Zusammenfassung
Ich hielt es, wie Sie mir wohl glauben, für eines meiner wichtigsten Geschäfte, mich den Primaten meiner Kunstwissenschaft, deren Wien stets eine ansehnliche Anzahl aufzuweisen hatte, in geziemender Bescheidenheit vorzustellen. Leider war mir zu diesem besonderen Zwecke die gemessene Zeit meines Aufenthalts nicht günstig; denn das herrliche Wetter hatte — da eben die Herbstferien begonnen haben — die meisten aufs Land in die Nähe und Ferne zerstreut, die einen, um ihre Gesundheit herzustellen, wie Kolletschka, der sich bei einer Sektion unglücklicherweise verletzt hatte und deshalb nach Ischl gegangen ist, die andern, um sich von ihren Anstrengungen zu erholen, wie die Primarärzte Schuh und Skoda. Auch den verehrten Rokitansky traf ich gleichsam in der Abreise begriffen und sein herzlicher Empfang machte mir nur meinen Verlust um so fühlbarer, obwohl ihm vor allem die Erheiterungen eines Feriengenusses zu gönnen sind. Außerdem machte ich die Bekanntschaft des Primararztes Sigmund, eines Siebenbürgners2), der durch scharfen Verstand und edlem Freimut imponiert, des Professors Seligmann3), bekannt durch seine trefflichen Leistungen auf dem Orientalen Felde der Geschichte der Medizin, des Dozenten an der medizinischen Fakultät Dr. Heider 4), der in ausgebreiteter Praxis die Zahnheilkunde aufs glücklichste kultiviert und des Professors Beer5), welcher, zugleich Gerichtsarzt, mit unermüdetem Eifer das Studium der gerichtlichen Medizin zu heben bemüht ist. Alle diese Herren nahmen mich auf das freundlichste und zu jeder Hilfe bereit auf, wie man denn auch die Humanität der Wiener gegen Fremde nie genug rühmen kann. Natürlich kommt hierzu noch eine entsprechende Anzahl von jüngeren Ärzten und Kollegen, deren freundlichen Mitteilungen ich für manche wesentliche Berichtigung meiner Ansichten verpflichtet bin, wie ich denn vorzüglich den Sekundarärzten Dr. Pulitzer und Dr. Lang für die Zuvorkommenheit, mit welcher sie mich in den Anstalten leiteten, zu besonderem Danke verbunden bleibe.
Neue Ausgabe, Stuttgart 1850. S. 25 bis 35. 5. Brief.
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References
Ernst Anton Quitzmann, bayrischer Militärarzt und Mediko-historiker (1809 bis 1879).
Carl Sigmund, später Professor und Vorstand der Klinik für Syphilidologie, stammte aus Schäßburg.
F. R. Seligmann, Professor für Geschichte der Medizin, übte seit 1833 die akademische Lehrtätigkeit als Dozent aus, er hatte sich namentlich durch die Edition der Arzneimittellehre des persischen Arztes Abu Mansur Muwaffak einen Namen gemacht.
Moritz Heider war seit 1843 Dozent für Zahnheilkunde.
Hieronymus Beer, Professor der gerichtlichen Medizin an der juristischen Fakultät, wurde 1851 Extraordinarius für medizinische Polizei.
Die medizinische Fakultät in altem Sinne, das heißt die in Wien promovierten und rezeptierten Doktoren umfassend, das medizinische Doktorenkollegium, erhielt sich, wenn auch mit stets sinkendem Einfluß, bis 1872. Seitdem die Universität Staatsanstalt mit besoldeten Fachprofessoren geworden war, durften die übrigen Fakultätsmitglieder freilich nicht mehr lehren, doch betrachtete das Doktorenkollegium die Professoren nur als einen zum Lehren delegierten Teil von sich. Der Dekan des Professorenkollegiums mußte aus dem Doktorenkollegium gewählt werden, doch spielten damals die Dekane neben den Studiendirektoren eine unbedeutende Rolle. Erst durch das provisorische Universitätsgesetz vom 30. September 1849 wurde dem Professorenkollegium das Recht eingeräumt, aus seiner Mitte den Dekan zu wählen. Es bestand fortan das Professorenkollegium neben dem Doktorenkollegium als anerkannte Korporation, beide zusammen bildeten die „medizinische Fakultät“, doch führte das Doktorenkollegium vornehmlich diesen Titel. Der Professorendekan hatte Sitz und Stimme im Doktorenkollegium, der Doktorendekan hatte das Gleiche im Professorenkollegium und fungierte bei den Rigorosen mit. Endlich, 1872, wurde dieser unsinnige Zustand beseitigt, das heißt das Doktorenkollegium aus dem Universitätsverband ausgeschlossen.
Vgl. Medizinische Jahrbücher des k. k. österreichischen Staates, 40. Bd., Wien, 1842. „Über die Quellen des heutigen ärztlichen Miß-behagens und die Mittel, um demselben wirksam zu steuern.“
Mannheimer, Einige Worte über Juden und Judentum (Außerord. Beil. zur Österr. med. Wochenschr. 1842, Nr. 34). Rosas Erwiderung (Außerord. Beil. zur österr. med. Wochenschr. 1842, Nr. 34, Seite 11 bis 16) Hayne (1. c. Nr. 38).
Die Vorwürfe richteten sich hauptsächlich gegen den Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Schiffner, dessen amtliche Tätigkeit nicht immer musterhaft war; 1843 erteilte ihm die Regierung eine Rüge, 1848 wurde er pensioniert.
Diener Rokitanskys.
Erst 1858 ging man an die Errichtung eines würdigen pathologisch-anatomischen Instituts. Die feierliche Eröffnung der Anstalt, welche auch die für die medizinische Chemie und gerichtliche Medizin nötigen Räumlichkeiten umfaßte, fand am 24. Mai 1862 statt.
In der 1848 in Leipzig erschienenen Schrift „Eine Reise nach Wien“ von Therese (v. Bacheracht, resp. Lützow) wird ein Besuch im Narrenturm geschildert (Seite 258 bis 275). Einleitend heißt es: „Auch in anderer Rücksicht scheint in Wien ein Humanitätsfortschritt, und zwar für die Menschenklasse zu geschehen, welche die Leidendste unter allen Leidenden ist. Ich meine die öffentliche Irrenanstalt, deren Lokalität so furchtbar schlecht, so durchaus auf die Entwicklung und Förderung des Wahnsinns berechnet scheint, daß endlich an bessere, wohltuendere Räume gedacht werden muß. Schon liegt ein Plan zur Unterschrift des Kaisers vor, der den Unglücklichen wenigstens die Möglichkeit des Gesundwerdens eröffnen wird. Es handelt sich um ein Kapital von achthunderttausend Gulden zur Aufführung eines Gebäudes, das den unseligen Narrenturm, diesen schrecklichen Irrtum des vorigen Jahrhunderts, infolgedessen die Irren unschädlich gemacht, aber nicht geheilt werden konnten, in eine andere, praktischere, menschenfreundlichere Form bringen soll. Die Ärzte haben die besten Absichten; sie haben Kenntnisse, Befähigung, Ausdauer, aber sie würden teilweise in ihrem Berufe durch den Mangel einer psychischen Direktion, hauptsächlich durch die Lokalität und den Mangel an Platz gehindert, da dieser es notwendig macht, oft zwei, drei Irre in ein ganz kleines Zimmer zusammenzutun, wo sie sich natürlich durch diesen beständigen Kontakt gegenseitig in ihrem Wahnsinn bestärken. In Pragist bereits eine vortreffliche Irrenanstalt ins Leben getreten. Warum nicht längst in Wien, wo es sich doch nur um den Federzug eines einzigen handelt ?
François-Emanuel Fordere, franz. Gerichtsarzt (1764–1835).
Philippe Pinel (1755 bis 1826), Professor in Paris, der vom Konvent die Erlaubnis ertrotzte, die Wahnsinnigen aus der Gemeinschaft mit Verbrechern zu befreien.
Michael Viszanik wurde 1831 Hausarzt in der Findelanstalt undim Waisenhause, 1840 Primararzt im Allgemeinen Krankenhause und übernahm die Irrenabteilung, seit 1844 warer auch als Dozent für Psychiatrie tätig. (Die ersten Vorlesungen über Psychiatrie erteilte in Wien der Verfasser der „Diätetik der Seele“, der Dichterarzt Ernst Freiherr v. Feuchtersleben, welcher als erster in Österreich ein später auch in Holland und England sehr beifällig aufgenommenes „Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde“, 1845, verfaßt hat.)
Schon 1831 hieß es in einem Gutachten: „Viszanik besitzt außer den notwendigen ärztlichen Kenntnissen zu wenig geistige Bildung und läßt bei einem von verschiedenen fremdartigen Interessen befangenen Gemüt nicht so bald ein Weiterschreiten darin erwarten, ist übrigens mehr als billig von seinem eigenen Wert eingenommen und hat in betreff seiner Charaktereigenschaften die meisten Stimmen gegen sich“
Schon 1806 hatte der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Nord erklärt, daß der Wiener „Narrenturm“ „schlechterdings nicht zum Muster eines neu aufzuführenden Irrenhauses dienen könne“. 1820 stellte der Direktor Joh. Nep. Raimann den Antrag, eine neue große Irrenanstalt zu erbauen, und ließ auf Grund seiner im Ausland erworbenen Erfahrungen einen Bauplan entwerfen, der 1826 die kaiserliche Genehmigung erhielt, aber unausgeführt blieb. Nach mehr als einem Jahrzehnt wurde die Angelegenheit wieder aufgenommen, wobei wiederholt verschiedene Projekte auftauchten, ohne daß man zu einem Entschlüsse kam. Erst im Mai 1848 begann man mit der Ausführung des Programmes, welches Medizinalrat Nadherny auf Grund der beim Bau der Prager Irrenanstalt gemachten Erfahrungen aufgestellt hatte. Die Ausführung erforderte vier Jahre, so daß erst 1853 die neue unter die Leitung Riedls gestellte Anstalt eröffnet werden konnte. Der „Narrenturm“ wurde aber auch dann noch, bis 1869, zur Unterbringung von Kranken verwendet.
Bruno Görgen, 1806bis 1814 Primararztim Allgemeinen Krankenhause, gründete eine Privatirrenanstalt in Wien (Gumpendorf), von wo er sie 1831 nach Oberdöbling verlegte. Er starb 1842, seine Nachfolger waren sein Sohn, dann Leidesdorf und Obersteiner sen.
R. Joh. Nep. Raimann starb im Irrsinn.
Joh. Emanuel Veith, als Jude geb. 1788 in Kuttenplan, zum Christentum übergetreten, nachmals der gefeiertste Kanzelredner Wiens, studierte ursprünglich Medizin, promovierte 1812, wurde Direktor der Tierarzneischule (als Nachfolger von Vietz) und verfaßte ein vortreffliches Handbuch der Veterinärkünde. Er fühlte aber plötzlich den Beruf in sich, Priester zu werden, legte die Direktion nieder und trat in den Liguorianerorden ein. Übrigens hörte er nicht auf, diejenigen ärztlich zu behandeln, welche bei ihm Hilfe suchten, und deren gab es stets eine große Zahl. In seiner bis ans Lebensende fortgesetzten ärztlichen Tätigkeit huldigte er später, nicht ohne Kritik, der Homöopathie.
Kolletschka starb infolge einer Infektion mit Leichengift. Die auffallende Übereinstimmung des Sektionsergebnisses bei der Obduktion der Leiche Kolletschkas mit den Wahrnehmungen an Puerperalfie berleichen brachte Semme1weiszur Erkenntnis, daßauch das Kndbettfieber eine Folge des Eindringens von Leichengift ist. Diese Erkenntnis, welche später zur Theorie erweitert wurde, daß überhaupt die Infektion mit in Zersetzungübergegangenen organischen Substanzen die Entstehung des Kindbettfiebers herbeiführe, erklärte auch das Rätsel, weshalb die Mortalität an der geburtshilflichen Klinik Kleins die Mortalität an der Hebammenklinik so außerordentlich überragte. An der Klinik Kleins, an der Ignaz Philipp Semmelweis als Assistent tätig war, wurden die Schwangeren und Wöchnerinnen eben häufig von Studierenden untersucht, die direkt aus dem Seziersaal kamen. Nachdem Semmelweis angeordnet hatte, daßsich jeder vor der Untersuchung die Hände in einer wässerigen Chlorkalklösung waschen müsse, erzielte er den überraschenden Erfolg: Während noch im April und Mai des Jahres 1847 auf 100 Geburten über 18 Todesfälle kamen, sank die Mortalitätsziffer in der Folge auf 245 herab.
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Schrift, E.A.Q. (1921). „Reisebriefe aus Ungarn,dem Banat, Siebenbürgen, denDonaufürstentümern, der Europäischen Türkei und Griechenland“. In: Die Wiener Medizinische Schule im Vormärz. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-5705-3_19
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