Zusammenfassung
Es lag an den politischen Verhältnissen der den Befreiungskriegen folgenden Zeit, daß nach der Stiftung der NaturforscherVersammlung (1822) noch Jahre verstreichen mußten, bevor ihre erstmalige Tagung in Wien ernstlich ins Auge gefaßt werden konnte, und es blieb das Verdienst des Grafen Kaspar Sternberg1), namentlich aber des allgewaltigen Staatskanzlers, des Fürsten Metternich, die entgegenstehenden Bedenken endlich entkräftet zu haben. Dem langgehegten Wunsche wurde durch Allerhöchste Entschließung vom 15. Dezember 1829 stattgegeben, und im Herbst des kommenden Jahres durfte der Gesellschaft, welche damals in Hamburg tagte, durch den Grafen Sternberg die Mitteilung überbracht werden, „daß Kaiser Franz die Absicht, Wien als nächsten Versammlungsort zu bestimmen, sehr freundlich aufgenommen und erklärt habe, daß er sich innig freuen werde, den ehrenwerten Verein in seiner Hauptstadt zu sehen.“ Schon waren von den beiden Wiener Gelehrten, welche man mit der Geschäftsführung der zehnten Naturforscherversammlung betraut hatte, dem Chemiker und Botaniker Josef Franz Freiherr von Jacquin und dem Astronomen Johann Litt row, alle Vorbereitungen zu einem würdigen Empfang getroffen2), als neuerdings ein Hemmnis auftrat, das wieder eine Verschiebung herbeiführte: das Herannahen und der Einzug der Cholera im Spätsommer des Jahres 18313).
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References
Graf Kaspar Maria von Sternberg (1761 his 1838) war ein hervorragender Naturforscher (Botanik, Geographie), der mit Goethe im Briefwechsel stand.
Die Einladung lautete: „Mit Allerhöchster Genehmigung Sr. k. k. Majestät wird die zehnte Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte i. J. 1831 in Wien statthaben. Die Sitzungen beginnen am 19. und enden am 27. September dieses Jahres. Die Herren Mitglieder werden ersucht, sich vom 12. bis 18. September, vormittags von 9 bis 11 Uhr und abends von 1 bis 6 Uhr, in dem Universitätsgebäude, Bäckerstraße Nr. 765, einzufinden, wo die unterzeichneten Geschäftsführer anwesend sein werden, um die Mitglieder einzuschreiben, ihnen die Aufenthaltsscheine zu ertheilen und sie mit den vorhandenen Wohnungen sowohl, als auch mit den näheren Einrichtungen der Gesellschaft bekannt zu machen. Wien, am 31. May 1831. Joseph Freiherr von Jacquin J. J. Littrow.“
Die Einladung mußte am 24. August 1831 zurückgenommen und auf das nächste Jahr verschoben Werden. Die Cholera war in Wien vereinzelt schon im August aufgetreten, im September wurde der Ausbruch amtlich bekannt gemacht, in den Wintermonaten schien sie verschwunden zu sein, trat aber im folgenden Frühjahr neuerdings heftig auf. Am 12. Juni erging eine neuerliche Einladung zur Versammlung der Naturforscher und Ärzte. Die Cholera raffte von der Bevölkerung Wiens, die damals etwa 330.000 Menschen betrug (bei 4362 Erkrankungen) 2188 Menschen hinweg. Unter den Todesopfern waren auch die Primarchirurgen Gassner und Si dorowicz. Es ist hier nicht der Ort, um auf Grund fachmännischer Berichte den Gang der Seuche zu schildern und auf die Abwehrversuche der Sanitätsbehörden, auf die praktische Tätigkeit der Ärzte, die medizinische Literatur usw. einzugehen. Es seien bloß einige interessante Mitteilungen aus Laienkreisen angeführt. Das Tagebuch eines Wiener Magistratsbeamten (Stadtbibliothek) berichtet über die Cholera in Wien 1831 folgendes: „Am 15. September ist nach einem anhaltenden starken Regenwetter von wenigen Tagen die Cholera, und zuerst in der Stadt selbst, ausgebrochen, wiewohl schon seit 15. August sich in der Stadt und in den Vorstädten einzelne Fälle ereigneten, die, wie, es hieß, bloß mit der sporadischen Cholera befallen gewesen waren. Der erste Fall war in der Stadt im tiefen Graben im Totenbeschreibamte, wo ein Diener der Rannersdorfer Papiermühle plötzlich erkrankt und gestorben ist…. Der ganze k.k.Hof hatte während der Choleradauer hier in Wien, im Lustschloß Schönbrunn, seinen Aufenthalt. Die äußeren eisernen Gitter an den Eingangstüren und die hier und da zwischen den Mauerpfeilern angebrachten Eisengitter wurden mit Brettern verschlagen… Auf gleiche Weise war das Belvedere versichert. Im letzteren sowie in Schönbrunn war ein Bataillon Militär verlegt, teils, damit es in den Kasernen nicht so gedrängt wohnen mußte, teils aber auch, weil man im allgemeinen Unruhe und Bewegungen besorgte, wenn mit Ausbruch der Krankheit aller Verkehr abgesperrt werden sollte. Es geschah letzteres auch wirklich. Wie die Krankheit in Ungarn sich immer mehr ausbreitete, fing der Verkehr zu stocken an. Die meisten Fabriken wurden geschlossen, und von den Professionisten die Gesellen entlassen… Wiewohl von Seiten der Polizei und von Seiten des Magistrats eine bedeutende Menge arbeitsloser Menschen von hier weg und in ihre Heimat geschafft wurde, so gab es doch eine bedeutende Zahl, die hierher zuständig war und arbeitslos wurde… Um diese Leute zu beschäftigen, wurde der Bau des schon seit mehreren Jahren im Antrag gewesenen Hauptunratskanals längst dem rechten Wienflußufer begonnen und hierbei gegen 5000 Menschen Arbeit verschafft. Fast zu gleicher Zeit, also im Sommer 1831, wurde aus gleicher Ursache das Schießstättengebäude zusammengerissen und der Bau zu dem neuen Kriminalgerichtshause angefangen; auch bei Nußdorf wurde ein Damm aufgeführt. Am 17. November 1831 ist der k. k. Hofstaat von Schönbrunn in die k. k. Burg hereingezogen. Vormittags um 9 Uhr fuhren Se. Majestät bei der Mariahilfer Linie herein über die Mariahilfer Hauptstraße, wo die Bürgermiliz bis in die Burg Spalier machte. Gleich bei der Linie empfing Ihre Majestäten die Schottenfelder Geistlichkeit mit dem Kreuze, auch bei der Mariahilfer Kirche empfing Hochdieselben die Pfarrgeistlichkeit, bei der Stiftskirche die Armenier. In allen Kirchen der Stadt und der Vorstädte wurde um die neunte Stunde mit allen Glocken geläutet. Auch die Schuljugend machte Spalier von der Linie bis in die Burg. Ende Februar 1832 hörte die Cholera in Wien gänzlich auf, und am 27.März 1832 wurden in allen Kirchen für die daran Verstorbenen Requiem und am 18. darauf für die Abwendung dieser Krankheit Dankämter gehalten/’ (Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, redigiert von Carl Glossy, 3. Jahrgang, Wien 1893, Seite 256 und 257.) Der Dichter J. F. Ca-stelli (1781 bis 1862) schreibt in seiner Selbstbiographie „Memoiren meines Lebens“ (2. Band): „Im Jahre 1831, als die Cholera in Wien wütete, schrieb ich eine populäre Broschüre über diese Krankheit, welche hauptsächlich für das Landvolk berechnet war und worin ich es mir zur Aufgabe machte, das Volk mit dem Wesen der Krankheit bekannt zu machen, ihm die Mittel an die Hand zu geben, sich vor derselben zu wahren, und wenn sie jemand trifft, ihm zu sagen, was er im ersten Augenblicke, bevor noch der Arzt erscheint, zu tun habe. Daß ich diese Aufgabe glücklich löste, beweist ein Brief des Herrn Hofrates Ohms, mit welchem er mir das mit dem Admittatur versehene Manuskript zurückstellte. Es heißt darin wörtlich: Dieses gelungene Produkt hat auch von Seiten der k. k. vereinigten Hofkanzlei eine rühmliche Anerkennung gefunden und verdiene nach dem Urteile der medizinischen Fakultät als Volksschrift, wegen Gediegenheit des eigentlichen ärztlichen Inhaltes sowie wegen seltener Verständlichkeit, den ersten Platz unter allen Schriften über die Cholera. Als die niederösterreichischen Landstände dieses Urteil lasen, beauftragten sie mich, dasManuskript einstweilen in l0.000Exem-plaren drucken zu lassen, und sandten dieselben an alle Dominien des Landes. Von allen Beteilten gingen Dankschreiben und Berichte über die gute Wirkung des Werkchens ein, welche mir als Anerkennung zugestellt wurden und welche ich noch besitze. Der Kaiser ließ mir durch die Polizeistelle sein Wohlgefallen ausdrücken/’ — Der Titel von Castellis Schrift lautet: „Wohlgemeinte Worte an Österreichs Landvolk über die jetzt allgemein herrschende Seuche Cholera morbus, über ihre Entstehung, ihre Verbreitung, Kennzeichen, ihre Ursachen, Schutz-und Heilmittel dagegen, in einem für den Landmann faßlichen Stil zu dessen Nutzen und Aufklärung über dieses Übel“, von J. F. Castelli, niederösterreichisch-ständischem Rechnungsrate, Wien 1831. — Grillparzer erzählt: „Die Cholera ist in Wien. Als sie entfernt war, fürchtete man sich; als sie zögerte zu kommen, ward man leichtsinnig, als sie eintrat und von einzelnen wenigen Erkrankungsfällen mit einem ungeheuren Sprunge an einem Tage anderthalb Hundert erkrankten und verhältnismäßig viele daran starben, und noch dazu fast alle aus den besseren Ständen, ward das Entsetzen allgemein. Ich verhielt mich ziemlich gleichgültig. Aber, als ich im Gasthause mich an den Tisch setzend plötzlich höre, daß der Advokat Dr. Götz, mit dem ich seit fünf Jahren täglich zu speisen gewohnt war und auch noch den Tag zuvor gespeist hatte, denselben Morgen nach einem kurzen Übelbefinden gestorben sei, schlug es plötzlich grauenhaft um mich. Ich konnte nicht essen, und die folgende Nacht bekam ich selbst einen Anfall, der, obschon nicht heftig, doch schon ein bedenkliches Symptom zeigte. Die rechte Hand nämlich war für einige Augenblicke eiskalt und bewegungslos geworden, sie erwärmte und belebte sich aber bald wieder. Mit diesem Anfalle war aber auch mein bewegter Zustand vorüber. Widerlich war mir eigentlich nur gewesen, daß ich glaubte, der Choleratod trete infolge ungeheurer, unleidlicher Schmerzen ein und die Idee, wie ein verwundetes Tier sich krümmend, sinnlos, im Schmutz ekelhafter Leibesentleerungen aus der Welt zu gehen, empörte mich. Aber als der Arzt, über meinen Krankheitsanfall viel mehr erschreckt als ich selbst, die irrige Idee über die den Tod begleitenden Zufälle genommen hatte, schien es mir gar nicht mehr so schlimm, mitten in einer allgemeinen Kalamität, unbemerkt, kaum bedauert, das Los vieler zu teilen. Ja, als ein neuer Anfall, obwohl unendlich schwach und bald vorübergehend, mich verflossene Nacht aus dem Schlafe weckte, dehnte ich mich mit einer Art Wollust bei dem Gedanken eines so schnellen Überganges in das unbekannte Land. Ich hegte gleichsam die Empfindung des erwachten Grimmens im Unterleibe, schlief aber darüber ein und erwachte gesund und diesseits. Ich glaube nicht, daßich an dieser Krankheit sterben werde; sie nimmt wohl nur die, die noch gerne dableiben möchten.“ (Aus dem Grillparzer-Archiv: Tagebuchblätter. Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, 3. Jahrgang, Seite 193 und 194.) — Die Wiener Schriftstellerin Caroline Pichler (geb. Greiner, 1769 bis 1843) teilt in ihrer Selbstbiographie („Denkwürdigkeiten aus meinem Leben“, Wien 1844, Band IV, Seite 124 ff. und 180 ff.) Eindrücke aus der Cholerazeit mit, auf die wir hier verweisen. — Der Dichterarzt Justinus Kerner verfaßte in dankbarer Erinnerung an Wien das Gedicht Szene aus Wien im Jahre 1831. Der Tod kalt durch die Erde geht, Die Ähren und die Saat er mäht, Der Bleiche schreitet nimmersatt Durchs Ungarland zur Kaiserstadt. O Toter! Wie bist du allein! Kein Bruder folget deinem Schrein, Gedungene Träger, stumm und kalt, Fortschleppen dich ohn’ Aufenthalt. Und wo der Zug erscheint, da weicht Das Volk zur Seite und erbleicht. Hier auch kommt so ein Zug heran, Sie tragen einen Bettelmann. Kein Aug’ auf dieser Welt dem weint, Dem folgt am wenigsten ein Freund. Erschrocken weicht das Volk zurück, Nur einer bleibt, Mitleid im Blick, Und schnell gewandt zum Sarge, geht Der hintennach, still, mit Gebet. Ich bin ein fremder Wandrer hier, Wer ist der Mann ? O sagt es mir ! Ist das nicht hier der beste Christ, Wenn es nicht gar ein Engel ist ? „Ja, Wandrer, du bist fremd hier ganz; Der Mann dort — ist ja unser Franz!“
Lorenz Oken (1779 bis 1851), der große Naturphilosoph und Begründer der Naturforscherversammlungen (1822), welcher nach Niederlegung seiner Jenaer Professur (1819) eine Zeitlang als Privatgelehrter in Jena, sodann als Privatdozent in München tätig gewesen, war damals ordentlicher Professor in München, folgte aber noch im gleichen Jahre einem Rufe nach Zürich.
Schreiben Sr. Exzellenz, des Herrn Staats-und Konferenzrates, ersten Leib-und Protomedikus, Direktors der medizinischen Studien usw., Andreas Freiherrn v. Stifft: Ich danke verbindlichst für die werte Einladung zu den allgemeinen Versammlungen der deutschen Naturforscher und Ärzte. So sehr ich gewünscht hätte, allen drei Versammlungen beizuwohnen, so ist dieses doch leider unmöglich. Ich werde aber, so groß auch die Zahl der täglich eingehenden Geschäftsstücke noch ist, welche am Tage des Eingehens beantwortet sein müssen, nach meinem Vermögen trachten, wenigstens einmal an der Ehre teilzunehmen, einer so überaus interessanten Versammlung beizuwohnen. Ich habe die Ehre mit besonderer Hochachtung stets zu verharren usw. Schönbrunn, am 18. September 1832.
Abdruck aus der von J. J. Sachs redigierten „Berliner medizinischen Zeitung“.
Schiffner hatte 1830 interimistisch die Direktion geleitet,Güntner wurde 1831 Direktor.
An der Klinik Kleins forderte das Kindbettfieber immense Opfer, so daß fremde Ärzte hier die beste Gelegenheit fanden, Studien über die Krankheit zu machen. So veröffentlichte Ed. Martin 1835 in der „Neuen Zeitschrift für Geburtskunde“ (Band II, Seite 350) eine Arbeit „Über Puerperalfieber, nach Beobachtungen im Allgemeinen Krankenhause zu Wien während der ersten Hälfte des Jahres 1834“.
Das 1745 gegründete Krankeninstitut der Handlungsdiener brachte seine Kranken zuerst in Extrazimmer des Spitals der Barmherzigen Brüder, sodann in einem gemieteten Krankenzimmer des Spanischen Hospitals, darauf im „Strudelhof“, schließlich 1784 in einer gemieteten Lokalität des Allgemeinen Krankenhauses unter.’ 1835 bezog es sein eigenes Gebäude.
Anselm Martin, „Die Kranken-und Versorgungsanstalten Wien, Baden, Linz und Salzburg in medizinisch-administrativer Hinsicht betrachtet“, München 1832.
Elias Löbisch dozierte seit 1828 über Frauen-und Kinderkrankheiten.
Seit der Gründung der Anstalt (1710) diente ein langer, gewölbter, niederer, mit kleinen Fenstern versehener Saal (52 Betten) zur Unterbringung der Kranken. 1833 wurden Sammlungen für den Bau eines Spitals eingeleitet, welches 1837 eröffnet worden ist.
Der Orden der barmherzigen Schwestern wurde 1831 nach Wien verpflanzt; das Spital wurde in Gumpendorf errichtet.
Dr. Görgens Privatheilanstalt (1809 gegründet), welche sich vordem in Gumpendorf befunden hatte, wurde 1831 nach Oberdöbling verlegt.
Begründer des Krankenhauses in der Vorstadt Roßau war Samuel Oppenheimer, „der Rom. kaiserl. Majestät Oberkriegsfaktor und Hofjud“ (wie der Titel unter seinem, 1704 in Kupfer gestochenen Bildnis lautet). Der Neubau des durch Überschwemmungen und andere zerstörende Ereignisse hart mitgenommenen alten Krankenhauses erfolgte 1793.
Lichtenthai berichtet in seiner Schrift „Ideen zu einer Diätetik für die Bewohner Wiens“ (Wien 1810) folgendes: „Um die Kenntnis zur Rettung solcher Menschen, die man ertrunken, erstickt, erhängt, erfroren findet und für scheintot hält, zu verbreiten, werden auf der hiesigen Universität alljährlich Vorlesungen für jedermann frei gehalten. Alle Kandidaten der Medizin und Chirurgie müssen darin unterrichtet werden, auch die Schiffer, die es oft mit Ertrunkenen zu tun haben, können nicht eher das Meisterrecht erhalten, als bis sie in diesem Gegenstande unterrichtet und geübt sind. Jede wundärztliche Offizin erhält eine Rettungstafel, worin kurze Anweisungen über diesen Gegenstand enthalten sind. Notkästchen, worin alle Rettungswerkzeuge und Arzneien, nebst einem Unterricht zu deren Gebrauche vorhanden sind, findet man in der Stadt bei der Oberpolizeidirektion und sieben andere in Offizinen von Wundärzten; in den Vorstädten auf jedem Grunde bei dem Richter und in der Wohnung eines jeden Polizeidirektors; dann an den beiden Ufern der Donau an zehn verschiedenen Plätzen. Außerdem sind noch besondere Tragkörbe angeschafft, um die Verunglückten an einen zum Rettungsversuche bestimmten oder bequemen Platz zu tragen. Für die wirkliche Wiederbelebung wird dem Retter eine Belohnung von 25 Gulden abgereicht; sein Name und seine Tat wird mit Ehren durch die Zeitung bekanntgemacht und mit einem Belobungsdekret von der Landesstelle ausgezeichnet. Diejenigen, welche die ersten und die tätigsten bei einer solchen Rettung gewesen sind, werden verhältnismäßig belohnt und den Besitzern jener Wohnungen, welche sie zur Unterbringung der Verunglückten im Notfalle hergegeben haben, auf ihr Verlangen eine billige Entschädigung bezahlt.
In dem folgenden Auszug aus dem offiziellen Versammlungsbericht werden nur die Angaben über die von Wiener Ärzten und Naturforschern in den einzelnen Sektionen gehaltenen Vorträge angeführt. In den allgemeinen Versammlungen sprachen außer den Geschäftsführern Jacquin und Littrow die Wiener: Wawruch in lateinischer Sprache über das Alter der Cholera (im Druck erschien die Rede unter dem Titel Disquisitio medica Cholerae, cujus mentio in sacris bibliis occurrit, Vindobonae 1832), Czermak über die Spermatozoen und Ferd. Graf Palffy über den Nutzen der Naturforscherversammlungen.
Simon Stampfer (1792 bis 1864), Professor am Polytechnischen Institut in Wien.
Dr. med. und Professor der Chemie am Theresianum.
Josef Berres, vorher Professor in Lemberg, hatte nach dem Tode Mayers 1831 die Professur der Anatomie an der Wiener Universität übernommen. Durch seinen lebhaften, geistvollen Vortrag und durch seine praktische Lehrmethode gelang es ihm bald, die unter seinem Vorgänger vernachlässigten Studien zu beleben. Unter seiner Leitung blühte auch das neu geordnete anatomische Museum auf. Bei den zahlreich herbeiströmenden Schülern erwarb er sich aufrichtige Verehrung, bei den Fachgenossen durch seine anthro-pometrischen und mikroskopischen Studien verdiente Anerkennung. Besonders wertvoll wurden seine Untersuchungen über das kapillare Gefäßsystem, über die physiologische Bedeutung der intermediären Gefäßsysteme, die Drüsensekretion sowie über die Verbindung derselben mit dem Lymphgefäßsystem. Er bediente sich des Hydrooxygenmikroskopes und verwendete als einer der ersten die Heliographie zu wissenschaftlichen Zwecken. Um die leicht verwischbaren Bilder dauernd zu fixieren, ersann er ein eigenes photomecha,nisches Verfahren (Ätzen auf der Silberplatte).
Vgl. Seite 101.
Ludwig Friedr. v. Froriep (1779 bis 1844), ehemaliger Professor der Chirurgie und Geburtshilfe in Tübingen, lebte seit 1816 in Weimar.
Vindobonae 1831. Der Verfasser schreibt darin der Schilddrüse eine chemische Funktion zu, welche eine Umwandlung des Blutes hervorbringt.
Casp. Fischer, seit 1823 Professor der Naturgeschichte am Josephinum.
Konservator am k. k. Naturalienkabinett.
Vgl. oben Anmerkung 7.
Stanislaus Töltenyi, seit 1827 Professor der allgemeinen Pathologie und Therapie am Josephinum.
Vgl. Seite 127.
In dieser Sektion präsidierte ständig der Kliniker Hofrat Professor Christ.Friedr.Harless aus Bonn (1773bis 1853), als Schriftführer fungierten Professor Herrmann und Dr. Rud. v. Vivenot. In der Diskussion nahmen entsprechend den Erfordernissen des Tages und den Zeitströmungen die Themen Cholera (Kontagionisten und Nichtkontagionisten) und Homöopathie einen breiten Raum ein.
Leopold Herrmann, seit 1815 Professor der theoretischen Medizin für den niederen Kurs der Wundärzte.
Vgl. Seite 67.
Vgl. Seite 66.
Carabelli dozierte Zahnheilkunde seit 1821 an der Universität.
Hofarzt.
Vgl. Seite 79.
War später Assistent Rokitanskys.
Benedikt Obersteiner.
Franz Wirer (1771 bis 1844), einer der gefeiertsten praktischen Ärzte Wiens, der sich namentlich um Ischl, dessen Bedeutung er als Heilbad zuerst erkannte (1821), die größten Verdienste erworben hat.
Vgl. Seite 67.
Felix Bittner, damals Bezirksarzt in der Josefstadt, später Primararzt.
Georg Mojsisovicz wurde 1832 Primachirurg, machte sich später besonders um die Einführung der Jodtherapie bei Syphilis verdient.
Von der Einführung des Sthetoskopes in die Klinik war man noch sehr weit entfernt!
Peter Wagner, Professorder Staatsarznei künde am Josephinum.
Ein Institut für Heilgymnastik und Orthopädie wurde in Wien im Jahre 1838 von Dr. Zink (in der Alservorstadt) errichtet. Dasselbe lag mitten in einem Garten und bestand aus einem Wohngebäude mit 22 Zimmern, einem großen Saal, Badehause und einer chirurgisch-orthopädischen Werkstatt. Dort konnten Zöglinge aufgenommen werden und erhielten außer der nötigen Behandlung und Übungstherapie auch Schulunterricht.
Die Selbstbiographie des großen Gehirnanatomen und Physiologen KarlFriedrich Burdach (1776bis 1847), Professors in Königsberg, bildet einen Band seines Werkes „Blicke ins Leben“ (Leipzig 1842 bis 1848) und gewährt einen ausgezeichneten Einblick in die Zeitgeschichte. Mit Wien, wo er mehrmals längeren Aufenthalt nahm, verknüpften Burdach Familienbande.
Josef Johann v. Littrow (1781 bis 1840), Astronom, wirkte in Wien seit 1819 als Professor und Direktor der Sternwarte.
B. suchte zu beweisen, daß die Meinung irrig sei, wonach „nur die selbsttätige Zusammenziehung der Herzkammern deren Spitze gegen die Brustwand treiben könne“, er finde dagegen diese Kraft in der einströmenden Blutmasse, was erstens aus den beobachteten Zeitverhältnissen des Herzschlages zu den stoßweisen Bewegungen des Blutes in den Adern und zweitens aus unmittelbaren Versuchen an lebendig geöffneten Tieren hervorgehe. Im zweiten Teile seiner Rede, wo er darzutun suchte, daß der erste Schall vom Einströmen des Blutes in die Herzkammern durch Zusammenziehung der Vorkammern, der zweite vom Einströmen in die Anfänge des Arterien Stammes durch Zusammenziehung der Herzkammern herrühre — wies er auf das eminente Verdienst, welches sich der Wiener Arzt Auen brugger erworben hat.
Vgl. Seite 97.
Vgl. Seite 95.
Einleitend heißt es dort: „War die Versammlung in Hinsicht auf Zahlenverhältnisse nicht die glänzendste, so wurde sie doch ohne Zweifel die bedeutungsvollste durch die ehrenvolle Aufmerksamkeit, welche der Staat ihr schenkte. Es waren die vielfältigsten Veranstaltungen getroffen, um den Gästen ihren Aufenthalt in Wien nützlich und angenehm zu machen; die hohen und höchsten Staatsbeamten bewiesen sowohl ein lebhaftes Interesse an den Verhandlungen der Gesellschaft als auch die ausgezeichnetste Humanität gegen einzelne Glieder derselben; den Gelehrten wurden Feste gegeben, wie sie sonst nur den großen der Erde zuteil werden, deren Pracht aber den an eine einfache, glanzlose Lebensbahn gewohnten Gästen nicht drückend werden konnte, da die ungekünstelte, wohlwollende Freundlichkeit der hohen Wirte auch die leiseste Spur von Zwang entfernte. In der Tat, Österreichs Regierung hat auf eine ihr angemessene, das heißt großartige Weise gezeigt, wie sie die Wissenschaft ehrt; sie hat in der Nation die Einsicht in den Wert wissenschaftlicher Bestrebungen befördert; sie hat die gegenwärtigen wie die abwesenden Forscher durch das erhebende Gefühl gefundener Anerkennung zu neuen Anstrengungen ermuntert und gekräftigt. Sie hat mit einem Worte bewirkt, daß die diesjährige Versammlung in Sinn und Tat bleibende Früchte für das Fortschreiten geistiger Entwicklung bringen wird“. — Am Schlüsse wendet sich B. gegen die Spötter über die Völlereien und sagt: „In der Tat haben wir in Wien unendlich mehr gefunden als wohlbesetzte Tafeln, mehr Gehalt als Schein, mehr Gelehrte als Skribenten; mit so manchem wissenschaftlichen Gewinn kehrten wir von da zurück, und wenn die Äußerlichkeiten des Festes unserem ästhetischen Sinn zusagten, so erkannten wir auch die wahrhafte Bedeutung derselben für die wissenschaftliche Kultur.“
Dritte Gemahlin des Fürsten Metternich. „Aus Metternichs nachgelassenen Papieren“…, Wien 1882, Seite 241 ff.
Fürst Clemens Lothar Wenzel v. M. (1773 bis 1859), der österreichische Staatskanzler.
Graf von Sedlnitzky, Präsident der obersten Polizeihofstelle, die rechte Hand Metternichs.
Es war dies der Vortrag des Königsberger Professors Burdach, vgl. Seite 187.
Gemeint ist der Vortrag des gelehrten Wawruch (vgl. Seite 67). Der Anfang, welcher gründliche lateinische Sprachkenntnisse, namentlich bei den Ärzten voraussetzen zu können behauptete, lautete: χαιρειν Salvere vos et bene valere exopto ! Poscor. En, ultro lubens obedio. Occasio quippe, in tarn Illustri et Amplissimo doctorum virorum consensu, verba publice faciendi, est certe honorifica; quid inquam ? Imo honorificentissima ! Augu-stissimi enim Imperatoris et Regis Francis ci I. (quem Nestoreos in annos incolumem servent superi !) regalis, imo pene divina munifi-centia, Illustrissimique ac Excellentissimi Archiatrorum ejus comitis, medicinae Austriacae statoris singularis quaedam in eruditos bene-volentia, haec nobis otia fecit, quod donum insigne meritis laudibus depredicare vel dissertissimae facundiae vires exsuperat. — Latina offero. Numne tantorum virorum auctoritate dignius idiomaseligere potuissem ? Equidem gaudeo, quod affirmare ausim, rem litterariam nondum eo calamitatis devenisse, quin inveniantur medici, numero permulti, quos certe, ut cum Romano loquar, puderet, nescire latine. Inclitus enim medicorum ordo, jam dudum ante renatas litteras, in ipsis prisci aevi tenebris castae genuinaeque latinitatis semper exi-stit vindex oppido strenuissimus. Assertum hoc omnis aevi affatim comprobant monumenta medica. Idcirco, nee huic, quam vivimus aetati, licuit esse tarn infelici, ut penuria romani idiomatis laboraret, licet undiquaque crepitent vernacula. Medicorum Germaniae, Italiae et Hungariae doctos proceres latine alloquens, spe fretus vivo, nec thema, quod tracto, nec linguam, qua utor, vitio versurum iri.“ Im Verlauf seiner Rede kommt W. zum Ergebnis, daß im Pentateuch (Num., cap. XI, vers. 18, 19 seqq.) eine Krankheit Cholera erwähnt wird, die aber von der gegenwärtigen Cholera, wie aus der ganzen Erzählung hervorgehe, verschieden war.
Fürst Metternich wohnte der 3. Sitzung der botanischen Sektion am 21. September bei, der 3. Sitzung der mineralogisch-geo-gnostischen Sektion am 24. September (er sprach selbst über den Vorteil, welcher durch die Wahl eines geognostischen, bei allen Karten gleichbleibenden Farbenschemas erwachsen würde), am gleichen Tage auch der 5. Sitzung der zoologisch-anatomisch-physikalischen Sektion.
Am Abend des 22. September war die ganze Gesellschaft zu einer Soiree in dem Gebäude der k. k. Haus-, Hof-und Staatskanzlei geladen.
Metternichs Leibarzt.
Raphael Ferd. Hussian, Schiiler Kerns und Boers, einer der gesuchtesten Geburtshelfer Wiens, Arzt des Hofes und der Aristokratie und des höheren Bürgerstandes.
Vgl, Seite 182.
Der k. k. Schloßhauptmann.
Graf Wurmbrand.
Der Staats-und Konferenzminister Graf Nadasdy.
Am 28. September war die Gesellschaft zum Diner beim Fürsten Metternich geladen.
Graf Caspar Sternberg, vgl. Seite 161.
Der königlich preußische Medizinalrat Professor A. W. Otto aus Breslau.
Vgl. Seite 120.
Es sei hier bemerkt, daß sich in den „Nachgelassenen Papieren Metternichs“ zahlreiche Stellen auf Ärzte beziehen.
Herausgegeben von F. Wolf (Wien, 1844), Bd. IV, Seite 145 ff.
Froriep war der Schwiegersohn des Weimarer Schriftstellers, Buch-und Kunsthändlers Friedrich Justin Bertuch, der sich durch seine Zeitschriften (Jenaische allg. Literaturzeitung, Journal des Luxus und der Moden u. a.), seine Bemühungen um die Einführung der spanischeu Literatur und durch die von ihmbegründeten Institute verdient machte. Nachdem Froriep schon einige Zeit seinen Schwiegervater in der Leitung des Industriekontors unterstützt hatte, übernahm er nach dessen Tode die Leitung desselben (1822).
Gemeint ist das, 1830 in Göttingen erschienene Buch: „Verdienste der Frauen um Naturwissenschaft, Gesundheits-und Heilkunde“. Gräfin Maria Elisabeth Helene Zay v. Czömör (1779 bis 1842), deutsche Dichterin, wirkte als Gutsherrin in Zay-Ugrocz, Bucsan und ödenburg ungemein wohltätig. Da es auf dem Lande nur äußerst wenig Ärzte gab, so spendete sie jedermann ärztlichen Rat und Hilfe, zu welchem Zwecke sie — selbst stets kränklich — medizinische Bücher studierte, und mit besonderer Vorliebe für den Magnetismus und das homöopathische Heilverfahren ausübte. In der Vorhalle ihres Schlosses drängten sich die Kranken wie in den Vorzimmern gefeierter Ärzte.
Man sieht, welches Verdienst sich Burdach dadurch erwarb (vgl. Seite 187), daß er auf die epochale Leistung des alten, damals nahezu vergessenen„unbedeutenden“ (!) Wiener Arztes, Auenbrugger, aufmerksam gemacht hat. Das war 71 Jahre nach dem Erscheinen des „Inventum novum“ und 24 Jahre nach dem Erscheinen der durch Corvisart veranstalteten Übersetzung des Werkes!
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Neuburger, M. (1921). Die Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien 1832. In: Die Wiener Medizinische Schule im Vormärz. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-5705-3_10
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