Zusammenfassung
Mit Einführung des Unterbringungsgesetzes (UbG,1991) kam es zu einer deutlichen Zunahme von Patienten, die nach Begehung einer Straftat in krankheitsbedingt zurechnungsunfähigem Zustand als psychiatrische Untersuchungshäftlinge gemäß § 429/4 StPO strafgerichtlich eingewiesen wurden (+75%). Hinsichtlich dieser Tendenz zur Kriminalisierung psychiatrischer Patienten erwies sich die effektive Dauer einer einmal ausgesprochenen Unterbringung als kriminalprophylaktisch bedeutsamer als der insgesamt rückläufige Trend der Gesamtunterbringungen nach UbG.
Eine überdurchschnittliche Zunahme an als Untersuchungshäftlinge kriminalisierten Patienten war in all jenen Bundesländern zu beobachten, in denen überdurchschnittlich viele Unterbringungen kurzfristig (bis zur Anhörung oder bis zur mündlichen Verhandlung) aufgehoben worden waren.
Umgekehrt wiesen Bundesländer mit langer Dauer einer einmal ausgesprochenen Unterbringung nach UbG trotz teilweise rückläufigen Unterbringungszahlen keine Zuwachsraten an psychiatrischen Untersuchungshäftlingen auf.
Die Praxis der Krankenanstalten bei der Aufhebung von Unterbringungen stand interessanterweise in keinem direkt erkennbaren Zusammenhang mit der Spruchpraxis der Anhaltegerichte. Die Art der Erkrankung (vornehmlich Schizophrenien), die begangenen Deliktarten (vor allem gefährliche Drohung, Nötigung und Körperverletzung) sowie die häufige Aufhebung der strafgerichtlichen Anhaltung (bei etwa 50% innerhalb von 3 Monaten Behandlung) weisen auf die idealerweise bereits prophylaktisch umzusetzende Behandlungsbedürftigkeit dieser Patienten hin.
Eine an der kriminalprophylaktisch wirksamen Behandlungsqualität orientierte Vereinheitlichung der Unterbringungspraxis sowie ein rascher Ausbau konfliktnaher extramuraler Behandlungsangebote erscheint erforderlich.
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Knecht, G., Schanda, H., Morawitz, I., Werner, E. (1994). Kriminalisierung psychisch Kranker? Strafrechtliche Folgewirkungen des Unterbringungsgesetzes. In: Katschnig, H., König, P. (eds) Schizophrenie und Lebensqualität. Aktuelle Probleme der Schizophrenie, vol 5. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-6626-0_27
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