Zusammenfassung
Der Begriff »akutes Abdomen« subsumiert eine Vielzahl von oft lebensbedrohlichen, vorwiegend abdominellen Erkrankungen. Charakteristisch ist die akut einsetzende Symptomatik. Leitsymptome sind starker abdomineller Schmerz, Tonuserhöhung der Bauchwand (Abwehrspannung), Steigerung der Darmperistaltik. Häufige Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen, Fieber und in schweren Fällen Zeichen des Kreislaufschocks. Beim akuten Abdomen handelt es sich zunächst lediglich um eine klinisch-deskriptive Bezeichnung. Es liegt hier ein Krankheitsbild vor, das ein schnelles, zielbewusstes diagnostisches und therapeutisches – oft chirurgisches – Handeln erfordert. Die Abklärung und Therapie dieses Zustandsbildes bedarf großer klinischer Erfahrung.
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Walter Dick definierte 1952 das akute Abdomen als einen »durch Zeitnot diktierten, vorläufigen Begriff für einen diagnostisch ungeklärten, lebensbedrohlichen abdominellen Krankheitszustand«. Es handelt sich dabei weder um »eine ätiologische noch eine topische Diagnose, sondern um ein Syndrom, gekennzeichnet durch Bauchschmerz, Peristaltikstörung und Bauchdeckenspannung bei gleichzeitiger Störung des Allgemeinbefindens«. Es wird nicht nur durch abdominelle Erkrankungen hervorgerufen, sondern kann auch durch extraabdominelle, bisweilen sogar durch Allgemeinerkrankungen bedingt sein (Dick 1952).
Das akute Abdomen (R10.0 in der Klassifikation nach ICD-10-GM-2015 WHO; http://www.dimdi.de/static/de/klassi/aktuelles/news_0374.html_319159481.html) stellt eine der häufigsten Konstellationen in jeder ärztlichen Praxis sowie Klinik- bzw. Krankenhausnotaufnahme dar. Dabei handelt es sich zunächst um eine klinisch-deskriptive Bezeichnung.
Ein akutes Abdomen tritt je nach Literatur mit einer Häufigkeit von ca. 500–750/100.000 Einwohnern auf. In ca. 25–30% der Fälle ist die sofortige notfallmäßige Operation indiziert. Risikogruppen wie z. B. immunsupprimierte, Dialyse- oder HIV-Patienten weisen ein 10-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten eines akuten Abdomens auf.
Beim akuten Abdomen liegt ein Krankheitsbild vor, das schnelles, zielbewusstes Handeln sowohl vom erstversorgenden Notarzt bzw. Allgemeinmediziner als auch vom weiterbehandelnden Krankenhausarzt erfordert. Unterbleibt die rechtzeitige und adäquate Reaktion auf die für das akute Abdomen charakteristischen Symptome, kann die Erkrankung zum Nieren-, Lungen- bzw. Multiorganversagen und letztlich zum Tod führen.
Um ein eventuell notwendiges dringliches operatives Eingreifen nicht zu verzögern, fasst daher der Erstuntersucher alle Verdachtsfälle unter der Bezeichnung »akutes Abdomen« zusammen und verzichtet bewusst auf eine zeitraubende, exakte diagnostische Abklärung.
Da dem Arzt vor Ort kaum technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen, sind eine exakte Anamnese und die klinisch-physikalische Untersuchung von ausschlaggebender Bedeutung für das weitere Management des akuten Abdomens. Aus der Patientenerinnerung und Patientenpräsentation entstehen vor dem Hintergrund ärztlichen Fachwissens die primären diagnose- und therapierelevanten Informationen. Diese bahnen bei richtiger Interpretation durch den Erstuntersucher den Behandlungspfad.
Dem weiterbehandelnden Krankenhausarzt kommt dann die Aufgabe zu, aus diesem ätiologisch äußerst heterogenen Krankengut jene Fälle herauszufiltern, die einer raschen operativen Intervention bedürfen.
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Leitsymptome:
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Abdomineller Schmerz (Spontan- und Druckschmerz)
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Tonuserhöhung der Bauchwand (diffus und lokal)
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Störung der Darmperistaltik
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Häufige Begleitsymptome:
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Übelkeit
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Erbrechen
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Fieber
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Blutdruckabfall
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Tachykardie
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Tachypnoe
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Die Ursachen für ein akutes Abdomen lassen sich in folgende Hauptgruppen unterteilen:
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Erkrankungen, die zu Peritonismus oder Peritonitis führen
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Ruptur von Organen
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Blutungen
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Ileus
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Akute intraabdominale Durchblutungsstörungen
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Stumpfe oder perforierende Bauchtraumen
Differenzialdiagnostisch müssen beim akuten Abdomen extraperitoneale Erkrankungen mit Manifestation akuter Beschwerden im Bauchraum (Abb. 1.1) in Betracht gezogen werden wie z. B.
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Lungenembolie,
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basale Pneumonie,
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Pneumothorax,
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Myokardinfarkt,
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Angina pectoris,
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Erkrankungen des Retropertioneums.
Beim Erwachsenen entfallen ca. 90% der Fälle von akutem Abdomen auf einige wenige Krankheitsbilder. Dabei handelt es sich in der überwiegenden Zahl der Fälle um akute Appendizitis, akute Cholezystitis, Ileus, Nierenkolik, perforiertes Ulcus ventriculi/duodeni, Pankreatitis und Divertikulitis. Dies wurde in einer an über 10.000 Patienten mit akuten Abdomen durchgeführten Untersuchung der World Gastroenterology Organization (OMGE), aber auch in anderen Untersuchungen bestätigt (Tab. 1.1).
Bei diesen Erkrankungen kann mit rechtzeitiger, adäquater – in den meisten Fällen chirurgischer – Therapie das Leben der Patienten nahezu immer gerettet werden. Aber auch die selteneren einem akuten Abdomen zugrunde liegenden Erkrankungszustände bedürfen einer raschen Diagnose und therapeutischen Intervention, um das Leben des betreffenden Patienten zu retten.
Exakte Kenntnisse der Anatomie und Physiologie der für das Auftreten eines akuten Abdomens relevanten Organe und Organsysteme wie auch der pathophysiologischen Vorgänge im Rahmen eines akuten Abdomens sind unabdingbare Voraussetzung für ein erfolgreiches diagnostisches und therapeutisches Management dieses Krankheitsbildes.
1 Fazit für die Praxis
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Beim akuten Abdomen handelt es sich um eine der häufigsten Krankheitskonstellationen in der ärztlichen Praxis
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Das akute Abdomen weist keine Korrelation zwischen subjektiv empfundener Schmerzintensität und tatsächlicher Bedrohung des Patienten auf
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Charakteristisch ist der abdominelle Schmerz; weitere Leitsymptome sind Tonuserhöhung der Bauchwand und Störung der Darmperistaltik
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Einem akuten Abdomen können auch extraabdominelle Erkrankungen zugrunde liegen
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Schnelles, zielbewusstes diagnostisches und therapeutisches Handeln sind für das Outcome des akuten Abdomens entscheidend
Weiterführende Literatur
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De Dombal FT (1988) The OMGE acute abdominal pain survey. Progress report, 1986. Scand J Gastroenterol 23 (Suppl 144): 36–42
De Dombal FT (1991) Diagnosis of acute abdominal pain. Churchill Livingstone, Edinburgh
Dick W (1952) Über den Begriff »Akutes Abdomen«. Dtsch med Wochenschr 77(9): 257–259
Hauser H, Berger A (1990) Gastrointestinale Notfälle. In: List WF, Kröll W Aktuelle Notfallmedizin. Blackwell-MZV, S 86–100
Kersting S, Saeger HD (2006) Akutes Abdomen. In: Bruch HP, Trentz O Chirurgie, 5. Auf. Urban & Fischer, München, S 995–997
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Hauser, H. (2016). Definition des akuten Abdomens. In: Hauser, H., Buhr, H., Mischinger, HJ. (eds) Akutes Abdomen. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-1473-5_1
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