Analysieren von Formen der Lebendigkeit und der Leblosigkeit

Zusammenfassung

In den letzten Jahren wurde mir zunehmend bewusst, dass das Gefühl für Lebendigkeit und Leblosigkeit der Übertragung-Gegenübertragung für mich vielleicht den wesentlichen Maßstab des Moment-zu-Moment-Status des analytischen Prozesses darstellt. In vier klinischen Diskussionen werde ich die Vorstellung untersuchen, dass ein wesentliches Element analytischer Technik darin besteht, dass der Analytiker von seinem Erleben in der Gegenübertragung Gebrauch macht, um bestimmte expressive und defensive Rollen des Gefühls von Lebendigkeit und Leblosigkeit der Analyse zu hinterfragen wie auch die besondere Funktion dieser Erlebensqualitäten in der Landschaft der inneren Objektwelt und der inneren Objektbeziehungen des Patienten. Aus dieser Perspektive kreisen die für Analytiker und Analysand zentralen Probleme zunehmend um Fragen wie: Wann hatten beide an der Analyse Beteiligten zum letzten Mal das Gefühl, dass diese lebendig war? Gibt es eine versteckte Vitalität, die vom Analytiker und/oder dem Analysanden aus Angst vor den Konsequenzen ihrer Anerkennung nicht “zugegeben„ werden kann? Welche Arten von Ersatzbildungen könnten die Leblosigkeit der Analyse verdecken, z.B. manische Begeisterung, perverses Vergnügen, hysterischer Rückzug und hysterisches Ausagieren, Als-ob-Konstruktionen, parasitäre Abhängigkeit vom Innenleben des Analytikers etc.?

Wir werden nun einen dritten Tiger jagen, doch wie die beiden anderen wird auch dieser eine Form sein, eine Form meines Traums, eine Struktur von Worten und nicht ein Tiger aus Fleisch und Blut, der nichts von Mythen weiß, einer, der seinen Schritt auf den Boden setzt. Ich weiß diese Dinge sehr wohl, doch treibt mich unablässig eine Kraft bei dieser ungewissen und unvernünftigen Suche, die lange schon andauert Und ich suche weiter durch die Stunden nach einem Tiger, einem Biest, das ich im Vers nicht gefunden habe. (“Der andere Tiger„, J.L. Borges, 1960)