Zusammenfassung
Recht und Moral stehen im Sprachgebrauch des Alltags in enger Verbindung. Ganz besonders deutlich ist dies im Strafrecht, wo es um den Schutz von bestimmten Gütern geht, die in den Vorstellungen der Bürger durchwegs mit Werten verbunden sind, deren Befolgung diese als moralisch geboten erachten und deren Schutz sie, darüber hinaus, vom Staat erwarten. Man denke z.B. an den Wert des menschlichen Lebens einerseits und die rechtliche Lösung der Kollision zwischen dem Interesse der werdenden Mutter und dem heranwachsenden Leben des Embryos im Rahmen der sogenannten „Fristenlösung“1 andererseits. Moralische Vorstellungen, die als verpflichtend erlebt werden, finden sich aber genauso auch in den anderen Teilen der Rechtsordnung: Dies zeigt z.B. die enge Verbindung, in der die sogenannten „Sozialhilfegesetze“ der Bundesländer mit den verschiedenen Ausfaltungen der Idee der Gerechtigkeit2 stehen.3 Die sogenannten „Grundrechte“, die die Position der einzelnen gegenüber dem und im Staat festlegen, werden heute immer mehr auch rechtlich als Ausdruck von Werten verstanden, deren Verwirklichung moralisch gefordert sei. Die modernen Theorien der „civil society“4 legen eine ganz besonders starke Betonung auf die moralische Verpflichtung des einzelnen und des Staates zur Verwirklichung der Gemeinschaftswerte.
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Literatur
Vgl. etwa: Freise, Kristin (1993): Die Abtreibungsproblematik im Spannungsfeld zwischen Moral, Recht und Politik. Saarbrücken.
Zu den Ausformungen der Gerechtigkeitsidee im Recht vgl. Perelman, Chaim (1967): Über die Gerechtigkeit. München; Rawls, John (1979): Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a.M.; Höffe, Otfried ( 1987 ): Politische Gerechtigkeit. Frankfurt a.M.
Vgl. dazu die jüngsten öffentlichen Debatten zur Frage, ob und welche Hilfe Ausländern zuteil werden sollte, die als Flüchtlinge, wenn auch illegal, nach Osterreich eingereist sind.
Besonders nachdrücklich: Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung, S. 443ff. Frankfurt a.M.
Vgl. Bydlinski, Franz (1994): Das Privatrecht im Rechtssystem einer Privatrechtsgesellschaft. Wien — New York: Springer.
Als Schutz von Rechtspositionen der Bürger gegen schockartige Frustrationen durch den Gesetzgeber, vgl. Thienel, Rudolf (1990): Vertrauensschutz und Verfassungsrecht. Wien.
Die gesetzlichen Maßnahmen zur Verwirklichung bestimmter öffentlicher Ziele — z.B. die Eingriffe in die persönliche Freiheit zum Zwecke der Bekämpfung von Unrecht — dürfen nicht „außer Verhältnis“ stehen. So darf die Schußwaffe gegen einen flüchtenden Parksünder wohl rechtens nicht eingesetzt werden, weil die damit verbundene Gefährdung von Gesundheit und Leben zum öffentlichen Zweck der Ordnung des ruhenden Verkehrs in keinem Verhältnis stünde. Vgl. dazu § 29 SPG, BGB1. 1991/566 i.d.g.F. und § 4 ff. WaffGebrG, BGB1. 1969/149 i.d.g.F.
Wertungsfragen lassen sich nie gänzlich rationalisieren.
Zur Begriffsbestimmung von Ethik und Moral, sowie des Ethos: Pieper, Annemarie (1985): Ethik und Moral. Eine Einführung in die praktische Philosophie. München.
Alexy, Robert (1978): Theorie der juristischen Argumentation. Frankfurt; Schreiner, Helmut ( 1980 ): Die Intersubjektivität von Wertungen. Berlin.
Für Osterreich vgl. Stock, Wolfgang (Hrsg.) (1986): Ziviler Ungehorsam in Osterreich. Wien. „Ziviler Ungehorsam kann einmal im rechtmäßigen Einsatz von Grundrechten gegen als moralisch nicht vertretbare rechtliche Maßnahmen bestehen; insbes. kommen dafür die Meinungs-und Kommunikationsfreiheit, sowie die Pressefreiheit und die Versammlungs-(Demonstrations-)freiheit in Betracht. Ziviler Ungehorsam kann aber auch in der gezielten rechtswidrigen öffentlichen Verweigerung des Gehorsams gegen eine Norm bestehen. Der Verweigernde hegt dabei die Hoffnung, durch sein öffentliches Verhalten die Öffentlichkeit dafür zu gewinnen, sodaß die kritisierte rechtliche Maßnahme zurückgenommen oder doch abgeändert wird.“
S. Anm. 2.
Die „Glaubenskriege“ waren deshalb nicht nur Ausdruck ungezähmten Machtstrebens, sondern in mindestens demselbem Ausmaß auch Versuche der Wiederherstellung der verloren gegangenen Einheit von Recht und Moral, vorwiegend im Gewand religiöser Vorstellungen.
Wie dies jedenfalls der extreme etatistische Rechtspositivismus tut. Die gegenteilige Behauptung, wonach das Recht notwendig mit moralischen Vorstellungen verbunden sei, wird von den Naturrechtstheorien vertreten. Vgl. dazu: Ott, Walter (1988): Der Rechtspositivismus. Berlin; Alexy, Robert (1992): Begriff und Geltung des Rechts. Freiburg i.Br./München.
Dazu Zippelius, Reinhold (1982): Rechtsphilosophie, S. 29ff. München.
Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten (Akademie-Ausgabe, Bd. VI: Einleitung in die Rechtslehre. § B. Was ist Recht? S. 229f).
Allgemein ist ein Gesetz, wenn es alle Bürger gleichermaßen verbindet und Unterschiede nur so weit zugelassen werden, als sie in der Sache begriindet sind.
Anm. 16.
Dazu Zippelius, Reinhold (1982): Rechtsphilosophie, S. 105 ff. München.
Vgl. Kriele, Martin (1994): Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl., S. 273 ff. Opladen.
Z.B. StPO, VStG, ZPO.
Zur „offenen Gesellschaft“ vgl. Popper, Karl (1977): Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Bde. 1, 2, 5. Aufl.; zum Recht: Zippelius, Reinhold (1982): Rechtsphilosophie, S. 78ff. München.
So etwa die Universalisierungsmaxime, etwa im Sinne des kategorischen Imperativ Kants, oder der „Goldene Regel“ der Ethik.
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Schreiner, H. (2001). Recht und Ethik. In: Hutterer-Krisch, R. (eds) Fragen der Ethik in der Psychotherapie. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-6750-2_10
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