Zusammenfassung
Im Bereich der Grundrechte hat die jüngste Reform des europäischen Primärrechts erhebliche Veränderungen bereits bewirkt oder für die Zukunft ermöglicht: Der Grundrechtsschutz in der EU1 ist unmittelbar durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon2 zum 1. Dezember 20093 mit Wirkung qua lege grundlegend umgestaltet, erweitert und ergänzt worden.4
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Literature
Allgemein zum Grundrechtsschutz in der EU, seiner Entstehung und seinen dogmatischen Grundlagen etwa Thomas Oppermann / Claus Dieter Classen / Martin Nettesheim, Europarecht4 (2009) 305 ff mwN; Siegfried Broß, Grundrechte und Grundwerte in Europa, JZ 2003, 429; Thorsten Kingreen, Die Gemeinschaftsgrundrechte, Jus 2000, 857; ders, Theorie und Dogmatik der Grundrechte im europäischen Verfassungsrecht, EuGRZ 2004, 570; Hans D. Jarass, EU-Grundrechte (2005); Hans-Werner Rengeling / Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004) § 2 f; Andreas Haratsch / Peter Schiffauer (Hg), Grundrechtsschutz in der Europäischen Union (2007); Dirk Ehlers (Hg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten3 (2009); Sebastian M. Heselhaus / Carsten Nowak (Hg), Handbuch der Europäischen Grundrechte (2006); Manfred A. Dauses, Der Schutz der Grundrechte in der Rechtsordnung der EU — unter besonderer Berücksichtigung des institutionellen Schutzes dieser Rechte (2010) 25 ff; Manfred Zuleeg, Zum Verhältnis nationaler und europäischer Grundrechte, EuGRZ 2000, 511; Josef Franz Lindner, Fortschritte und Defizite im EU-Grundrechtsschutz, ZRP 2007, 57; Manuel Strunz, Strukturen des Grundrechtsschutzes der Europäischen Union in ihrer Entwicklung (2006); Christoph Grabenwarter, Auf dem Weg in die Grundrechtsgemeinschaft? EuGRZ 2004, 563; Eckhard Pache, Die Rolle der EMRK und der Grundrechte-Charta in der EU, Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht 94 (2009) 113.
Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13.12.2007, ABl 2007 C 306/1); die konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union ist im ABl 2010 C 83/13 veröffentlicht; die Publikation des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in konsolidierter Fassung findet sich in ABl 2010 C 83/47.
Nach der Ratifikation durch Tschechien als letztem Mitgliedstaat am 3.11.2009 konnte der Vertrag nach seinem Art 6 Abs 2 zum 1.12. 2009 in Kraft treten. Siehe dazu Gerda Falkner vorstehend auf S 1.
Für einen Überblick über die durch den Vertrag von Lissabon bewirkten Änderungen vgl Eckhard Pache, Die Rolle der EMRK und der Grundrechte-Charta in der EU, in Fastenrath / Nowack (Hg), Der Lissabonner Reformvertrag — Änderungsimpulse in einzelnen Rechts-und Politikbereichen (2009) 113; Eckhard Pache / Franziska Rösch, Die neue Grundrechtsordnung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2009, 769; Eckhard Pache / Franziska Rösch, Europäischer Grundrechtschutz nach Lissabon — die Rolle der EMRK und der Grundrechtecharta in der EU, EuZW 2008, 519; Elena Schulte-Herbrüggen, Der Grundrechtsschutz in der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon, ZEuS 2009, 343; Franz C. Mayer, Der Vertrag von Lissabon und die Grundrechte, EuR 2009, 87.
Näher hierzu Susanne Stock, Der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention als gemischtes Abkommen? (2010) 178; Andrea Huber, Der Beitritt der Europäischen Union zur europäischen Menschenrechtskonvention (2008) 17; Hans-Michael Wolffgang, Art 6 EUV, in Lenz / Borchardt (Hg), EU-Verträge. Kommentar5 (2010) Rn 7 f.
So Pache / Rösch, Die neue Grundrechtsordnung (Fn 4) 786; Bernhard Schima, Grundrechtsschutz, in Hummer / Obwexer (Hg), Der Vertrag von Lissabon (2009) 330 f.
Der Text der am 7.12.2000 von Rat, Kommission und Europäischem Parlament feierlich proklamierten Europäischen Grundrechtecharta ist im ABl 2000 C 364/1 abgedruckt; nach dem Vertrag von Lissabon rechtlich verbindlich ist die Grundrechtecharta in der neu verkündeten Fassung vom 12.12.2007, ABl 2007 C 306/1.
Zur Stellung der Grundrechtecharta außerhalb der Verträge vgl Clemens H. Fischer, Der Vertrag von Lissabon. Text und Kommentar zum europäischen Reformvertrag2 (2010) 138; Pache / Rösch, Die neue Grundrechtsordnung (Fn 4) 775; Franz C. Mayer, Die Rückkehr der Europäischen Verfassung? Ein Leitfaden zum Vertrag von Lissabon, ZaöRV 67 (2007) 1141 (1155); Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 327.
Zu Bedeutung und Qualifikation des Art 6 Abs 1 UAbs 1 EUV in Abgrenzung zu Verweisungs-und Inkorporationsnormen näher Andreas Haratsch / Christian Koenig / Matthias Pechstein, Europarecht7 (2010) Rn 662 mwN.
Auf diese Motivation für die Ausgliederung der Charta aus den Verträgen weist Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 327 mwN, hin.
In diesem Sinne auch Schulte-Herbrüggen, Der Grundrechtsschutz (Fn 4) 347 f mwN.
Zu dieser Problemstellung vgl Fischer, Der Vertrag von Lissabon (Fn 8) 138 ff; Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 334 ff; Rudolf Streinz / Christoph Ohler / Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU. Einführung mit Synopse3 (2010) 126.
Vgl die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Brüssel, 29./30.6.2009. Siehe auch Rudolf Streinz vorstehend auf S 23.
EuGH, Gutachten 2/94, EMRK, Slg 1996, I–1759.
Ebenso Wolffgang, Art 6 EUV (Fn 5) Rn. 7; Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 331 f.
Vgl auch Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 331 ff mwN.
Hierzu näher Schulte-Herbrüggen, Der Grundrechtsschutz (Fn 4) 360 mwN.
Hierzu bereits Fischer, Der Vertrag von Lissabon (Fn 8) 138; Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 332.
EuGH, Rs 29/69, Stauder, Slg 1969, 419.
Zusammenfassend Hans-Werner Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft. Bestandsaufnahme und Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Schutz der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze (1993) 1 mwN; Eckhard Pache, Begriff, Geltungsgrund und Rang der Grundrechte, in Heselhaus / Nowak (Hg), Handbuch der Europäischen Grundrechte (2006) § 4 Rn 106 ff mwN; zur Entwicklung des Grundrechtsschutzes in der EU instruktiv Gert Nicolaysen, Historische Entwicklungslinien, in Heselhaus / Nowak (Hg), Handbuch der Europäischen Grundrechte (2006) § 1 Rn 1 ff mwN; einen Überblick über die Grundrechtsjudikatur des EuGH geben auch Peter Selmer, Die Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards durch den EuGH. Zum Kooperationsverhältnis zwischen BVerfG und EuGH am Beispiel des Rechtsschutzes gegen die Bananenmarkt-Verordnung (1998) 119 ff mwN, und Matthias Schmidt-Preuß, Regierungskonferenz 2000. Zur Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks, in Dörr et al (Hg), FS Schiedermair (2001) 705 (730 mwN).
Nachweise zur Kritik bei Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 330 Fn 25.
So Pache / Rösch, Die neue Grundrechtsordnung (Fn 4) 786.
In diesem Sinne Nachweise bei Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 330, Fn 24.
Ebenso Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 331.
So bereits Pache / Rösch, Europäischer Grundrechtschutz nach Lissabon (Fn 4) 521 f.
Vgl auch Streinz / Ohler / Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (Fn 12) § 14, 121.
EuGH 19.1.2010, Rs C-555/07, Kücükdeveci/ Swedex, noch nicht in Slg veröffentlicht, Rn 22.
EuGH 4.3.2010, Rs C-578/08, Chakroun/ Niederlande, noch nicht in Slg veröffentlicht, Rn 44.
Vgl hierzu etwa den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) 2488/2000 über die Aufrechterhaltung des Einfrierens von Geldern betreffend Herrn Milošević und Personen seines Umfeldes, KOM(2010) 217 endg vom 12.5.2010.
So Armin Hatje / Anne Kindt, Der Vertrag von Lissabon — Europa endlich in guter Verfassung? NJW 2008, 1761 (1766).
Zur grundrechtlichen Schutzpflichtdimension vgl Joachim Suerbaum, Die Schutzpflichtdimension der Gemeinschaftsgrundrechte, EuR 2003, 390; Horst Dreier (Hg), GG-Kommentar, Band 1 (1996) Vorbemerkungen Rn 62 ff.
Hierzu bereits Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 334 ff; Walter Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4: Europäische Grundrechte (2009) Rn 19 ff.
Zu den unterschiedlichen Auffassungen ausführlicher Schulte-Her-brüggen, Der Grundrechtsschutz (Fn 4) 364 ff mwN.
Zu den möglichen Gründen des Opt-outs des Vereinigten Königreichs und Polens vgl Franz C. Mayer, Die Rückkehr der Europäischen Verfassung? Ein Leitfaden zum Vertrag von Lissabon, ZaöRV 67 (2007) 1141 (116).
Dazu näher Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 328.
Zum Vertragsänderungsverfahren nach Art 48 EUV Andreas J. Kumin, Vertragsänderungsverfahren und Austrittsklausel, in Hummer / Obwexer (Hg), Der Vertrag von Lissabon (2009) 301 (303 f); Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht (Fn 9) 42 ff mwN.
39 Ebenso ausführlicher Schulte-Herbrüggen, Der Grundrechtsschutz (Fn 4) 348 f mwN.
Die unterschiedlichen für einen Vorrang der Grundrechtecharta angeführten Aspekte betont Schulte-Herbrüggen, Der Grundrechtsschutz (Fn 4) 353 ff mwN, ohne allerdings den von ihr angenommenen Vorrang rechtlich näher zu qualifizieren.
Bisher nur mittelbare Kontrolle mit Vermutung der Konventions-konformität vgl EGMR, Bosphorus Hava Yollari Turizm ve Ticaret Anonim Sirketi gegen Irland, Urteil vom 30.6.2005, NJW 2006, 197.
Ausführlich hierzu Huber, Der Beitritt der Europäischen Union zur europäischen Menschenrechtskonvention (Fn 5) 41 ff; Stock, Der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechts-konvention (Fn 5) 273 ff; Frenz, Handbuch Europarecht (Fn 33) Rn 114.
Protokoll Nr 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention SEV-Nr 194, veröffentlicht in EuGRZ 2005, 178.
So ist beispielsweise in zahlreichen Konventionsgarantien der Begriff „Staat“ durch anderweitige Formulierungen zu ersetzen, um auch die nichtstaatliche supranationale Organisation der Europäischen Union zu erfassen, oder es ist zusätzlich auf die Europäische Union Bezug zu nehmen; betroffen sind ua der Wortlaut der Art 8 Abs 2, 10 Abs 1 Satz 2, 11 Abs 2 Satz 2, 12, 17 etc EMRK; hinsichtlich sonstiger notwendiger Anpassungen vgl Frenz, Handbuch Europarecht (Fn 33) Rn 114.
Hierzu auch Streinz / Ohler / Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (Fn 12) § 19, 155 mwN.
Zur Relativierung der Beitrittsverpflichtung durch die unionsrechtlichen Vorgaben näher Schulte-Herbrüggen, Der Grundrechtsschutz (Fn 4) 360 f mwN.
Hierzu Schima, Grundrechtsschutz (Fn 6) 332 mwN.
Vgl Norbert Paul Engel, Konsequenzen eines Beitritts der Europäischen Union zur EMRK für die EU selbst, für den Europarat und den EGMR, EuGRZ 2010, 259.
Vgl COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION, EN, 10630/1/10 REV 1, 4.6.2010.
Vgl insoweit nur Huber, Der Beitritt der Europäischen Union zur europäischen Menschenrechtskonvention (Fn 5) 41 ff; Stock, Der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (Fn 5) 273 ff; Frenz, Handbuch Europarecht (Fn 33) Rn 114.
Ad-hoc-Richter oder Ständiger Richter, Beteiligung dieses Richters nur an den Verfahren gegen die EU oder auch an Verfahren gegen andere Vertragsparteien, Bildung einer speziellen EU-Kammer oder Zuordnung des EU-Richters zu einer bestehenden Kammer etc, vgl Hans Christian Krüger / Jörg Polaciewicz, Vorschläge für ein kohärentes System des Menschenrechtsschutzes in Europa, EuGRZ 2001, 92 (102 mwN).
Auch hierzu instruktiv Krüger / Polaciewicz, Vorschläge für ein kohärentes System des Menschenrechtsschutzes in Europa (Fn 55) 103 ff mwN; vgl auch Christoph Grabenwarter, Die Menschenrechtskonvention und Grundrechte-Charta in der europäischen Verfassungsentwicklung, in Cremer et al (Hg), FS Steinberger (2002) 1129 (1148 ff mwN).
Näher hierzu Council of the European Union, 10568/10, 2. June 2010, unter Hinweis auf die unterschiedlichen hierzu vertretenen Auffassungen.
Berichterstatter Ramón Jáuregui Atondo, A/0144/2010.
Engel, Konsequenzen eines Beitritts der Europäischen Union zur EMRK (Fn 52) 260.
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Pache, E. (2011). Die Ausgestaltung des Grundrechtsschutzes unter besonderer Berücksichtigung des Beitritts der Union zur EMRK. In: Eilmansberger, T., Griller, S., Obwexer, W. (eds) Rechtsfragen der Implementierung des Vertrags von Lissabon. Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft für Europaforschung (ECSA Austria), vol 14. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0411-8_5
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