qualitativ den Anforderungen, welche die große Zahl chronisch psychisch Kranker, die im Zuge der Reformen entlassen wurden, und die sogenannten neuen chronisch Kranken, die unter den Bedingungen gemeindepsychiatrischer Versorgung entstehen, an eine bedarfsgerechte und umfassende Betreuung stellen. Im ambulanten Bereich ergibt sich mit einem Nervenarzt auf rund 21.500 Einwohner bei oberflächlicher Betrachtung inzwischen schon eine weit bessere Versorgung als sie von der Sachverständigenkommission gefordert wurde, wobei aber auch hier bei differenzierterer Analyse noch erhebliche Versorgungslücken bestehen.
Summary
In 1975, an expert committee commissioned by the Government presented a report on psychiatric care in the Federal Republic of Germany This,,Enquete“ uncovered consisderable care deficits. Great efforts have since been made in West Germany to improve inpatient, outpatient and complementary care. The constant reduction of beds and shortened periods of hospitalisation which have been registered in the inpatient sector since the 1970s have been brought about mainly by discharging chronically ill patients from long-term hospital care. Closer contacts to the community and enhanced integration into general medical care have been achieved only in part by establishing a limited number of psychiatric departments in general hospitals. One of the main factors inhibiting progress is the expert committee’s demand for single-stage hospital care which does not distinguish between hospitals for acute cases and hospitals dedicated to medium- and long-term rehabilitation and requires departments whose size would exceed the capacity of most general hospitals. In addition, there are numerous problems in complementary care, where sheltered homes and appartments, social psychiatric services, clubs, day units, etc. have been established and their numbers increased. However, they do not satisfy the requirements, both in quality and in quantity, for a comprehensive care tailored to needs of the many chronically ill mental patients who were discharged from hospitals and nursing homes in the course of psychiatric reforms and of the „new“ chronically ill, who emerge under the circumstances of community care. As for outpatients treatment, the situation appears to have improved considerably, with a current ratio of one neuropsychiatrist to 21,500 inhabitants exceeding the supply demanded by the expert committee, while closer scrutiny still reveals considerable supply gaps also in this field.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die alten Bundesländer.
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Rössler, W., Riecher-Rössler, A. (1991). 15 Jahre Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland. In: Meise, U., Hafner, F., Hinterhuber, H. (eds) Die Versorgung psychisch Kranker in Österreich. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-9190-3_15
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