Zusammenfassung
Die Arbeit einer Gruppe britischer und französischer psychoanalytischer Denker, unter ihnen Bion, Lacan, McDougall, Tustin und Winnicott, hat mich dazu geführt, gewisse psychische Schwierigkeiten als unbewußte Furcht vor einem Nicht-Wissen zu verstehen. Dem Individuum ist es nicht möglich zu wissen, was es empfindet und deshalb weiß es auch nicht, wer es ist (falls es überhaupt jemand ist). Der Patient schafft für sich selbst (und in zweiter Linie für andere) regelmäßig die Illusion, daß es ihm möglich sei, Gedanken und Gefühle, Wünsche und Ängste zu produzieren, die sich anfühlen, als seien sie seine eigenen. Obwohl diese Illusion eine wirksame Abwehr gegen die schreckliche Angst des Nicht-Wissens, was man fühlt oder wer man ist, darstellt, verstärkt sie die Selbstentfremdung des Individuums. Die Illusion zu wissen wird durch die Schaffung einer großen Bandbreite von Ersatzbildungen ermöglicht, die den „potentiellen Raum“ (Winnicott, 1971d) füllen, in dem andernfalls Begierde und Furcht, Appetit und Völlegefühl, Liebe und Haß entstünden.
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Referenzen
Der manifeste Inhalt dieses Traums läßt natürlich auf konflikthafte sexuelle und aggressive Bedeutungen schließen. Es war jedoch notwendig, zuerst die Erfahrung des Nicht-Wissens der Patientin dessen, was sie erlebte, zu analysieren, bevor es möglich wurde, den widersprüchlichen Inhalt dieser Erfahrung zu analysieren.
Für den analytischen Prozeß ist es charakteristisch, daß jede Einsicht (jedes Erkennen) unmittelbar zum nächsten Widerstand (zur nächsten Verkennung) führt. Die Bewußtheit des Patienten um die Erfahrung des Nicht-Wissens und sein Verständnis dayon stellen keine Ausnahme von diesem Prinzip dar. Immer wenn der Analysand seinen abgewehrten Zustand des Nicht-Wissens erkennt, wird das Gefühl der Verwirrung selbst im Dienst der Abwehr dessen, was der Patient bewußt und unbewußt weiß, aber nicht zu wissen wünscht, verwendet.
Ich habe den Großteil des ersten Analysejahres benötigt, um der Art und Weise bewußt zu werden, mit der Dr. L. mich unbewußt in Verkennungen seines inneren Zustandes zu locken versuchte, und zwar, indem er diese falsch etikettierte, indem er mir ein irreführendes Bild von sich selbst und seinen Beziehungen vermittelte, wobei er wichtige Details unterschlug und mich so dazu brachte, daß ich glaubte, er wisse, was sich in einer zwischenmenschlichen Situation abspielte, was aber nicht zutraf etc.
Wenn das Individuum nicht in der Lage ist zu wissen, was es fühlt, ist es ihm auch nicht möglich zu wissen, was es ist, das der andere erlebt. Es ist dies nichts anderes, als eine andere Art, den Sachverhalt darzulegen, daß in der zur Diskussion stehenden inneren Objektbeziehung das Individuum sowohl inneres Mutterobjekt als auch inneres Kindobjekt ist, wobei beide Gegenstand der Verkennung wie auch Verkennende sind. Das Ergebnis ist ein Gefühl der Entfremdung vom anderen, die sowohl durch die Selbst- wie auch durch die Objektkomponente der inneren Objektbeziehung erfahren wird.
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© 1995 Springer-Verlag Wien
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Ogden, T.H. (1995). Verkennung und die Angst vor dem Nicht-Wissen. In: Frühe Formen des Erlebens. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-3342-2_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-7091-3342-2_8
Publisher Name: Springer, Vienna
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