Zusammenfassung
Wenn man von „Gewöhnung“ spricht, denkt man fast zwangsläufig in erster Linie an den Morphinismus. Tatsächlich ist die beim Morphinismus (resp. beim Opiumabusus) zutage tretende Gewöhnung wohl die am längsten bekannte und auf alle Fälle die, welche die Forschung auf dem Gebiete der Gewöhnung am stärksten angeregt hat. Eine „Gewöhnung“ liegt z. B. dann vor, wenn sich hochgradige Morphinisten ein vielfaches der für normale Menschen tödlichen Morphinmenge zuführen können, ohne unmittelbaren körperlichen Schaden zu nehmen; ja die für Morphin typischen somatischen Wirkungen brauchen nicht einmal angedeutet aufzutreten. Der Morphinist regelt seine Morphinzufuhr so, daß die als psychisch angenehm empfundenen Wirkungen — bei deren Fehlen das Leben für ihn nicht mehr lebenswert scheint — gerade in gewünschter Stärke vorhanden sind. Dabei treten eventuell die für Morphin charakteristischen und therapeutisch verwendeten somatischen Wirkungen, wie die analgesierende Wirkung, die atmungsverlangsamende und hustenstillende Wirkung und die ruhigstellende Wirkung auf den Magendarmtrakt nicht oder doch nur wenig in Erscheinung, obwohl sie beim normalen Menschen schon in viel geringerer Dosierung stark ausgeprägt wären. Für diese letzteren Wirkungen besteht eben „Gewöhnung“, worunter wir mit Joel 1923 den Zustand verstehen wollen, daß zum Auslösen eines bestimmten Effektes eine größere Dosis erforderlich ist als normalerweise. Die im Zustand des Gewöhntseins zur Auslösung einer Wirkung erforderliche Dosis kann eventuell so hoch sein, daß die betreffende Wirkung praktisch gar nicht mehr erhalten werden kann. Dieser Fall besteht dann, wenn der Organismus schon als Folge einer anderen, durch eine geringere Dosis hervorgebrachten Wirkung zugrunde gehen würde.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1950 Springer-Verlag in Vienna
About this chapter
Cite this chapter
Bucher, K., Doerr, R. (1950). Gewöhnungsphänomene an höher entwickelten Organismen. In: Doerr, R. (eds) Die Immunitätsforschung Ergebnisse und Probleme in Einƶeldarstellungen. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-7741-9_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-7091-7741-9_2
Publisher Name: Springer, Vienna
Print ISBN: 978-3-211-80147-5
Online ISBN: 978-3-7091-7741-9
eBook Packages: Springer Book Archive