Zusammenfassung
Eine Frage, an der sich der Methodenstreit in den verschiedensten Forschungsgebieten immer wieder entzündet hat, ist diejenige, ob eine Gruppe mehr oder minder scharf abgegrenzter Untersuchungen und Untersuchungsergebnisse überhaupt Wissenschaftscharakter habe, und, wenn dies der Fall ist, ob sie eine selbständige Wissenschaft bzw. eine Gruppe von selbständigen Wissenschaften konstituiere. Lassen wir die Rangstreitigkeiten der Fakultäten in früherer Zeit, die sich weitgehend auf atheoretischem Boden abspielten, außer acht und wenden wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich denjenigen Methodenkämpfen zu, die sich an dem Gesichtspunkt einer systematischen Klassifikation der Wissenschaften orientieren, so sind die wichtigsten Streitpunkte hinsichtlich der wissenschaftstheoretischen Charakteristik der Sozialwissenschaften die folgenden:
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1.
Gibt es neben den Naturwissenschaften eigenständige Geisteswissenschaften oder ist diese Einteilung nur ein Symptom für das wenig vorgeschrittene Entwicklungsstadium, worin sich die sogenannten Geisteswissenschaften gegenwärtig noch befinden, ein Stadium, für das es charakteristisch ist, daß die noch mangelnden exakten Erkenntnisse durch spekulative Konstruktionen substituiert werden? Die letztere These ist diejenige des Naturalismus, der neuerdings in geläuterter, den Ergebnissen der neueren Naturforschung Rechnung tragender Form als „Physikalismus“ auftritt.
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2.
Sind nicht alle Geisteswissenschaften (und daher auch alle Sozialwissenschaften) als Wissenschaften vom Menschen — dessen Spezifikum darin liegt, daß er ein seelen- und geistbegabtes Wesen ist, — nur Disziplinen der Psychologie? Wie wir bereits festgestellt haben (vgl. oben S. 40), ist diese Frage insbesondere für die Logik, die ebenfalls als Geisteswissenschaft aufgefaßt wurde, akut geworden.
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Anmerkungen
Vgl. unten S. 237 ff.
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Kaufmann, F. (1936). Vorbereitende Bemerkungen. In: Methodenlehre der Sozialwissenschaften. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-6001-5_9
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