Zusammenfassung
Karl Popper, 1902 in Wien als Sohn eines Anwalts böhmisch-jüdischer Herkunft geboren, hatte, nach einer kurzen Revolte gegen Schule und Elternhaus, parallel eine Lehrerausbildung und Tischlerlehre absolviert und beide 1924 abgeschlossen. Er engagierte sich damals in der sozialistischen Jugend- und Schulreformbewegung, studierte seit 1925 am Pädagogischen Institut und promovierte 1928 bei dem Psychologen und Sprachtheoretiker Karl Bühler mit der Dissertation „Die Methodenfrage der Denkpsychologie“. 1930 erhielt er für die Fächer Mathematik und Physik eine Anstellung als Hauptschullehrer in Wien, die er bis 1935 innehatte. Dank seiner Kontakte zum Wiener Kreis begann er seine philosophischen Ideen niederzuschreiben und veröffentlichte diese, auf Anregung von Herbert Feigl, stark gekürzt, 1934 unter demTitel Logik der Forschung in einer Schriftenreihe des Wiener Kreises.
1935/36 reiste Popper für einige Monate nach London und lernte dort Erwin Schrödinger, Bertrand Russell, Ernst Gombrich, Alfred Tarski und vor allem den Ökonomen Friedrich von Hayek kennen, der ihn später beruflich förderte. Unter dem Eindruck der angespannten politischen Lage in Österreich nahm er 1937 eine Dozentur an der neuseeländischen Universität in Christchurch an. Dort entstanden sein berühmtestes Werk The Open Society and Its Enemies (1950) und die mehr theoretische Arbeit The Poverty of Historicism (1957), in der er Prinzipien der Logik der Forschung auf die Sozialwissenschaften übertrug.
In meinem Vortrag möchte ich nicht die rein logischen Beweise diskutieren, mit denen Popper in den genannten Bänden die von ihm entwickelte geschichtsphilosophische Konzeption des Historizismus kritisierte und widerlegte: Für Popper ist der sogen. Historizismus ein Irrglaube, den Popper bei Platon, Hegel und Marx nachweist. Er beruhe auf dem Glauben an eine geschichtliche Notwendigkeit und an nachweisbare Gesetze der historischen Entwicklung; das Ziel wissenschaftlicher Erkenntnis bestehe daher in geschichtlichen Voraussagen und in der Chance zu gesellschaftlicher Totalplanung. Ich möchte klären, inwieweit er mit diesem idealtypisch entworfenen Historizismus Karl Marx und dem späteren Marxismus in seiner deutschen und österreichischen Ausprägung gerecht wird bzw. inwieweit er damit wesentliche Züge des Nationalsozialismus trifft. Abschließend will ich darstellen, ob und wie Fachhistoriker auf Poppers geschichtsphilosophische Konzeption reagierten.
Zu dem folgenden Beitrag hat mich die ausgezeichnete Popper-Biographie von Malachi Haim Hacohen angeregt: Karl Popper, The Formative Years 1902–1945: Politics and Philosophy in Interwar Vienna. Cambridge: Cambridge University Press 2000. – Ulrich Stadler (Basel) danke ich herzlich für die kritische Lektüre des Typoskripts, Sebastian Meissl (Wien) für Literaturhinweise zur Geschichte Österreichs.
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Belke, I. (2013). Karl Popper und die Geschichte. In: Nemeth, E., Stadler, F. (eds) Die europäische Wissenschaftsphilosophie und das Wiener Erbe. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, vol 18. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-1579-4_3
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